Insolvenz und Steuern: BFH grenzt Nachhaftung bei Masseverbindlichkeiten ein  - Ordner mit Finanzen und Umsatzsteuererklärung
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10. November 2025

Insolvenz und Steuern: BFH grenzt Nachhaftung bei Masseverbindlichkeiten ein

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Mit Urteil vom 14. Mai 2025 (Az. XI R 23/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine für die insolvenz- und steuerrechtliche Praxis gleichermaßen bedeutsame Entscheidung getroffen. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Schuldner nach erteilter Restschuldbefreiung noch mit seinem privaten Vermögen für Umsatzsteuerschulden haftet, die während des Insolvenzverfahrens allein durch Handlungen des Insolvenzverwalters entstanden sind. 

Der BFH stellt klar: Zwar fallen Masseverbindlichkeiten nicht unter die Restschuldbefreiung, dennoch kann der Schuldner für solche Steuerschulden nach Verfahrensende nicht uneingeschränkt in Anspruch genommen werden. Damit setzt das Gericht einen wichtigen Akzent zum Schutz redlicher Schuldner und grenzt die Nachhaftung deutlich ein.  

Wer haftet für Umsatzsteuerschulden bei fortgeführtem Insolvenzverfahren? Der Hintergrund des Falls  

Über das Vermögen eines Unternehmers wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte den Betrieb fort. Dabei fielen in den Jahren 2008 bis 2010 erhebliche Umsatzsteuerschulden an. Da die Insolvenzmasse nicht ausreichte, zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an. Später wurde das Verfahren eingestellt; dem Schuldner war bereits Restschuldbefreiung erteilt worden.  Das Finanzamt forderte die Umsatzsteuerschulden dennoch vom Schuldner persönlich. Dieser wehrte sich: Er habe die Steuerschulden nicht selbst verursacht, sondern sie seien allein durch das Handeln des Insolvenzverwalters entstanden.  

Welche Fragen musste der BFH zur Restschuldbefreiung und Nachhaftung bei Masseverbindlichkeit klären?   

Der Streit drehte sich um zwei zentrale Punkte:  

  1. Fallen sogenannte Masseverbindlichkeiten unter die Restschuldbefreiung (§ 301 InsO)?  
  2. Falls nicht: Kann der Schuldner nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit seinem Privatvermögen für diese Schulden in Anspruch genommen werden?  

Der Bundesfinanzhof stellte klar:  

  • Masseverbindlichkeiten gehören nicht zur Restschuldbefreiung. Sie werden daher durch den Beschluss über die Restschuldbefreiung nicht erlassen.  
  • Dennoch bedeutet das nicht, dass der Schuldner automatisch mit seinem Privatvermögen haftet. Entstehen die Schulden ausschließlich durch das Handeln des Insolvenzverwalters, bleibt die Haftung des Schuldners auf die Insolvenzmasse beschränkt.  
  • Diese Haftungsbeschränkung gilt auch nach Einstellung des Insolvenzverfahrens und trotz erteilter Restschuldbefreiung.  

Im konkreten Fall musste der Schuldner die Umsatzsteuerschulden deshalb nicht aus seinem Privatvermögen begleichen.  

Restschuldbefreiung als echte Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang 

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Praxis: Wenn Umsatzsteuerschulden ausschließlich auf das Handeln des Insolvenzverwalters zurückgehen, kann das Finanzamt den Schuldner nicht mit dessen Privatvermögen in Anspruch nehmen.   

Damit stärkt der BFH die Restschuldbefreiung als echte Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang.    

Unsere Einschätzung: Wichtiges Signal für Unternehmer:innen nach Insolvenz 

Das Urteil des BFH bringt Rechtssicherheit: Zwar fallen Masseverbindlichkeiten nicht unter die Restschuldbefreiung. Dennoch haften Schuldner dafür nicht uneingeschränkt mit ihrem Privatvermögen.  

Für Unternehmer:innen, die nach einer Insolvenz wieder durchstarten wollen, ist das ein wichtiges Signal. In ähnlichen Fällen empfiehlt es sich, Steuerforderungen des Finanzamts genau zu prüfen und nicht vorschnell Zahlungen aus dem Privatvermögen zu leisten.   

Unsere Experten Andreas Claes und Patrick Bank unterstützen Sie gerne bei allen Fragen rund um steuerliche und insolvenzrechtliche Fragestellungen. Nehmen Sie jetzt einfach Kontakt auf. 

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.  

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