18. Juni 2021
Arbeitgeber erhält keine Entschädigung bei Quarantäne von Angestellten
Haben Arbeitgeber:innen Anspruch auf Entschädigung bei Quarantäne von Angestellten? Nein, hat das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden. Erfahren Sie, wieso Arbeitgeber:innen keine Entschädigung bei Quarantäne erhalten.
Im Fall, der den Koblenzer Verwaltungsrichter:innen vorlag, mussten sich zwei Mitarbeiter:innen der Klägerin in häusliche Quarantäne begeben, weil der Verdacht einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bestand.
Keine Entschädigung bei Quarantäne – So regelt das Infektionsschutzgesetz den Verdienstausfall
Grundsätzlich ist in §56 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes geregelt, dass, wer Verdienstausfall durch eine angeordnete Quarantäne erleidet, eine finanzielle Entschädigung erhält. Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes besagt, dass bei Arbeitnehmer:innen die jeweiligen Arbeitgeber:innen für die Dauer des Arbeitsverhältnisses – allerdings für maximal sechs Wochen – für diese Entschädigung aufkommen müssen. Ausgezahlte Beträge werden dem/der Arbeitgeber:in anschließend von der zuständigen Behörde auf Antrag erstattet.
Arbeitgeberin zahlte Gehalt in der Quarantäne fort: Land gewährt nur teilweise Erstattung
Die Arbeitgeberin zahlte das Gehalt wie vorgesehen an ihre beiden Mitarbeiter:innen fort. Nach Ablauf der 14-tägigen Quarantäne beantragte die Arbeitgeberin dann die Erstattung bei der zuständigen Behörde des Landes Rheinland-Pfalz. Das zuständige Land Rheinland-Pfalz bewilligte den Antrag zwar, zahlte allerdings erst ab dem sechsten Tag der Quarantäne Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge der beiden Arbeitnehmer:innen.
Laut Verwaltungsgericht kein Anspruch auf 14-tägige Quarantäne
Die Verwaltungsrichter:innen in Koblenz gaben dem Land Recht. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die beiden Arbeitnehmer:innen ohnehin Anspruch auf Lohnfortzahlung und Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge hätten. Dieser Anspruch scheide nur aus, wenn Arbeitnehmer:innen die Ausübung ihrer eigenen Tätigkeit bewusst verhinderten.
Das Gericht verweist zudem auf § 616 Satz 1 BGB, nachdem Arbeitnehmer:innen ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht verlieren, wenn sie ohne eigenes Verschulden an der Dienstleistung gehindert werden. Der Anspruch an Arbeitgeber:innen besteht, wenn Arbeitnehmer:innen für eine “verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit” ausfallen. Das Gericht befand die 14-tägige Quarantäne als “verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit”.
Zur Beurteilung dessen setzten die Richter:innen die Dauer der Quarantäne ins Verhältnis zur Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Bei einer Beschäftigung von mindestens einem Jahr sei der Ausfall durch die 14-tägige Quarantäne für den/die Arbeitgeber:in kalkulierbar. Somit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Entschädigung.
Unsere Einschätzung
Fraglich ist, wie viele Gerichte der Ansicht der Koblenzer Richter:innen folgen werden. Denn lediglich Ansteckungsverdächtige – also solche ohne Symptome und ohne Diagnose – haben keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Dazu gehören Kontaktpersonen von Infizierten und Rückkehrer:innen aus Risikogebieten. Für die Arbeitnehmer:innen, die keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG haben, kommt ein Anspruch nach § 616 S. 1 BGB in Betracht.
Das VG Koblenz hat im konkreten Fall den Vorrang des § 616 S. 1 BGB angenommen. „Verhältnismäßig“ im Sinne des § 616 S. 1 BGB ist jedenfalls nach der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auf das Verhältnis der Verhinderungsdauer zur Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen.
Allerdings befürworten neuere Rechtsprechungen und Literatur überwiegend eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Das wiederum erhöht den Beurteilungsspielraum für die Gerichte.
Zu beachten ist auch, dass Sicherheit und Effizienz einer klaren Frist nach wie vor nicht gegeben sind. Das spiegelt sich auch im vorliegenden Urteil wider.
Unsere Einschätzung ist daher, dass es in einem streitigen Verfahren immer auf Einzelfallprüfungen hinauslaufen wird.
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