10. Juli 2020

Kommentar zur Soforthilfe NRW: Am Ende wird es doch bürokratisch!

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Als das Land NRW im März die Corona-Soforthilfe innerhalb weniger Tage antragsfähig machte, wirkte das wie ein unbürokratischer großer Wurf. Nun stellt sich die Situation ganz anders dar. Ein Kommentar von Thomas Müller.

Als das Wirtschaftsministerium in NRW in rekordverdächtiger Zeit eine Website launchte, die ein ausschließlich digitales und auf den ersten Blick unkompliziertes Verfahren zuließ, wirkte auch das bemerkenswert unbürokratisch und modern.

Der schlanke und digitale Start

Auch der Prozess, der die Antragsstellung begleitete, war digital. Täglich ergänzte das Ministerium die Seite mit neuen FAQs. Und da das Antragsverfahren in NRW weniger bürokratisch war als in anderen Bundesländern, gab es Lob von allen Seiten.

Das Ziel war klar, der Weg dahin bemerkenswert direkt: Betroffenen Unternehmen sollte ein Zuschuss gewährt, jedoch kein Geschenk gemacht werden. Darauf wiesen wir in verschiedenen Beiträgen unseren Beiträgen immer wieder hin.

Das dicke Ende kommt jetzt und es heißt Rückmeldeverfahren

Nun wendet sich das Blatt, denn das Land NRW fordert von den Antragstellern die Verwendungsnachweise mit der Auflistung der Ist-Zahlen. Rückmeldeverfahren heißt diese Anforderung. Und die ist wieder so, wie wir es gewohnt sind, bürokratisch.

Wir haben hier im Blog dargelegt, dass man das nicht mal so eben zwischendurch macht, denn:

  • NRW lässt, abhängig vom Datum der Antragstellung, drei alternative Betrachtungszeiträume zu. Das wirkt zwar im ersten Moment sehr kulant, führt aber in der Praxis dazu, dass die betroffenen Unternehmen ihre Berechnungen gleich dreimal durchführen müssten, um zu entscheiden, was für sie am besten ist. Alles andere als unbürokratisch!
  • Die Verwendungsnachweise basieren auf einer Liquiditätsbetrachtung. Ein- und Auszahlungen sind von Bedeutung – und dies heruntergebrochen auf nur bestimmte Kostenarten. Diese Auswertung erhält der Antragsteller jedoch nicht auf Knopfdruck oder mit ein wenig Zuarbeit. Hier müssen die Zu- und Abgänge auf den Bankkonten schon genauer betrachtet und in den Verwendungsnachweis übernommen werden.

In aller Regel liegen den bilanzierende Unternehmen betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) vor. Die BWA darf für den Verwendungsnachweis jedoch nicht herangezogen werden, da in der BWA Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben unabhängig von ihren Zu- und Abflüssen ausgewiesen werden. Alles andere als unbürokratisch!

Der Aufwand für die Erstellung des Verwendungsnachweises ist unverhältnismäßig hoch

Dieser Aufwand im Zusammenhang mit der Erstellung des Verwendungsnachweises ist unverhältnismäßig im Hinblick auf die gewährte Soforthilfe! Das gewählte Verfahren zeigt ganz deutlich, dass die Soforthilfe kein Schadensersatz für ausgebliebene Gewinne ist.

Sie ist eine reine Liquiditätshilfe.

Sie war auch kein Geschenk – und das durfte sie auch nicht sein, denn Hilfe sollten nur Unternehmen bekommen, die von der Virus-Pandemie stark betroffen waren.

Sie war auch nie ein nicht rückzahlbarer Zuschuss, wie das in der medialen Öffentlichkeit leider immer wieder dargestellt wurde.

Aber gut war sie leider auch nicht, das zeigt ein einfaches Beispiel

Ein Unternehmen hat ab April coronabedingt keine Umsätze erzielt und muss trotzdem weiter seine betrieblichen Kosten stemmen. Im dreimonatigen Betrachtungszeitraum fließen ihm noch die letzten ausstehenden Forderungen aus den Monaten Februar und März zu, die die Betriebskosten im Sinne der Soforthilfe übersteigen.

Das Ergebnis:

Der Unternehmer war zwar im April antragsberechtigt, da sich sein Umsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als halbiert hat (Ziffer 6.1 des Antrags).

Er muss jedoch die Soforthilfe zurückzahlen, da der Zufluss von Restforderungen die Höhe der Summe der Ausgaben laut Verwendungsnachweis übersteigt.

Seine wirtschaftliche Lage ist mangels Umsätzen zwar desolat, aber es hat sich für den Dreimonatszeitraum rechnerisch kein Liquiditätsengpass ergeben.

Alles bleibt bürokratisch, wir sammeln unser Lob aus dem Frühjahr wieder ein

Wir hätten uns eine erheblich unbürokratischere Abwicklung der Verwendungsnachweise gewünscht, das frühe Lob müssen wir leider wieder zurücknehmen.

Hieraus muss man lernen! Politik und Presse sind aufgefordert, zu Beginn der nun startenden Überbrückungshilfe den Unternehmen die Voraussetzungen und Konsequenzen der Inanspruchnahme deutlich zu machen:

Auch die Überbrückungshilfe ist kein Geschenk und das Land wird auch hier mit einer exakten Schlussabrechnung auf die Unternehmen zukommen! Es bleibt abzuwarten, wer diese Zeche noch zahlen kann! „Whatever it takes“ geht jedenfalls anders.

Thomas Müller

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)

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