22. Februar 2022
Geschäftsführer und die persönliche Haftung vor und in der Insolvenz
Inhaltsverzeichnis
- Hintergründe zur Geschäftsführerhaftung
- Das bedeutet Insolvenz
- Wann liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor?
- Wann liegt eine Überschuldung vor?
- Insolvenzantragspflicht und Insolvenzverschleppung
- Persönliche Haftung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht
- Zahlungen innerhalb der Insolvenzantragspflicht
- Zahlungen nach Insolvenzantragstellung
- Zahlungen außerhalb der Insolvenzantragstellung
- Haftungsumfang
- Entlastung der Geschäftsführung mit der Kodifizierung des § 15b Insolvenzordnung
- Geschäftsführerhaftung nach Ausscheiden
- Unsere Einschätzung
In einer wirtschaftlichen Krise oder bei Insolvenz steigt das Risiko einer persönlichen Haftung von einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin besonders stark. Dabei stellt sich zum einen die Frage: Ab wann haftet die Geschäftsführung? Zum anderen die danach, was ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin in der Insolvenz beachten müssen. Was Sie rund um die persönliche Haftung vor und in der Insolvenz wissen müssen, erfahren Sie hier.
Der Geschäftsführung ist meistens nicht bewusst, wie schnell aus einem beruflichen Risiko ein persönliches Risiko – und dann auch eine persönliche Haftung – werden kann. Insbesondere in der pandemiebedingten Insolvenzwelle ist die Haftung der Geschäftsleitung ein gegenwärtig viel diskutiertes Thema geworden.
Hintergründe zur Geschäftsführerhaftung
Eine Geschäftsleitung kann mit dem Privatvermögen in Regress genommen werden, sobald sie sich pflichtwidrig verhält. Zu den besonderen Pflichten der Geschäftsführung gehört die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes oder einer Geschäftsfrau. Darunter fällt insbesondere die rechtzeitige Zahlung der fälligen Steuern an das zuständige Finanzamt. Dazu gehören beispielsweise Lohnsteuer und Umsatzsteuer. Von elementarer Bedeutung ist die rechtzeitige Abführung der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer:innen. Wird dies versäumt, müssen Geschäftsführer:innen mit zivil- und strafrechtlichen Folgen rechnen. Strafbar machen Sie sich auch dann, wenn Sie Ihre Pflichten zur Bilanzierung nicht ordnungsgemäß nachkommen.
Ist Ihre Gesellschaft insolvenzreif, sind Sie als Geschäftsleitung dazu verpflichtet, den Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen. Bei fehlender oder verspäteter Stellung des Insolvenzantrags droht Ihnen eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren wegen Insolvenzverschleppung.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann die Geschäftsführung dazu verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Das bedeutet Insolvenz
Insolvenz ist gekennzeichnet durch akute Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung. Die Gläubiger:innen von Schuldner:innen können mangels liquider Mittel nicht befriedigt werden. Um die Gläubiger:innen trotz der Zahlungs-Illiquidität der Schuldner:innen gleichmäßig und gemeinschaftlich zu befriedigen, wird ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dies kann durch ein Fremdantrag oder Eigenantrag erfolgen. Beim Eigenantrag genügt lediglich die Glaubhaftmachung der Insolvenz ohne das es bewiesen werden muss. Sobald der Antrag durch einen fremden Dritten erfolgt, muss der Insolvenzgrund dargelegt werden.
Wann liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor?
Die Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn Schuldner:innen nicht mehr in der Lage sind, Zahlungspflichten zu erfüllen. Der Bundesgerichtshof hat nach ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass die Zahlungsunfähigkeit gegeben ist, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin innerhalb von drei Wochen nicht in der Lage ist, mehr als 90 Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen. Unschädlich für Schuldner:innen ist lediglich eine geringfügige Deckungslücke bis etwa zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten, sofern man mit der Begleichung kurzfristig rechnen kann.
Wann liegt eine Überschuldung vor?
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen einer Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Laut der geltenden Gesetzesfassung liegt die Überschuldung dann nicht mehr vor, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten wahrscheinlich ist.
Insolvenzantragspflicht und Insolvenzverschleppung
Bei Eintritt der materiellen Insolvenzreife muss die Geschäftsführung nach geltendem Recht den Insolvenzantrag unverzüglich stellen. Der Antrag ist jedoch spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Tut der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin dies in der Zeitraumbetrachtung nicht, so befindet sich die Gesellschaft in der Insolvenzverschleppung.
Persönliche Haftung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht
Der Gesetzgeber hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in § 2 COVInsAG durch einen Haftungsausschluss flankiert.
Grundsätzlich dürfen antragspflichtige Mitglieder, spricht alle Mitglieder des Vertretungsorgans, in der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Zahlungen leisten. Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten als mit der Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer:innen vereinbart und dürfen somit geleistet werden. Dazu gehören beispielsweise Mietaufwendung. Stellt sich im Nachgang heraus, dass die Zahlungen nicht der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und/oder zur Umsetzung des Sanierungskonzepts dienten, greift die persönliche und unbeschränkte Haftung der Geschäftsführung.
Zahlungen innerhalb der Insolvenzantragspflicht
Mit der Einführung des § 15b InsO werden Zahlungen privilegiert und damit nicht der Haftung der Geschäftsführung unterworfen. Das gilt, solange diese im Zeitraum zwischen den Insolvenzreife und Antragstellung erfolgen und wenn sie der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen.
Zahlungen nach Insolvenzantragstellung
Für Zahlungen, die nach Insolvenzantragstellung bis zur Insolvenzeröffnung vorgenommen werden ist ebenfalls eine Privilegierung vorgesehen. Hiernach dürfen Zahlungen vorgenommen werden, die der bzw. die Insolvenzverwalter:in genehmigt hat.
Zahlungen außerhalb der Insolvenzantragstellung
Geht die Geschäftsleitung ihren Pflichten nicht nach und stellt den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig im Sinne des § 15a InsO, so macht die Geschäftsleitung sich für geleistete Zahlungen persönlich und unbeschränkt haftbar. Diese Regelung greift grundsätzlich, wenn sich die Gesellschaft in der Insolvenzverschleppung befindet.
Haftungsumfang
Im Falle einer Haftung für untersagte Zahlungen wird die Geschäftsführung in Regress genommen. Die Geschäftsführung muss lediglich die untersagten Zahlungen an die Gesellschaft erstatten.
Entlastung der Geschäftsführung mit der Kodifizierung des § 15b Insolvenzordnung
Durch Einführung des § 15b Abs. 8 InsO wurde die Pflichtenkollision zwischen dem steuerlichen Abführungsgebot und der Pflicht zur Massensicherung aufgelöst. Aus der Rechtsnormregelegung geht hervor, dass Zahlungen an den Fiskus hinter der Massensicherungspflicht stehen, solange die Antragspflicht eingehalten wurde. Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, so müssen die fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis beglichen werden. Hier sieht der Gesetzgeber keine Privilegierung der Zahlung vor.
Wird jedoch die Insolvenzantragspflicht eingehalten, ist die Geschäftsführung von der Abführung der Steuerschuld entlastet und muss die Steuerschuld somit nicht begleichen. Die Zielvorstellung ist, dass der Fiskus beim rechtmäßigen Verhalten der Geschäftsführung wie alle anderen Gläubiger:innen gleichmäßig von der Insolvenzmasse befriedigt wird. Diskussionsbedürftig ist, ob die Regelung der Steuerzahlung analog auf die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB angewendet werden darf. Dies wird sich durch die zukünftigen Rechtsprechungen ergeben.
Geschäftsführerhaftung nach Ausscheiden
Der Geschäftsführung ist meistens unbewusst, dass die Haftung nicht zwangsläufig mit dem Ablauf des Vertrages oder dem Ausscheiden aus der Gesellschaft endet. Die sogenannte Nachhaftung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin richtet sich nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage. Im GmbH-Gesetz ist eine weitreichende Nachhaftung vorgesehene. Sie kann unter Umständen noch bis zu zehn Jahre nach dem Ausscheiden die Geltendmachung diverser Schadenersatzansprüche gegen die ehemalige Geschäftsführung ermöglichen. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Durch einen geordneten Ausstieg lässt sich das Haftungsrisiko erheblich minimieren.
Unsere Einschätzung
Um Ihre persönliche Haftung als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin in der Insolvenz zu minimieren ist für Sie Folgendes wichtig: Die Zahlung der Sozialabgaben für Arbeitnehmer:innen hat Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten. Auch vor der Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer:innen selbst. Hierzu besteht bislang jedoch keine einheitliche Rechtsprechung.
In der Praxis ist ein Unternehmen meistens zu einem Zeitpunkt insolvenzreif, zu dem die Geschäftsführung dies nicht vermutet. Damit Sie dies frühzeitig erkennen, sollten Sie sich rechtzeitig über die wirtschaftliche und finanzielle Lage Ihres Unternehmens erkundigen, um damit auch die persönliche Haftung zu vermeiden.
Benötigen Sie als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin Unterstützung rund um die Themen persönliche Haftung und Insolvenz oder haben konkrete Fragen?
Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!