26. Juli 2021
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden in NRW und Rheinland-Pfalz
Inhaltsverzeichnis
- Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Stundungsmöglichkeit und Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden
- Stundungs- und Erlassanträge an die Gemeinde
- Vorauszahlungen auf Antrag herabsetzen
- Vereinfachter Spendennachweis
- Spendenaktion von anderen gemeinnützigen Vereinen
- Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Untergang von steuerlich relevanten Unterlagen
- Sonderabschreibungen bei Wiederherstellung von betrieblichen Gebäuden oder bei der Ersatzbeschaffung betrieblicher Güter
- Steuermindernde Rücklagen ausnahmsweise zulässig
- Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Begrenzung der Gewinnminderungen auf insgesamt 600.000 Euro
- Sofortiger Abzug von Wiederherstellungskosten beschädigter Betriebsgebäude oder Anlagegüter
- Beseitigung von Hochwasserschäden am Grund und Boden
- Verteilung von Erhaltungsaufwand größeren Umfangs
- Sonderregelungen für die Land- und Forstwirtschaft
- Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Sonderregelungen für Vermieter:innen
- Erleichterte Unterstützung durch Arbeitgeber:innen
- Arbeitslohnspende durch Mitarbeiter:innen
- Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Wiederbeschaffung von existenziell notwendigen Gegenständen als außergewöhnliche Belastung
- Unsere Einschätzung
In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat es massive Zerstörungen durch Unwetter und Hochwasser gegeben. Auch wenn einige der entstandenen Kosten durch Versicherungen wie Hausratversicherungen oder Elementarschadenversicherungen übernommen werden, stehen viele Menschen buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. Darauf haben nun unter anderem die Finanzministerien der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz am 16. Juli 2021 reagiert. Um den Betroffenen möglichst rasch zu helfen, haben sie zwei inhaltsgleiche Ländererlasse bekanntgegeben. Durch diese Erlasse bekommen die Länder verschiedene Möglichkeiten, Betroffene zu unterstützen. Hier erfahren Sie, welche steuerlichen Hilfsmaßnahmen es bei Hochwasserschäden in NRW und Rheinland-Pfalz gibt und wie Sie davon profitieren können.
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Stundungsmöglichkeit und Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden
Steuerzahler:innen, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich durch die Unwetter betroffen sind, können bis zum 31. Oktober 2021 eine Stundung der bis zu diesem Zeitpunkt fälligen oder noch fällig werdenden Steuern beantragen. Fällige Steuerbeträge stunden die Finanzämter bei positivem Bescheid bis zum 31. Januar 2022. Sie tun das grundsätzlich zinslos. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für diese Stundungen sollen keine strengen Anforderungen gelten. Anträge auf Stundung für nach dem 31. Oktober fällige Steuern müssen Betroffene besonders begründen.
Vollstreckungsmaßnahmen wie zum Beispiel Kontopfändungen sollen bei unmittelbar betroffenen Personen ebenfalls bis zum 31. Januar 2022 ausgesetzt werden.
Stundungs- und Erlassanträge an die Gemeinde
Stundungs- und Erlassanträge zur Gewerbesteuer können Betroffene an die jeweilige Gemeinde richten.
Ein Erlass der Grundsteuer ist unter Umständen wegen wesentlicher Ertragsminderung möglich. Entsprechende Erlassanträge können Betroffene bis zum 31. März des Folgejahres ebenfalls an die jeweilige Gemeinde richten.
Vorauszahlungen auf Antrag herabsetzen
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Herabsetzung der quartalsweisen Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer beim Finanzamt zu beantragen. Damit können vom Hochwasser Betroffene ihre Steuerzahlungen zeitlich nach hinten verschieben.
Vereinfachter Spendennachweis
Bei Spenden zugunsten der Hilfe in Katastrophengebieten, die bis zum 31. Oktober 2021 geleistet werden, reicht unter gewissen Voraussetzungen der Zahlungsnachweis anstelle einer ordentlichen Zuwendungsbestätigung zur steuerlichen Geltendmachung der Spende aus. Dies gilt jedoch nur bei direkten Zuwendungen an Städte beziehungsweise Gemeinden. Außerdem für Spenden an öffentliche Dienststellen oder amtlich anerkannte Verbände der freien Wohlfahrtspflege einschließlich deren Mitgliedsorganisationen.
Spendenaktion von anderen gemeinnützigen Vereinen
Gemeinnützige Körperschaften, die nach ihrer Satzung keine mildtätigen oder andere in Betracht kommenden Zwecke verfolgen (beispielsweise Sportvereine), können ungeachtet dessen Spenden zur Hilfe für die Opfer des Hochwassers durch Sonderaktionen sammeln. Sie können diese Mittel ohne entsprechende Änderung ihrer Satzung für die Hilfe in Katastrophengebieten verwenden. Hierzu müssen die Spenden entweder an eine steuerbegünstigte, mildtätige Körperschaft oder direkt an die betroffenen Städte bzw. Gemeinden weitergeleitet werden. Die gemeinnützige Einrichtung hat in der von ihr auszustellenden Spendenbescheinigung auf diese Sonderaktion hinzuweisen.
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Untergang von steuerlich relevanten Unterlagen
Oft kommen bei Unwetterkatastrophen steuerlich relevante Unterlagen, wie beispielsweise die Belege zur Buchführung, durch das Chaos abhanden oder werden durch Wasser und Schlamm vernichtet. Für die Betroffenen dürfen daraus allerdings keine negativen steuerlichen Folgen erwachsen. Sind Sie davon betroffen, sollten Sie den Verlust oder den Untergang Ihrer Unterlagen auf jeden Fall zeitnah dokumentieren und so gut wie möglich nachweisen und glaubhaft machen.
Sonderabschreibungen bei Wiederherstellung von betrieblichen Gebäuden oder bei der Ersatzbeschaffung betrieblicher Güter
Nicht nur Unterlagen, auch betriebliche Gebäude wurden durch das Hochwasser ganz oder zum Teil zerstört. Nun müssen diese wiederhergestellt werden. Dabei gilt: Die Kosten können im Jahr der (Wieder-)Herstellung und den beiden Folgejahren mit bis zu 30 Prozent direkt gewinnmindernd als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
Bei der Ersatzbeschaffung von beweglichen Anlagegütern wie zum Beispiel Maschinen oder PKW gibt es ähnliche Regelungen. Dabei können Sie insgesamt bis zu 50 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr der Beschaffung und in den beiden folgenden Jahren als Sonderabschreibung geltend machen.
Damit Sie von den Sonderabschreibungen profitieren können, müssen Sie allerdings einen Antrag beim Finanzamt stellen. Eine weitere Voraussetzung ist außerdem, dass Sie mit der Ersatzherstellung beziehungsweise Ersatzbeschaffung vor Ablauf des Jahres 2024 begonnen haben.
Steuermindernde Rücklagen ausnahmsweise zulässig
In Ausnahmefällen können Sie zusätzlich die Zulassung der Bildung einer steuermindernden Rücklage für diese Ersatzherstellungen oder -beschaffungen beantragen. Solche Ausnahmefälle können bei außergewöhnlich hohen Kosten oder Anzahlungen vorliegen. Das gilt auch dann, wenn die Zulassung von Sonderabschreibungen nicht ausreicht, um eine Finanzierung der Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden zu sichern.
Diese Rücklage führt im Jahr der Bildung zu einer Gewinnminderung. Sie müssen die Rücklagen später dann wieder buchhalterisch gewinnerhöhend auflösen, wenn und soweit Sie eine Ersatzmaßnahme vorgenommen haben und hierfür die Sonderabschreibung vorgenommen wurde.
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Begrenzung der Gewinnminderungen auf insgesamt 600.000 Euro
Die Gewinnminderungen durch Sonderabschreibungen und die Bildung von Rücklagen dürfen grundsätzlich insgesamt höchstens 600.000 Euro betragen. Zusätzlich dürfen Sie in keinem Jahr den Betrag von 200.000 Euro übersteigen. Höhere Gewinnminderungen können nur ausnahmsweise im Einzelfall mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen zugelassen werden. Und das auch nur dann, wenn sie bei erheblichen Schäden zur Milderung der eingetretenen Notlage erforderlich sind.
Sofortiger Abzug von Wiederherstellungskosten beschädigter Betriebsgebäude oder Anlagegüter
Bei beschädigten (nicht zerstörten) Gebäuden oder Gegenständen eines Betriebes können Sie die Kosten für die Instandsetzung ohne nähere Prüfung als direkt abzugsfähige Aufwendungen geltend machen. Dies gilt bei Gebäuden nur bis zu einer Höhe der Aufwendungen von 70.000 Euro. Hierbei ist von den gesamten Aufwendungen auszugehen, auch wenn diese teilweise durch Entschädigung gedeckt sind. Höhere Aufwendungen können bei Gebäuden erst nach Prüfung des Einzelfalls als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen anerkannt werden. Das gilt dann, wenn keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten im steuerlichen Sinne vorliegen, die nur über die Gebäudeabschreibung berücksichtigt werden können.
Beseitigung von Hochwasserschäden am Grund und Boden
Die Aufwendungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden am Grund und Boden können sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das Gleiche gilt für Aufwendungen zur Wiederherstellung von Hofbefestigungen und Wirtschaftswegen.
Verteilung von Erhaltungsaufwand größeren Umfangs
Erhaltungsaufwand größeren Umfangs können Sie auf Antrag gleichmäßig auf zwei bis fünf Jahre verteilen. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn eine vollständige Berücksichtigung in ersten Jahr zu einem negativen Einkommen führen würde.
Sonderregelungen für die Land- und Forstwirtschaft
Darüber hinaus sieht der Erlass einige Sonderregelungen für Landwirt:innen vor. Diesen kann unter gewissen Voraussetzungen die Einkommensteuer auf den Gewinn der landwirtschaftlichen Nutzung ganz oder zum Teil erlassen werden. Das gilt dann, wenn durch die Unwetterkatastrophe Ertragsausfälle eingetreten sind und hierfür keine Ansprüche aus Versicherungsleistungen bestehen. Auch gelten hier im Einzelnen verschiedene Erleichterungen beim Betriebsausgabenabzug und der Bildung von Rücklagen.
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Sonderregelungen für Vermieter:innen
Bei Wiederherstellung von ganz oder teilweise zerstörten Mietobjekten können Vermieter:innen Sonderabschreibungen in Höhe von 30 Prozent für die Herstellungskosten geltend machen. Auch hier müssen Sie jedoch die betragsmäßige Begrenzung auf 600.000 Euro insgesamt beziehungsweise 200.000 Euro je Kalenderjahr berücksichtigen. Ebenfalls sind hier die oben beschriebenen zeitlichen Fristen zu beachten. Das heißt konkret, dass mit der Ersatzherstellung bis zum Ablauf des Jahres 2024 begonnen werden muss.
Für die Instandsetzung beschädigter Gebäude oder von Grund und Boden können auch hier Kosten bis zu einer Höhe von 70.000 Euro ohne weitere Prüfung der steuerlichen Qualifikation als direkt abzugsfähiger Aufwand geltend gemacht werden.
Erleichterte Unterstützung durch Arbeitgeber:innen
Unterstützen Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen in Notsituationen, können diese Zahlungen steuerfrei sein. Darauf gehen wir in diesem Beitrag ein.
Arbeitslohnspende durch Mitarbeiter:innen
Verzichten Arbeitnehmer:innen teilweise auf die Auszahlung des Arbeitslohns oder eines angesammelten Guthabens
- zugunsten einer Beihilfe von Arbeitgeber:innen an vom Hochwasser betroffene andere Arbeitnehmer:innen des Unternehmens oder
- zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung i. S. d. § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG,
stellen diese Lohnteile keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Weitere Details dazu finden Sie in einem gesonderten Beitrag, den wir am 27. Juli 2021 veröffentlicht haben.
Steuerliche Hilfsmaßnahmen bei Hochwasserschäden – Wiederbeschaffung von existenziell notwendigen Gegenständen als außergewöhnliche Belastung
Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung und für die Beseitigung von Schäden am selbstgenutzten Wohneigentum können die Finanzbehörden als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigen. Dagegen gilt ein PKW nicht als existentiell notwendiger Gegenstand. Die Aufwendungen müssen ihrer Höhe nach notwendig und angemessen sein und können nur berücksichtigt werden, soweit sie den Wert des zu ersetzenden Gegenstands nicht übersteigen.
Die Einkommensteuer wird jedoch nur gemindert, soweit sie die sogenannte zumutbare Belastung übersteigt. Diese zumutbare Belastung beträgt je nach Familienstand und Anzahl der Kinder zwischen ein und sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.
Unsere Einschätzung
Die Hochwasserkatastrophe hat in verschiedenen Teilen Deutschlands Schäden ungeahnten Ausmaßes und unvorstellbare Notsituationen verursacht. Die schnelle Reaktion der betroffenen Länder begrüßen wir daher sehr. Auch begrüßen wir, dass der Bund in seiner Kabinettssitzung am 21. Juli 2021 Soforthilfen beschlossen hat und sich mit bis zu 200 Millionen Euro an den Soforthilfen der Länder beteiligt.
Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Unterstützung in einer schwierigen Zeit? Dann kommen Sie gerne auf uns zu! Wir stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung.