13. Juli 2022

Umsatzsteuerliche Organschaft – Überblick und Ausblick

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Die umsatzsteuerliche Organschaft sorgt bereits seit Jahren für Diskussionen – sei es im Rahmen von Anwendungs- oder Grundsatzfragen. Im nachfolgenden Beitrag erhalten Sie einen Überblick über die wesentlichen Regelungen der umsatzsteuerlichen Organschaft nach nationalem Recht und auch über die spannende aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH. 

Diskussionen über die umsatzsteuerliche Organschaft

Immer wieder gibt es Diskussionen über die umsatzsteuerliche Organschaft. Typische Fragen in diesem Zusammenhang lauten beispielsweise:

  • Wann gilt eine Personengesellschaft als Organgesellschaft?
  • Müssen Organträger und Organgesellschaft denselben steuerbegünstigten Zweck verfolgen?
  • Ist die nationale Regelung in Deutschland zur umsatzsteuerlichen Organschaft wirklich EU-richtlinienkonform?

Insbesondere die letzte Frage zur EU-Konformität wird in Fachkreisen mit Spannung verfolgt. Hierzu liegen zwei anhängige Verfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union EuGH. Diese wurden kürzlich durch die zuständige Generalanwältin des EuGH ganz genau betrachtet und beurteilt.

Was ist eine umsatzsteuerliche Organschaft?

Die umsatzsteuerliche Organschaft ist in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz geregelt. Die Regelung knüpft an § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz, wonach derjenige Unternehmer bzw. diejenige Unternehmerin ist, der bzw. die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor, wenn eine juristische Person (= Organgesellschaft) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Die umsatzsteuerliche Organschaft führt somit nach nationalem Recht dazu, dass mehrere Unternehmen zu einem Unternehmen zusammengefasst werden. Steuerschuldner:in im Rahmen einer Organschaft ist nach deutschem Recht der Organträger. Die Organgesellschaften gelten als unselbstständig. Die Umsätze, die innerhalb einer Organschaft untereinander erbracht werden, unterliegen nicht der Umsatzsteuer – hier spricht man regelmäßig von nicht steuerbaren Innenumsätzen.

Die nationale Regelung führt insbesondere dann zu einem Vorteil, wenn Unternehmen im Organkreis umsatzsteuerfreie Leistungen ausführen, die den Vorsteuerabzug ausschließen und Leistungen von anderen Unternehmen im Organkreis beziehen.

Was ist die Kritik an der nationalen Regelung?

Die zuständige Generalanwältin hat im Rahmen ihrer Schlussanträge und Entscheidungsempfehlungen kritisiert, dass die deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft nicht EU-richtlinienkonform umgesetzt wurden. Außerdem kritisierte sie, dass diese „zu restriktiv“ seien. Hier geht es insbesondere um die Frage, wer als Steuerpflichtiger anzusehen ist. Nach deutschem Umsatzsteuerrecht wird allein der Organträger als Steuerpflichtiger angesehen. Nach Unionsrecht könnte aber auch (fiktiv) der Organkreis an sich (die sogenannte Mehrwertsteuergruppe) Steuerpflichtiger im umsatzsteuerlichen Sinne sein. Ein weiterer, ganz grundlegender Unterschied besteht in der Selbstständigkeit der Organgesellschaften. Im deutschen Umsatzsteuergesetz verlieren die Organgesellschaften mit Eintritt in die Organschaft ihre Selbstständigkeit, sodass Umsätze innerhalb des Organkreises nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Nach Auffassung der Generalanwältin bleiben die Unternehmen jedoch weiterhin selbstständig und auch die Umsätze innerhalb der Organschaft seien steuerbar.

Was wären die Folgen, wenn der EuGH den Ausführungen der Generalanwältin folgt?

Sollte der EuGH den Empfehlungen der Generalanwältin folgen, so könnten deutsche Organträger unter Berufung auf das EuGH-Urteil zumindest die auf die Organgesellschaften entfallende und an die Finanzverwaltung abgeführte Umsatzsteuer zurückfordern. Die Organgesellschaften könnten sich auf die geltende deutsche Vorschrift berufen, nach der eine Besteuerung der Organgesellschaft ausscheidet. Die Besteuerung des Organkreises selbst, als fiktiven steuerpflichtigen Unternehmer, sieht das deutsche Umsatzsteuerrecht bislang noch nicht vor. Dem deutschen Fiskus würden somit enorme Steuerausfälle drohen. Doch wird es wirklich dazu kommen?

Unsere Einschätzung

An dieser Stelle möchten wir noch einmal klarstellen, dass der EuGH definitiv anders entscheiden kann. Sollte der EuGH der Auffassung der Generalanwältin folgen, ist sicherlich interessant, welche Folgen sich für Deutschland ergeben werden. Es bleibt somit spannend.

Nichtsdestotrotz sollten Steuerfestsetzungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft bis zur Entscheidung des EuGH offen gehalten werden. Gerne unterstützen wir Sie dabei und halten Sie über den weiteren Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden.

Sollten Sie Fragen rund um die umsatzsteuerliche Organschaft haben, kommen Sie jederzeit gern auf uns zu!

 

 

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