
14. Juli 2022
Bundesfinanzhof: Neue Rechtsprechung zur personellen Verflechtung bei mittelbarer Beteiligung an einer Besitz-Personengesellschaft
Inhaltsverzeichnis
- Das wichtigste zu einer Betriebsaufspaltung in Kürze
- Was versteht man unter einer sachlichen Verflechtung?
- Was versteht man unter einer personellen Verflechtung?
- Bisherige Rechtsprechung am Bundesfinanzhof zur mittelbaren Beteiligung
- Was bedeutet die Änderung der Rechtsprechung am Bundesfinanzhof?
- Unsere Einschätzung
Die bisherige Rechtsprechung am Bundesfinanzhof (BFH) zum sogenannten Durchgriffsverbot bei mittelbarer Beteiligung an einer Besitzgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft wurde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Juni 2021 geändert. Welche Konsequenzen sich hieraus insbesondere für die Immobilienvermietung und im Hinblick auf die erweiterte Grundstückskürzung ergeben und was Sie nun zu beachten haben, erfahren Sie hier.
Das wichtigste zu einer Betriebsaufspaltung in Kürze
Betriebsaufspaltungen sind gesetzlich nicht geregelt, sondern wurden von der Rechtsprechung entwickelt. Die Betriebsaufspaltung führt im Wesentlichen dazu, dass die Überlassung von Wirtschaftsgütern an eine Betriebsgesellschaft nicht als private Vermögensverwaltung (wie z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen) angesehen wird, sondern zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert wird. Eine weitere Konsequenz hieraus ist die Überführung des Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen, welches sodann steuerverhaftet ist.
Die Betriebsaufspaltung setzt eine sachliche und personelle Verflechtung des Besitz- und Betriebsunternehmens voraus. Dabei ist die Besitzgesellschaft im Regelfall eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft, während die Betriebsgesellschaft die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat. Sie kann jedoch in jeder Konstellation entstehen. Auch mitunternehmerische und kapitalistische Betriebsaufspaltungen sind möglich.
Was versteht man unter einer sachlichen Verflechtung?
Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn die der Betriebsgesellschaft durch die Besitzgesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter eine sogenannte wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft darstellen. Von einer wesentlichen Betriebsgrundlage ist bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auszugehen, wenn diese zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich und für die Betriebsführung von besonderer Bedeutung sind.
Zwingende Voraussetzung für eine wesentliche Betriebsgrundlage im Zusammenhang mit Grundstücken ist, dass sie die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bilden.
Was versteht man unter einer personellen Verflechtung?
Von einer personellen Verflechtung ist nach ständiger Rechtsprechung insbesondere dann auszugehen, wenn die hinter beiden Unternehmen stehende/n Person/en einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchsetzen können. Das setzt unter anderem voraus, dass die Person/en, die die Besitzgesellschaft beherrschen, auch die Betriebsgesellschaft beherrschen können. In der Regel ist die Mehrheit der Stimmen erforderlich, man spricht von einer sogenannten Beherrschungsidentität.
Bisherige Rechtsprechung am Bundesfinanzhof zur mittelbaren Beteiligung
Bei der bisherigen BFH-Rechtsprechung kann die Herrschaft über eine Betriebsgesellschaft auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt werden und somit eine personelle Verflechtung begründen, hieran ändert auch die aktuelle Rechtsprechung nichts. Anders erfolgte jedoch bisher die Beurteilung im Falle einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzgesellschaft. Sind die Gesellschafter:innen der Betriebsgesellschaft lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft auch an der Besitzgesellschaft beteiligt, konnte bislang infolge der Abschirmwirkung der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft keine personelle Verflechtung begründet werden. Aufgrund des für Kapitalgesellschaften geltenden sog. Durchgriffsverbots wurde in diesen Fällen bislang sowohl eine mögliche Beteiligungsidentität als auch eine Beherrschungsfunktion der Gesellschafter:innen verneint. Dies galt auch für die Fälle der klassischen GmbH & Co. KG, in denen die natürlichen Personen zwar direkt an der Besitzgesellschaft beteiligt sind, die Geschäftsführungskompetenz jedoch bei der Komplementärgesellschaft verortet ist.
Was bedeutet die Änderung der Rechtsprechung am Bundesfinanzhof?
Durch die Änderung der Rechtsprechung bejaht der IV. Senat des Bundesfinanzhofs nun auch bei einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzgesellschaft die Möglichkeit des Bestehens einer personellen Verflechtung. Nach jetziger Auffassung seien keine Gründe für eine unterschiedliche Beurteilung beider Fallkonstellationen ersichtlich. Für das Vorliegen der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft sei allein entscheidend, dass die Personen oder Personengruppen beide Unternehmen derart beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen.
Mit der geänderten Rechtsprechung ist künftig für eine personelle Verflechtung die mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitzgesellschaft gleichzubehandeln mit der an einer Betriebsgesellschaft. Die bisherige Abschirmwirkung einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligung an der Besitz-Personengesellschaft entfällt künftig. Die rechtliche Selbstständigkeit der Kapitalgesellschaft bleibt dabei unberührt.
Eine Änderung für Fälle einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung, bei der die Besitzgesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, ergibt sich aus der aktuellen Rechtsprechung nicht. Die Rechtsprechungsänderung bezieht sich lediglich auf Fälle, in denen die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist.
Unsere Einschätzung
Die aktuelle Rechtsprechung des IV. Senats des BFH sollte zum Anlass genommen werden, entsprechende Unternehmensstrukturen einer Prüfung zu unterwerfen. Sie ist nicht nur im Hinblick auf die erweiterte Grundstückskürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 S.2 GewStG von besonders großer Relevanz. Auch sollten Gesellschaften mit derartigen Gestaltungen zeitnah überprüfen, ob die geänderte Rechtsprechung auf sie Anwendung findet und welche Konsequenzen sich aus einer möglichen Betriebsaufspaltung für sie ergeben könnten. Der Ausschluss der erweiterten Grundstückskürzung, die Umqualifizierung der Einkünfte, die Gewerbesteuerpflicht und eine sich daraus ergebende gewerbesteuerliche Doppelbelastung sind nur einige Konsequenzen aus dem Vorliegen einer Betriebsaufspaltung.
Im Rahmen der Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung hat der IV. Senat auch andere Senate angehört, die in dieser Thematik bereits entschieden hatten. Dabei wurde offenbar, dass innerhalb der Senate unterschiedliche Auffassungen in Detailfragen bestehen. Dies führt leider weiterhin zu Unsicherheiten für Steuerpflichtige und erschwert die Gestaltungsberatung. Vor diesem Hintergrund wäre eine Klarstellung seitens des Großen Senats des Bundesfinanzhofs wünschenswert.
Sicherlich bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung mit der geänderten Rechtsprechung umgehen wird. Auch die Fragen, ob die Finanzverwaltung im Wege des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung schafft und somit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bietet geeignete Umstrukturierungen vorzunehmen, bleibt vorerst abzuwarten.
Haben Sie noch Fragen rund um das Thema Betriebsaufspaltung, Anwendung der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und sich hieraus ergebende Konsequenzen? Dann sprechen Sie uns gerne jederzeit an!