1. Oktober 2021
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) in der Praxis
Inhaltsverzeichnis
- Welche Auswirkungen hatte Corona auf den Zuzug ausländischer Fachkräfte?
- Welchen Einfluss hat das Kurzarbeitergeld auf den Aufenthaltsstatus?
- Dürfen Unternehmer:innen die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer:innen auch für die Arbeit im Home-Office beantragen?
- Gibt es eine Quote für ausländische Fachkräfte in einem Unternehmen?
- Gelten Firmenanteile bei ausländischen Fachkräften als Teil des Gehalts?
- Welche Aufenthaltstitel können Fachkräfte für eine unselbständige Erwerbstätigkeit in Deutschland beantragen?
- Brauchen Arbeitnehmer aus Drittstaaten einen akademischen Abschluss oder eine Berufsausbildung für eine Aufenthaltsgenehmigung?
- Gibt es Ausnahmen von der Qualifikationsprüfung von Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten?
- Diese Sprachkenntnisse benötigen Arbeitnehmer:innen zur Beantragung eines Aufenthaltstitels in Deutschland
- Welche Vorteile hat die Blaue Karte der EU für Unternehmer:innen, die ausländische Fachkräfte einstellen möchten?
- So lange ist die Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte aus Drittländern gültig
- Ist das Einwanderungsrecht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt?
- So funktioniert das beschleunigte Fachkräfte-Verfahren
- Gilt das beschleunigte Fachkräfteeinwanderungsverfahren auch für unternehmensinterne Transfers? (ICT-Karte)
Seit dem 1. März 2020 gilt das neue Fachkräfteinwanderungsgesetz (FEG). Das Ziel der Bundesregierung mit dem neuen Gesetz: Der Zuzug qualifizierter Fachkräfte nach Deutschland soll einfacher und unbürokratischer werden. Mit dem Gesetz hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sein Aufgabengebiet erweitert. Was Unternehmer:innen wissen sollten und welche Chancen sich zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ergeben, hat Rechtsanwalt Claus Brockhaus von der Rechtsanwaltskanzlei Brockhaus & Kollegen für Sie zusammengestellt.
Welche Auswirkungen hatte Corona auf den Zuzug ausländischer Fachkräfte?
Das Aufenthaltsrechts kann aufgrund von Einreisebeschränkungen nicht ausgesetzt werden. Es gab vorübergehende Regelungen mit denen aufenthaltsrechtliche Angelegenheiten von den Behörden bearbeitet werden konnten. Zum Beispiel hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) Anwendungshinweise und Verfahrensvereinfachungen erlassen. Diese Länderrundschreiben haben die häufigsten Fragen beantwortet und den Ausländerbehörden großzügige Ermessensspielräume eingeräumt.
Welchen Einfluss hat das Kurzarbeitergeld auf den Aufenthaltsstatus?
Der Bezug von Kurzarbeitergeld hat keine Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel. Das hat das BMI im Länderrundschreiben vom 24. März 2020 bestätigt. Grundsätzlich ist eine Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln mit einem Aufenthaltstitels unvereinbar. Es gibt aber eine Ausnahme, die in in §2 Absatz 3 Satz 2 Aufenthaltsgesetz genannt ist. Hier geht es um die erforderliche Lebensunterhaltssicherung. Handelt es sich bei den öffentlichen Geldern um Leistungen, die auf geleisteten Beitragszahlungen beruhen, dann sind die unschädlich für den Aufenthaltstitel. Das ist beim Kurzarbeitergeld der Fall. Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und die beruht auf Beiträgen.
Dürfen Unternehmer:innen die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer:innen auch für die Arbeit im Home-Office beantragen?
Wird eine Beschäftigung im Home-Office angestrebt, ist im Einzelfall zu prüfen, ob im Rahmen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die angestrebte Beschäftigung erlaubt werden kann.
Nach § 4a Abs 5 Satz 1 AufenthG dürfen Drittstaatsbürger:innen nur beschäftigt werden, wenn sie einen Aufenthaltstitel besitzen. Aus diesem Grund stellt diese praktische Konstellation unter den Behörden eine offene Diskussion dar.
Jedenfalls müssen Unternehmer:innen die gemäß §39 Abs. 1 AufenthG erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich einholen. Es sei denn, diese ist gemäß §§2 –15 BeschV nicht erforderlich. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels kann ohne die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erfolgen, sofern dies durch Rechtsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.
Gibt es eine Quote für ausländische Fachkräfte in einem Unternehmen?
Eine gesetzlich festgelegte Quote für ausländische Fachkräfte in einem Unternehmen existiert nicht. Es ist aber möglich, dass unternehmensinterne Regelungen bestehen. Beispielsweise für die Entsendung von Mitarbeiter:innen aus China nach Deutschland.
Gelten Firmenanteile bei ausländischen Fachkräften als Teil des Gehalts?
Firmenanteile zu beziffern ist schwierig. Darum ist Vorsicht geboten. Unternehmer:innen, die das in Betracht ziehen benötigen die schriftliche Bestätigungen eines Steuerberaters oder einer -beraterin über den Reingewinn, die Gewinn-Verlustrechnung und die Bestätigung von Bonusausschüttungen. Unserer Erfahrung nach akzeptieren die Ausländerbehörden dies in der Regel nicht bei Neuanstellungen. Eine Ausnahme ist bei Start-Up-Gründungen denkbar. Dies sollte aber auch mit der Bundesagentur für Arbeit geklärt werden.
Welche Aufenthaltstitel können Fachkräfte für eine unselbständige Erwerbstätigkeit in Deutschland beantragen?
Das hängt von den Qualifikationen der Arbeitnehmer:innen ab. Möglich ist die Bewerbung für eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft mit Berufsausbildung. Fachkräfte mit akademischer Ausbildung bewerben sich um eine “Blaue Karte EU”, eine ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis für Forscher. Für die Blaue Karte innerhalb der EU muss das jährliche Brutto-Mindestgehalt 2021 bei 56.800. Euro liegen. Für Berufe mit hohen Fachkräftemangel ist die Schwelle niedriger. Hier liegt das Brutto-Mindestgehalt bei 44.304 Euro.
Brauchen Arbeitnehmer aus Drittstaaten einen akademischen Abschluss oder eine Berufsausbildung für eine Aufenthaltsgenehmigung?
Ja. Obwohl das Fachkräfteeinwanderungsgesetz den Zugang zum EU-Arbeitsmarkt erweitert, gilt es nur für Fachkräfte mit akademischer oder beruflicher Ausbildung. Die zuständigen Anerkennungsstellen prüfen die Qualifikationen von Bewerber:innen aus Drittstaaten.
Gibt es Ausnahmen von der Qualifikationsprüfung von Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten?
Ja, das Gesetz sieht eine Ausnahme für Arbeitnehmer:innen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie vor. Hier werden aber drei Jahre Berufserfahrung im einschlägigen Bereich vorausgesetzt – und zwar innerhalb der letzten sieben Jahre. Hinzu kommen ein Mindestgehalt sowie deutsche Sprachkenntnisse. Nur unter Umständen kann auf deutsche Sprachkenntnisse verzichtet werden. Aufgrund des Fachkräftemangels erwarten Expert:innen, dass die Ausnahmeregelung auch auf andere Berufsgruppen ausgeweitet wird.
Diese Sprachkenntnisse benötigen Arbeitnehmer:innen zur Beantragung eines Aufenthaltstitels in Deutschland
Wir empfehlen ausreichende Sprachkenntnisse bei Antragstellung. Als ausreichend gilt das Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER). Es gibt allerdings Berufsgruppen, für die höhere Sprachkenntnisse verlangt werden können.
Welche Vorteile hat die Blaue Karte der EU für Unternehmer:innen, die ausländische Fachkräfte einstellen möchten?
Die Blaue Karte EU ist eine besondere Kategorie der Aufenthaltserlaubnis und hat diese Vorteile:
- Es sind keine deutschen Sprachkenntnisse erforderlich.
- Erfüllen Antragsteller:innen alle gesetzlichen Voraussetzungen, besteht sogar ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Blauen Karte EU.
- Ehegatten dürfen sich ohne Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auch ohne Nachweis einer Qualifikation oder deutscher Sprachkenntnisse in Deutschland aufhalten.
- Inhaber:innen der Blauen Karte EU dürfen früher als andere Fachkräfte aus Drittländern eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Und zwar nach 33 Monaten. Auch bereits nach 21 Monaten, wenn er oder sie Sprachkenntnisse auf A1- oder B1- Niveau vorlegen kann.
So lange ist die Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte aus Drittländern gültig
Gemäß § 18a und § 18b AufenthG für Fachkräfte wird die Aufenthaltserlaubnis für vier Jahre erteilt. Ausnahme: Das Arbeitsverhältnis ist auf kürzere Zeit befristet oder die Bundesagentur für Arbeit stimmt nur einem kürzeren Zeitraum zu.
Ist das Einwanderungsrecht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt?
Nein, denn mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfällt die Engpassbetrachtung einzelner Berufsgruppen. Die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte mit Berufsausbildung ist nicht mehr nur auf Mangelberufe beschränkt.
So lange dauert es, bis Arbeitnehmer:innen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten
Es gibt ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren. Damit werden lange Wartezeiten vermieden, da die Behörden strikten Fristen unterliegen. Legen Sie alle erforderlichen Unterlagen vor, kann das Verfahren in vier bis sechs Monaten abgeschlossen werden. Manchmal geht das auch schneller.
So funktioniert das beschleunigte Fachkräfte-Verfahren
- Ein Arbeitsplatzangebot oder ein unterzeichneter Arbeitsvertrag liegen vor.
- Sie als Arbeitgeber:in haben eine Vollmacht des ausländischen Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin und leiten das beschleunigte Verfahren bei der Ausländerbehörde ein.
- Die Ausländerbehörde holt Zustimmungen bei der Anerkennungsstelle und der Bundesagentur für Arbeit ein.
- Sind die Voraussetzungen erfüllt, erteilt die Ausländerbehörde eine Vorabzustimmung.
- Damit ausgestattet muss die Auslandsvertretung dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin innerhalb von drei Wochen einen Termin zur Visumbeantragung erteilen.
- Plus: Die Börde muss innerhalb von drei weiteren Wochen über den Antrag entscheiden.
Achtung: Das beschleunigte Verfahren ist von den pandemiebedingten Einreisebeschränkungen betroffen. Für weitere Informationen besuchen Sie daher bitte unbedingt die Webseite des BMI. Sie können sich auch an die deutschen Auslandsvertretungen wenden.
Gilt das beschleunigte Fachkräfteeinwanderungsverfahren auch für unternehmensinterne Transfers? (ICT-Karte)
Nein. Ausländer:innen, die vorübergehend und im Rahmen des unternehmensinternen Transfers (ICT- Karte) nach Deutschland einreisen möchten, sind keine Zielgruppe des beschleunigten Fachkräfteverfahrens.
Einen Beitrag von Herrn Brockhaus zu den Regelungen für die Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten finden Sie hier.