25. August 2021
Flutkatastrophe 2021: Wer ist schadenersatzpflichtig?
Inhaltsverzeichnis
Nur ca. 45 Prozent der deutschen Hausbesitzer haben eine Elementarschadenversicherung, die auch bei Hochwasserschäden greift. Indes wären bis zu 99 Prozent der Gebäude versicherbar gewesen. Daher treibt aktuell viele Versicherungsvermittler die Sorge um, dass sie von Kunden in Haftung genommen werden könnten, weil sie nach den massiven Überschwemmungen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, ihren Hausstand verloren haben und nun ohne Versicherungsschutz dastehen. Hat ein Versicherungsnehmer, der Opfer des Hochwassers geworden ist, keine Elementarschadenversicherung, kann er möglicherweise seinen Vermittler in Haftung nehmen. Erhalten Betroffene der Flutkatastrophe 2021 Schadenersatz durch Versicherungsvermittler?
Haftung bei Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers
Eine wesentliche Pflicht des selbstständigen Versicherungsvermittlers (Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter) ist gemäß § 61 VVG eine ordnungsgemäße Beratung – nebst Dokumentation – des Kunden vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung kann nach § 63 VVG zu einer persönlichen Schadenersatzpflicht des Vermittlers oder der Absatzorganisation führen, für die der (gebundene) Vermittler ausschließlich tätig ist.
Zu den Pflichten eines Vermittlers zählt es demnach, Deckungsrisiken zu finden, dazu zu beraten und dies lückenlos zu dokumentieren.
Ist eine Elementarschadenversicherung sinnvoll? Beratung dazu ist unerlässlich
Der Wunsch des Kunden nach Sparsamkeit ist kein Grund, dass eine Beratung zum Elementarschutz unterbleibt. Vielmehr besteht in einem solchen Fall die Pflicht des Vermittlers, nach Alternativen – zu beispielsweise auch ausländischen Versicherern – zu suchen. Unterbleibt eine Beratung zu derartigen Alternativen, muss der Vermittler ausdrücklich auf die erfolgte eingeschränkte Beratungsgrundlage hinweisen, um eine Haftung auszuschließen.
Zudem schließt die fehlende Versicherbarkeit eines Objekts eine Haftung nicht von vornherein aus. Der Schaden des Kunden liegt in einem solchen Fall darin, dass dieser nicht weiter in die Immobilie investiert hätte oder diese sogar verkauft hätte. Auch hat der Vermittler zu beachten, dass der durchschnittliche Versicherungskunde zunächst eine qualifizierte Entscheidungsgrundlage benötigt, um einen Verzicht auf eine (weitere) Beratung wirksam aussprechen zu können.
Darüber hinaus muss der Vermittler das Objekt im Auge behalten und bei einer später hinzukommenden Versicherbarkeit diesbezüglich beraten. Für eine hinreichende Beratung ist zudem stets die Begehung des Objekts nötig. Schließlich zählt zu den Pflichten des Vermittlers auch, dem Kunden die Folgen des Fehlens einer Elementarversicherung allumfassend vor Augen zu führen.
Hilfsgelder bei Hochwasser: Pflichten umfassen auch Rechtsberatung
Auch das vorgesehene Einspringen des Staates und Zahlungen aus Hilfsfonds für die Opfer des Hochwassers 2021 sind bei fehlender Elementardeckung keine Garantie, denn Leistungen im Rahmen der Katastrophenhilfe erfolgen regelmäßig nur dann, wenn sonst niemand haftet. Wäre die Immobilie versicherbar gewesen, leistet der Staat nur die Hälfte der üblichen Entschädigung.
Hier besteht die Pflicht des Versicherungsvermittlers, rechtsberatend tätig zu werden, denn staatliche Hilfsgelder, die aufgrund fehlender Versicherung gekürzt wurden, stellen einen Schaden für den Kunden dar, der unter Umständen gegenüber dem Vermittler geltend gemacht werden kann.
Beratungsdokumentation ist bei Versicherungen Pflicht
Nach erfolgter lückenloser Beratung hat der Vermittler dem Kunden eine Beratungsdokumentation auszuhändigen. Sinn und Zweck dieser Pflicht ist es, dem Kunden zu ermöglichen, alle Gründe und Empfehlungen vor seiner Entscheidung vollumfänglich zu prüfen. Die Dokumentation ist der beste Beweis für eine Beratungslücke, wenn sie formularmäßig und nichtssagend ist. Eine fehlende (oder nicht rechtzeitige) Dokumentation kann zu einer Beweislastumkehr führen. D.h. der Kunde muss lediglich konkret behaupten, dass eine Falschberatung vorgelegen hat, wohingegen der Vermittler die Beweislast dafür trägt, dass eine korrekte Beratung stattgefunden hat.
Abwehrmaßnahmen für Vermittler
Die einschlägige Haftpflichtversicherung sichert den Versicherungsmakler vor Inanspruchnahmen Dritter. Sollte ein Kunde Sie wegen einer Falschberatung in Anspruch nehmen, sollten Sie zügig eine Anzeige gegenüber Ihrer Haftpflichtversicherung vornehmen, um weiterführende Fristen zu wahren. Für im gebundenen Rahmen tätige Agenten haften regelmäßig die Versicherer, für die die Beratung bzw. „Nichtberatung“ erfolgte.
In beiden Fällen ist das Bestehen eines „Haftungsdaches“ kein Freibrief für oberflächliche Beratungsleistungen, denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Haftpflichtversicherer oder das einspringende Unternehmen prüft, ob nicht das grobe Außerachtlassen bestehender Pflichten einen Regress gegenüber dem Vermittler zulässt.
Unsere Einschätzung
Fehlt es an einer Elementarversicherung, stellt man sich unweigerlich die Frage, ob der Vermittler seiner Beratungspflicht hinreichend nachgekommen ist. Das Fehlen einer solchen Versicherung kann für eine falsche Beratung sprechen und eine Haftung bedingen. Oberste Priorität für Versicherungsvermittler ist es daher, den Dokumentationspflichten akribisch nachzukommen, um das Risiko einer Haftung möglichst gering zu halten. Steht der Vorwurf einer Falschberatung bereits im Raum, ist frühzeitig und anhand der seinerzeit geschaffenen Unterlagen zu rekonstruieren, welche Interessen und Tatsachen seinerzeit maßgeblich waren und wonach eine Versicherung der Elementarschäden unterblieb.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zum Thema Schadenersatz bei fehlender Elementarschadenversicherung haben.