
10. Dezember 2025
Wenn das Rezept gefälscht ist: Haftung und Retaxation in der Apotheke
Inhaltsverzeichnis
- Wie es zur Retaxation nach Mounjaro®-Rezeptfälschung kam
- Warum die Rezeptfälschung kaum erkennbar war
- Aktuelle Fälschungswarnungen: Was Apotheken beachten sollten
- Rechtliche Bewertung: Wann Apotheken haften können
- Steuerliche Behandlung von Retaxationen in der Apotheke
- Unsere Einschätzung: Wie Apotheken Retaxationsrisiken und Haftungsrisiken minimieren
- Kontaktformular
Die Bearbeitung von Rezepten in der Apotheke erfordert neben pharmazeutischem Fachwissen oft auch detektivisches Gespür. Der vorliegende Fall verdeutlicht, wie schwer Rezeptfälschungen im Apothekenalltag zu erkennen sind – selbst bei sorgfältiger Prüfung. Der Beitrag zeigt, welche Folgen eine solche Retaxation in der Apotheke haben kann und welche rechtlichen sowie steuerlichen Aspekte zu beachten sind. Retaxationen können erhebliche wirtschaftliche Folgen für Apothekenbetriebe haben. Besonders bei Präparaten wie Mounjaro® ist das Risiko durch Rezeptfälschungen gestiegen.
Wie es zur Retaxation nach Mounjaro®-Rezeptfälschung kam
Im September 2024 beliefert eine Apotheke ein Rezept über Mounjaro® KwikPen®. Monate später folgt die böse Überraschung: Die Krankenkasse verweigert die Erstattung – Vollretaxation, bei der die Apotheke keinerlei Kosten erstattet bekommt, aufgrund einer mutmaßlichen Rezeptfälschung.
Die Apotheke wendet sich ratsuchend an das Team des DeutschenApothekenPortals (DAP). Doch auch nach gründlicher Prüfung sind keine klassischen Fälschungsmerkmale erkennbar.
Warum die Rezeptfälschung kaum erkennbar war
Die Apotheke überprüfte das Rezept sorgfältig nach den gängigen Kriterien, die üblicherweise bei Verdachtsfällen herangezogen werden:
- Arztpraxis und Wohnsitz der versicherten Person lagen räumlich nah beieinander.
- Die Abholung erfolgte an einem regulären Werktag, nicht an einem Wochenende oder späten Nachmittag.
- Angaben zu Arzt, Patient und Versicherung waren plausibel.
- BSNR und LANR stimmten an allen Stellen überein.
- Das Schriftbild war unauffällig.
Auch das DAP-Team prüfte die Verordnung und kam zu dem Schluss: keine eindeutigen Auffälligkeiten. Lediglich ein Punkt war ungewöhnlich: Der Wohnort der versicherten Person lag in Niedersachsen, die Einlösung des Rezeptes erfolgte jedoch in Bayern. Ein Hinweis, der stutzig macht, aber allein noch keinen Fälschungsverdacht begründet.
Aktuelle Fälschungswarnungen: Was Apotheken beachten sollten
Eine weiterführende Recherche ergab zusätzliche Fälschungsmerkmale, die insbesondere bei Mounjaro®- und Ozempic®-Verordnungen gehäuft auftreten. Laut der Pressemitteilung der AOK Nordost vom 20. Mai 2025 sollten Apotheken bei folgenden Punkten besonders aufmerksam sein:
- Ausstellung auf einem Papierrezept, obwohl eine E-Rezeptpflicht besteht,
- Angabe einer Diagnose, die bei Arzneimittelverordnungen normalerweise nicht vorgesehen ist,
- Unvollständige oder falsche Dosierungsangaben.
Im vorliegenden Fall trafen alle drei Merkmale zu.
Die Besonderheit: Das Rezept wurde lange vor Veröffentlichung dieser Warnung beliefert. Zwar existierten bereits zuvor einzelne Hinweise auf Fälschungen mit diesen Präparaten, die Problematik war jedoch noch nicht allgemein bekannt.
Rechtliche Bewertung: Wann Apotheken haften können
Für Apotheken stellt sich die Frage, inwieweit eine Haftung droht, wenn Rezeptfälschungen trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkannt werden. Die rechtliche Bewertung richtet sich nach dem
§ 5 Abs. 1 Satz 6 des Arzneiversorgungsvertrags der Ersatzkassen (vdek):
„Gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern dürfen nicht beliefert werden, wenn die Apotheke die Fälschung oder den Missbrauch erkennt oder hätte erkennen müssen.“
Das bedeutet: Eine Apotheke darf eine Fälschung nicht beliefern, wenn sie erkennbar ist oder hätte erkannt werden können. Im vorliegenden Fall könnte die Apotheke im Einspruchsverfahren argumentieren, dass die Fälschungsmerkmale zum Zeitpunkt der Belieferung noch nicht bekannt oder einschätzbar waren. Sie hätte also keinen objektiven Verdacht schöpfen müssen. Gerade im Zusammenhang mit einer Retaxation bei Rezeptfälschung kann diese Argumentation entscheidend sein.
Ob eine Krankenkasse dieses Argument akzeptiert, bleibt offen. Die Erfahrung zeigt, dass solche Einsprüche oft abgelehnt werden, wenn nachträglich Fälschungsmerkmale festgestellt werden.
Steuerliche Behandlung von Retaxationen in der Apotheke
Neben der rechtlichen Betrachtung ist auch die steuerliche Behandlung von Retaxationen relevant.
Grundsatz
Retaxationen sind nachträgliche Erlösschmälerungen und damit erfolgswirksam zu erfassen, sobald sie der Apotheke bekannt werden. Die steuerliche Behandlung von Retaxationen erfordert eine klare Buchhaltungspraxis. Unternehmensleitungen sollten interne Prozesse zur periodengerechten Erfassung etablieren. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verbuchung, nicht der ursprünglichen Abgabe.
Das bedeutet konkret:
- Eine Vollretaxation mindert die Betriebseinnahmen der betroffenen Periode.
- Wird im Einspruchsverfahren eine Rückzahlung erreicht, ist diese als Ertragskorrektur im entsprechenden Jahr zu verbuchen.
- Retaxationen gelten nicht als außergewöhnlicher Aufwand, sondern als reguläre Betriebsausgabe.
Ist ein Fall noch nicht abschließend entschieden, kann eine Rückstellung oder sonstige Verbindlichkeit gebildet werden, bis das Ergebnis des Verfahrens vorliegt.
In der Praxis – wie sie u. a. von spezialisierten Apothekenberater:innen vertreten wird – ist eine periodengerechte Dokumentation der Retaxationen entscheidend. Bei umfangreichen oder wiederkehrenden Fällen empfiehlt sich die enge Abstimmung mit steuerlichen Berater:innen, um eine konsistente und rechtssichere Verbuchung sicherzustellen.
Unsere Einschätzung: Wie Apotheken Retaxationsrisiken und Haftungsrisiken minimieren
Dieser Fall zeigt deutlich, wie schwer es ist, Rezeptfälschungen im Apothekenalltag eindeutig zu erkennen – selbst bei gründlicher Prüfung und Plausibilitätskontrolle. Zum Zeitpunkt der Belieferung lagen weder eindeutige Warnungen noch öffentlich bekannte Musterfälle vor. Dennoch bleibt die Apotheke häufig auf den Kosten sitzen. Aus rechtlicher wie auch praktischer Sicht gilt daher:
Lieber einmal zu viel nachfragen als zu wenig.
Gerade bei häufig gefälschten Präparaten wie Mounjaro® oder Ozempic® sollten Apothekenleitungen verstärkt kontrollieren, ob Rezeptprüfungen intern vollständig dokumentiert sind, und bei Unsicherheiten Rücksprache mit der verordnenden Praxis halten. Ein strukturiertes Qualitätsmanagement und die Schulung des Apothekenpersonals sind zentrale Maßnahmen, um Retaxationsrisiken nachhaltig zu senken.
Für konkrete Hilfestellung, Arbeitshilfen und kollegialen Austausch empfehlen wir die Kontaktaufnahme mit dem DAP:

Christina Dunkel von DAP
www.deutschesapothekenportal.de
info@deutschesapothekenportal.de
Sie haben weitere steuerliche Fragen zur Auswirkung bei Retaxation oder der Abrechnung in der Apotheke? Wenden Sie sich einfach an Steuerberaterin Julia Wittwer und lassen Sie sich beraten



