
4. Januar 2023
ECOVIS NRW & döhmen consulting: Wachstumsstrategie mit Augenmaß
Inhaltsverzeichnis
Zum 01.10.2022 hat Dr. Hans Peter Döhmen, der Gründer und Namensgeber der döhmen consulting gmbh, die Anteile seiner 2003 gegründeten und auf Krisensituationen spezialisierten Unternehmensberatung an ECOVIS NRW verkauft. In diesem Interview sprechen Johannes Dähnert, Partner der ECOVIS NRW, und Dr. Hans Peter Döhmen über die vereinbarte Übergangsregelung, die neuen Synergien und wie das Team von döhmen consulting die ECOVIS NRW bereichert.
Wenige Monate vor Ihrem zwanzigjährigen Firmenjubiläum haben Sie die Weichen für Ihr Unternehmen neu gestellt. Was hat Sie dazu bewogen?
Dr. Döhmen: Wenige Monate vor dem Firmenjubiläum sind auch wenige Monate nach meinem 65. Geburtstag. Mir lag die Nachfolgeregelung für mein Unternehmen seit geraumer Zeit sehr am Herzen. Deshalb freue ich mich, dass wir aus meiner Sicht mit ECOVIS eine ideale Konstellation gefunden haben.
Wir werden unseren Schwerpunkt gemeinsam neu legen. Die Geschäftsmodelle werden immer wichtiger. Das gilt auch für die ECOVIS-Mandant:innen. Wir werden uns sehr mit ihnen auseinandersetzen und überprüfen, inwieweit sie zukunftsfähig und nachhaltig sind. Wir wollen beginnen, bevor es eine Ertragskrise gibt. Unser Hebel ist die beginnende Strategiekrise. Wer ein Produkt anbietet, das mit Blick auf den Produktlebenszyklus auf dem absteigenden Ast ist, muss sich Gedanken machen.
Welche Synergieeffekte versprechen Sie sich im Rahmen der Zusammenarbeit?
Dähnert: Wir nutzen Synergien, die unseren Mandant:innen zugutekommen werden. Wir arbeiten lange mit unseren Mandant:innen zusammen und erkennen den Bedarf an Umstrukturierung und strategischer Neuausrichtung sehr früh. Früher konnten wir nur betriebswirtschaftlich beraten, jetzt können wir gemeinsam substanzielle Hilfe bei der Bewältigung von Krisen leisten. Als wir hörten, dass Herr Döhmen über eine Nachfolgeregelung nachdenkt, kamen wir rasch ins Gespräch. Sein Unternehmen hat eine ideale Größe als strategische Ergänzung für unser Portfolio.
Wir werden in diesem Beratungsmarkt gemeinsam wachsen können und wir sind sehr froh, dass wir Hans Peter Döhmen an unserer Seite haben. Wir müssen dieses Geschäftsfeld nicht “from the scratch” aufbauen, sondern können auf seine große Expertise im Markt zurückgreifen. Aktuell heben wir die Synergien und werden unter anderem die Daten im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Beratung so aufbereiten, dass sie für die Unternehmensberater sofort digital verfügbar und nutzbar sind.
Welche Unternehmen haben Sie im Blick?
Dähnert: Die Mandatsgrößen sind bei beiden Unternehmen deckungsgleich. Wir beraten bis in den großen Mittelstand hinein und – in Spezialfragen – auch börsennotierte und international aufgestellte Unternehmen. Diese Mandatsklientel haben wir bei döhmen consulting ebenfalls vorgefunden. Daran wird sich nichts ändern.
Ändert sich für Ihre Mandanten jetzt irgendetwas, Herr Dr. Döhmen?
Dr. Döhmen: An den langjährigen, gewachsenen und vertrauensvollen Kundenbeziehungen, insbesondere zu vielen Insolvenzverwalter:innen, wird sich nichts ändern. Das ist mir auch sehr wichtig. Wir werden – wie bei einer klassischen Transformation – unser Kerngeschäft sowie unsere Qualität und Vertraulichkeit beibehalten.
Unternehmens- und Nachfolgeregelungen, also sicher auch Nachfolgeregelungen bei Familienunternehmen, gehören zu Ihrem Aufgabenspektrum. Ein ebenfalls interessanter Wachstumsmarkt für Ihre Kooperation?
Dähnert: Auf jeden Fall! Familienunternehmen sind für uns sehr spannend, weil sie nicht nach kurzfristigem Shareholder-Value entscheiden. Sie zeichnen sich meistens dadurch aus, dass sie sehr lange, äußerst überzeugende Strategien verfolgen. Sie tun das über Jahre oder Jahrzehnte. Auch die Nachfolgefrage wird frühzeitig und über Jahre vorangetrieben. Wir können unsere Mandant:innen hier langfristig und strategisch begleiten und ihnen bei der Suche und dem Aufbau eines Nachfolgers helfen. Interim-Mandate sind ebenfalls spannend. Hier helfen wir bei der Überbrückung, sollte ein:e Nachfolger:in nicht direkt in der Lage sein, das Unternehmen zu führen.
Beobachten Sie aktuell eine wachsende Nachfrage nach Interim-Mandaten für CRO und CFO?
Dr. Döhmen: Meiner Erfahrung nach sind Interim-Mandate konjunkturunabhängig. Bei uns melden sich Unternehmen, die verstanden haben, dass sie einen Restrukturierungsfachmann benötigen, der ihr Unternehmen „von links nach rechts“ drehen kann. Wir können das. Und als ich mein Unternehmen 2003 gegründet habe, wollte ich mein Geld „Hands on“ verdienen. Darum haben wir von Anfang an deutlich gemacht, dass wir keine Angst vor Organstellungen haben. Wir sprechen mit Unternehmern auf Augenhöhe. Wir haben das Wissen, welche Auswirkungen unsere Arbeit in einer Organisation haben kann. Unternehmer:innen merken das sofort. Darin liegt eine unserer großen Stärken.
Dähnert: Diese Mandate entstehen durch ein sich änderndes wirtschaftliches Umfeld. Das muss nicht zwingend krisengetragen sein. Meistens hat es damit zu tun, dass sich der Markt ändert. Die Zyklen, in denen sich ein Markt verändert und ein Produkt überlebt, werden immer kürzer. Die Dynamik wird weiter zunehmen und der Beratungsbedarf wird mitwachsen.
Dr. Döhmen: Ein hochgeschätzter Kollege ist im Rahmen einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Halbwertzeit eines Geschäftsmodells in den 60er-Jahren noch 60 Jahre betragen hat. Anfang der 2000er-Jahre betrug sie nur noch 20 Jahre. Und er rechnet damit, dass dieser Wert in den 2030er-Jahren maximal nur noch zehn Jahre betragen wird. Das bedeutet: Man sollte sein Geschäftsmodell alle zehn Jahre überarbeiten!
Auf vielen Branchentreffen wird beklagt, dass viele Unternehmen durch die andauernde Corona-Pandemie und zusätzliche exogene Schocks versäumt haben, dringend notwendige Digitalisierungs- und Transformationsprozesse anzustoßen. Entweder stehen diese Themen nicht auf der Agenda und/oder es fehlt an Geld und Personal. Inwieweit können Sie als externe Berater hier den Finger in die Wunde legen?
Dr. Döhmen: Wir versuchen, zu verstehen, wo die Probleme im Unternehmen liegen. Handelt es sich um ein Lieferkettenproblem? Gibt es ein Kostenproblem? Oder gibt es ein Digitalisierungsthema? Nach der Analyse versuchen wir – gemeinsam mit dem Unternehmer bzw. dem Management – das Problem zu lösen.
Dähnert: Wenn wir über Digitalisierung sprechen, dann sind wir – insbesondere im Bereich der kaufmännischen Prozesse – sehr daran interessiert, Lösungspartner zu sein. Wir möchten unsere Mandant:innen ermutigen, einen hohen Grad der Digitalisierung zu erreichen. Die von Ihnen angesprochenen exogenen Schocks sind kein Widerspruch, wenn es darum geht, Digitalisierungsprozesse voranzubringen. Wir verstehen Digitalisierung nicht als Selbstzweck; sie muss immer einen Nutzen für die Mandant:innen bringen. Gerade im Bereich der kaufmännischen Prozesse gibt es hervorragende, marktgängige und intuitiv nutzbare Produkte, die den Alltag erleichtern und einen nachhaltigen Mehrwert schaffen.
Apropos Nachhaltigkeit. Die Einhaltung der ESG-Kriterien gewinnt bei Sanierungsprozessen (Stichwort: Finanzierung) deutlich an Bedeutung, oder?
Dähnert: Wir sind davon überzeugt, dass das ESG bedeutungsvoll wird. Wir arbeiten evidenzbasiert, darum sind wir momentan damit konfrontiert, dass es keine hinreichende Normierung der ESG-Faktoren gibt. Die macht im Moment noch jeder selbst. Darum ist nicht überall ESG drin, wo „ESG“ draufsteht. Ich hoffe, dass wir zeitnah eine Checkliste haben werden, mit der wir nachweisen können, dass ESG-Kriterien eingehalten wurden.
Dr. Döhmen: Jeder interpretiert die Begrifflichkeiten für seine Zwecke. Bei Restrukturierungsthemen führt kein Weg an der Nachhaltigkeit des Sanierungskonzepts vorbei!
Das Gespräch führte Detlef Fleischer. Es erschien im EXIS|TENZ Magazin.