7. Mai 2021

Doppelbesteuerung von Altersrenten – Bundesfinanzhof vor Entscheidung

Kategorien: Allgemein

Inhaltsverzeichnis

Mit dem Alterseinkünftegesetz wurde im Jahr 2005 die Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen grundlegend neu geregelt. Kern der Reform war eine Umstellung auf eine nachgelagerte Besteuerung der Altersbezüge. Gleichzeitig erfolgte während des Erwerbslebens eine Steuerfreistellung der vorher geleisteten Sparbeiträge zu der allgemeinen sowie bestimmten weiteren Rentenversicherungen. Erfahren Sie hier alles zum Thema Doppelbesteuerung von Altersrenten.

Die Doppelbesteuerung von Altersrenten: Umstellungsphase

Die Übergangsphase für den Sonderausgabenabzug begann im Jahr 2005 und endet im Jahr 2025, wenn eine Abzugsfähigkeit der geleisteten Beiträge von 100 Prozent erreicht ist (§ 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG). Die Übergangsphase für die Besteuerung der Rentenleistungen läuft dagegen noch bis zum Jahr 2040. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2021 läge der Besteuerungsanteil beispielsweise nunmehr bei 81 Prozent. Es gilt: Desto später der Renteneintritt, desto höher der Besteuerungsanteil.

Ursachen der Doppelbesteuerung

Neurentner:innen, die nach dem Jahr 2005 in Rente gegangen sind oder noch gehen werden, laufen nun vielfach in eine Doppelbesteuerung herein. Das heißt, Beiträge zur Altersvorsorge wurden teilweise aus bereits versteuertem Einkommen geleistet – gleichzeitig werden die Auszahlungen zum überwiegenden Teil zur Besteuerung herangezogen. Da in den Auszahlungen nicht nur die Verzinsung enthalten ist, sondern auch die ursprünglich gezahlten Beiträge, führt dies in vielen Fällen zu einer doppelten Besteuerung von Einkommen. Allerdings gilt: Nur die Besteuerung von Auszahlungen aus zuvor freigestellten Beitragszahlungen während des Erwerbslebens ist nach dem Bundesverfassungsgericht zulässig.

Beispiel Doppelbesteuerung von Altersrenten

Doppelbesteuerung von Altersrenten – Bundesfinanzhof vor Entscheidung - Doppelbesteuerung von Altersrenten - Grafik Doppelbesteuerung von Altersrenten

Ein Rentner oder eine Rentnerin beendet das Erwerbsleben mit 65 im Jahre 2040. Er oder sie hat mit 25 Jahren begonnen zu arbeiten und dabei in die Rentenkasse einzuzahlen. Er oder sie hat somit bereits vor dem Jahr 2005 Einzahlungen geleistet. Diese sind zum Zeitpunkt der Einzahlung in die Rentenkasse aus dem bereits versteuerten Einkommen gezahlt worden. Die Auszahlungen werden nach Renteneintritt zu 100 Prozent besteuert. Somit kommt es zumindest für die zwischen 2000 und 2005 geleisteten Beiträge zu einer definitiven Doppelbesteuerung.

Der Sachverhalt

Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) werden am 19. Mai 2021 zwei Sachverhalte (BFH X R 20/19 und BFH X R 33/19) diskutiert, die eben genau diese Doppelbesteuerung zur Ursache haben. In einem Fall hatte ein zusammen zur Einkommensteuer veranlagtes Ehepaar geklagt. Der Kläger war zunächst Pflicht- und später freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Als freiwillig versichertes Mitglied erhielt er keine steuerfreien Arbeitgeberbeiträge. Gleichzeitig wurden die Vorsorge-Vorwegabzüge durch die steuerfreien Arbeitgeberanteile des Ehegatten maßgeblich aufgezehrt. Aus dieser Versicherung bezieht der Kläger seit 2008 eine Altersrente. Diese wurde vom Finanzamt mit einem Besteuerungsanteil von 54 Prozent berücksichtigt. Die Eheleute beklagen nun, dass die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung höher ausfallen, als die steuerfreien Anteile der Rentenzahlungen.

Mündliche Verhandlung vor dem BFH

In den zu entscheidenden Revisionsverfahren wird der BFH sich mit noch nicht durch die Vorinstanzen abschließend geklärten Detailfragen beschäftigen. So beispielsweise mit der Aufteilung der steuerlich abzugsfähigen Höchstbeträge oder der Aufteilung des Sonderausgabenabzugs. Aber auch, ob sich bei privaten Rentenversicherungen ebenfalls das Problem einer doppelten Besteuerung stellen kann.

Die Doppelbesteuerung von Altersrenten: ein Ausblick 

Werden aus bereits versteuertem Einkommen geleistete Rentenzahlungen in der Auszahlungsphase ein zweites Mal besteuert führt dies zu einer klassischen Doppelbesteuerung. Kritik dazu wurde bereits nach Veröffentlichung der Vorschläge für eine Reform der Besteuerung der Alterseinkünfte in 2003 durch die Rürup-Kommission sowie das Bundesfinanzministerium laut. Sollte sich der BFH dazu äußern, dass eine derartige Doppelbesteuerung unzulässig wäre, könnte sich daraus die Notwendigkeit einer gesetzlichen Änderung ergeben. Eine Entscheidung des BFH ist für Ende Mai angekündigt. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden!

Unsere Einschätzung

Eine Zweifachbesteuerung der Zahlungen aus der Alterssicherung verstößt gegen den vom Bundesverfassungsgericht 2002 (BVerfG Urteil v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99 BStBl 2002 II S. 618) aufgestellten Grundsatz, dass bei einer Neuordnung der Besteuerung von Rentenbezügen eine doppelte Besteuerung zu vermeiden ist. Daher erwarten wir, dass der BFH zugunsten der Steuerpflichtigen entscheiden wird. Das Urteil wird für andere Rentenbezieher wegweisend sein. Offen bleibt, ob danach in jedem ähnlich gelegenen Einzelfall die Doppelbesteuerung mit Unterlagen rechnerisch zweifelsfrei belegt werden muss. Ob nach einem langen Erwerbsleben in jedem Fall alle notwendigen Nachweise beschafft werden können ist zumindest zu bezweifeln. Wichtig ist in jedem Fall für aktuelle Rentenbezieher:innen jetzt schon zu prüfen, ob es eventuell zu einer Doppelbesteuerung gekommen sein könnte und Einspruch gegen noch offene Bescheide einzulegen.

Dabei sollte sich auf die anhängigen BFH-Verfahren berufen und ein Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Es besteht allerdings das Risiko, dass die Einsprüche abgelehnt werden, sofern eine ausreichende Begründung und gegebenenfalls konkrete Berechnung nicht vorgelegt werden kann. So hat es beispielsweise die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen verlautbaren lassen.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Johannes Dähnert

CSO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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