Welchen zusätzlichen Aufwand die neue EU-Mindestlohn-Richtlinie mit sich bringen wird, erfahren Sie hier.
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12. September 2023

EU-Mindestlohn: Die Richtlinie aus Sicht von Arbeitgeber:innen

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Bereits der national eingeführte Mindestlohn war und ist für die Unternehmerschaft ein Reizthema. Auch in der öffentlichen Debatte ist der Mindestlohn Gegenstand angeregter Diskussionen. Welchen zusätzlichen Aufwand die neue EU-Mindestlohn-Richtlinie mit sich bringen wird, erfahren Sie hier.

Mindestlohn in der EU: Die neue Richtlinie im Überblick

Schon seit geraumer Zeit müssen Unternehmen und Arbeitgeber:innen die in Deutschland gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohnvorgaben einhalten. Die Reaktionen aus der Arbeitgeberschaft waren verhalten, als die Europäische Union ein Regelwerk ankündigte. Die EU-Mindestlohnrichtlinie wurde im Oktober 2022 verarbeitet und sie soll bis November 2024 in nationales Recht umgesetzt sein. Der deutschen Unternehmerschaft kommt zugute, dass die bestehenden deutschen Regelungen in großen Teilen bereits die Vorgaben der Richtlinie abdecken. Dennoch stehen weitere Änderungen ins Haus.

Deutscher vs. europäischer Mindestlohn: Ein Vergleich

Der deutsche Mindestlohn ist vor allem bekannt für seine Festlegung der Höhe des zu zahlenden Entgelts: Glatte 12,00 Euro waren es bisher. Zum 01.01.2024 soll er auf 12,41 Euro, zum 01.01.2025 dann auf immerhin 12,81 Euro steigen.

Die europäische Mindestlohnrichtlinie soll auf die EU-Mitgliedstaaten, in denen es bereits einen Mindestlohn gibt, einwirken. Der EU sind Regelungen zum Mindestlohn in den Mitgliedstaaten nicht erlaubt. Diese Kompetenz liegt weiterhin bei den Mitgliedstaaten.

Durch die Hintertür erhalten nun Kriterien für die Bemessung des Mindestlohns Einzug. 

Diese sind:

  • Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung von Lebenshaltungskosten,
  • allgemeines Niveau der Löhne und ihre Verteilung,
  • die Wachstumsrate der Löhne und zuletzt noch
  • langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen.

Dies geht deutlich über das hinaus, was die deutsche Mindestlohnkommission bisher bei der Festsetzung des Mindestlohnniveaus beachtet hat.

Verstärkung der Tarifregulierung durch den EU-Mindestlohn

Der europäische Mindestlohn setzt aber noch an einem anderen Punkt an:

In Mitgliedstaaten, in denen weniger als 80 Prozent der Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge reguliert sind, soll ein Rahmen festgelegt werden, der die Voraussetzungen für Tarifverhandlungen schafft. Die Ausgestaltung bleibt zu Teilen den Mitgliedstaaten überlassen. Das wird sich stark auf die nationale Gesetzgebung auswirken. 

In Deutschland liegt die Tarifbindung über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen aktuell etwa bei 43 Prozent. Von der EU-Vorgabe ist Deutschland also weit entfernt. Der Gesetzgeber könnte also im Laufe des kommenden Jahres in hektische Betriebsamkeit verfallen.

Womit können Unternehmen beim EU-Mindestlohn rechnen?

In Betracht kommt nun zweierlei.

Einerseits eine stärkere Regulierung, die allerdings der im deutschen Recht verbürgten Koalitionsfreiheit zuwiderlaufen würde. 

Andererseits eine Stärkung des tarifdispositiven Rechts.

So könnte man die Zielvorgabe erreichen, indem der Gesetzgeber auf Arbeitgeberverbände einwirkt. 

Eine Tarifbindung ist bislang nicht zwingend der Fall. Die Abschaffung von Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung könnte also einen Ansatzpunkt bieten.

Weitere Möglichkeiten sind

  • die Verschlankung des Weges zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen oder 
  • die Verlängerung von deren Nachwirkung.

Schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist von einer solchen Verlängerung der Nachwirkung von Tarifverträgen die Rede.

EU-Mindestlohn: Sanktionen durch die Hintertür

Der EU-Gesetzgeber gibt den Mitgliedstaaten mit der öffentlichen Auftragsvergabe ein Druckmittel an die Hand. Denn es steht im Raum, dass hierbei nur noch Unternehmen berücksichtigt werden, die geltende Tarifverträge einhalten. In vielen Teilen des deutschen Vergaberechts ist das bereits jetzt der Standard.

Unsere Einschätzung

Diese Frage wird der nationale Gesetzgeber in den nächsten Monaten im Detail entscheiden. Die neue Regelung stößt nicht nur auf Gegenliebe. Vereinzelte EU-Mitgliedstaaten haben bereits Nichtigkeitsklage erhoben. Unter dem Deckmantel einer Harmonisierung gibt die EU den Mitgliedstaaten klare Regeln für die Ausgestaltung des Mindestlohns.

Deutsche Unternehmen haben in großen Teilen Glück: Da in Deutschland bereits ein relativ hoher Mindestlohn gilt, erwarten wir hier keine starken Steigerungen.

Aufgrund der Bezeichnung als „Mindestlohn“-Richtlinie fällt aber häufig unter den Tisch: Nationale Unternehmen müssen mit Verschärfungen vor allem der Tarifbindung rechnen – es lohnt daher, den aktuellen Stand der Richtlinienumsetzung im Blick zu behalten. Sprechen Sie uns gerne bei Fragen an.

 

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