27. August 2024
Ablaufhemmung durch Durchsuchungsbeschluss: Verjährungsfalle Steuerfahndung im Fokus
Inhaltsverzeichnis
Die Ablaufhemmung im Steuerrecht kann durch einen Durchsuchungsbeschluss der Steuerfahndung ausgelöst werden. Doch welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Ein aktuelles BFH-Urteil klärt auf.
Nicht jede Durchsuchungsanordnung der Steuerfahndung führt zu der Hemmung der steuerlichen Festsetzungsverjährung. Nach der Entscheidung des BFH v. 31.01.2024 (Az. X R 7/22) ist zu prüfen, ob die jeweilige Anordnung auch die formalen Anforderungen erfüllt und damit auch für das Steuerrecht nach § 171 Abs. 7 AO verjährungsunterbrechende Wirkung erzielt.
Ablaufhemmung durch Durchsuchungsbeschlüsse: Was ist das?
Die Ablaufhemmung ist ein juristischer Begriff, der beschreibt, dass die Verjährungsfrist in einem Steuer- oder Strafverfahren vorübergehend unterbrochen wird. Diese Hemmung kann durch verschiedene Maßnahmen ausgelöst werden, darunter auch durch einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss. Wenn die Steuerfahndung im Rahmen eines Strafverfahrens eine Durchsuchung anordnet, kann dies dazu führen, dass die laufende Verjährungsfrist für die Verfolgung von Steuerstraftaten – und damit auch für die steuerrechtliche Festsetzungsverjährung – unterbrochen wird. Diese Unterbrechung, auch „Hemmung“ genannt, sorgt dafür, dass die Frist für die Verjährung entsprechend verlängert wird, wodurch den Behörden mehr Zeit bleibt, um etwaige Ansprüche durchzusetzen.
Im folgenden Streitfall wird untersucht, ob eine solche Ablaufhemmung durch einen fehlerhaften Durchsuchungsbeschluss tatsächlich wirksam werden konnte.
Unterbrechung der Festsetzungsverjährung bei Maßnahmen der Steuerfahndung
Der Streitfall: Änderung nach Durchsuchung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen
Im Streitfall wurde der Bescheid der Klägerin aufgrund nicht anerkannter Betriebsausgaben geändert. Der Änderung beruhte auf neuen Erkenntnissen, die dem Finanzamt aufgrund einer Durchsuchungsmaßnahme der Steuerfahndung bekannt wurden. Die Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin richtete sich gegen dessen Geschäftspartner. Aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung gewonnen Erkenntnisse, wurde jedoch ein Steuerstrafverfahren auch gegen die Klägerin eingeleitet.
Das aufgrund leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde gegen die Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Gegen den entsprechenden Änderungsbescheid wendet sich die Klägerin jedoch, da eine Änderung aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich sei. Nach der Auffassung des Finanzamtes ist jedoch noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, da aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses die strafrechtliche Verfolgungsverjährung und damit auch die Festsetzungsverjährung gehemmt wurde und der Bescheid daher noch änderbar war.
Voraussetzung für die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung
Die steuerliche Festsetzungsverjährung beträgt grundsätzlich vier Jahre. In Fällen der leichtfertigen oder vorsätzlichen Steuerverkürzung verlängert sich diese auf fünf bzw. zehn Jahre.
Nach § 171 Abs. 7 AO endet die Festsetzungsverjährung jedoch nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Bei der Einleitung eines Strafverfahrens kann sich so auch die steuerliche Verjährungsfrist maßgeblich verlängern.
Dementsprechend wirken sich auch Maßnahmen, die die strafrechtlichen Verjährungsfristen verlängern, auch auf die steuerliche Verjährung aus. Bei Steuerordnungswidrigkeiten wird die Verfolgungsverjährung unter anderem durch Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnungen der Verfolgungsbehörde oder des Richters unterbrochen.
Keine wirksame Unterbrechung der Verjährung im Streitfall
Im Streitfall wurde der Durchsuchungsbeschluss jedoch von den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft angeordnet. Die Staatsanwaltschaft ist jedoch bei Steuerordnungswidrigkeiten nicht die für die Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung zuständige Behörde, sodass die Durchsuchungsanordnung keine verlängernde Wirkung für die Verjährung im Ordnungswidrigkeitsverfahren erlangte.
Aufgrund unvollständiger Aktenlage konnte zudem im Nachhinein nicht festgestellt werden, ob der Durchsuchungsbeschluss die Mindestanforderungen für die Verjährungshemmende Wirkung erfüllt. Unerheblich ist jedoch, dass sich die Durchsuchungsmaßnahme zunächst nicht gegen die Klägerin, sondern ihren Geschäftspartner richtete, da auch Durchsuchungsmaßnahmen gegenüber Dritten ebenfalls eine verjährungshemmende Wirkung haben.
Der BFH verneinte jedoch aufgrund der uneindeutigen Aktenlage und der Anordnung des Durchsuchungsbeschlusses durch die Staatsanwaltschaft die verjährungsunterbrechende Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses. Da somit die strafrechtliche Verfolgungsverjährung nicht unterbrochen wurde und damit letztendlich für den Streitfall abgelaufen war, wurde auch die steuerliche Festsetzungsverjährung aufgrund der Ablaufhemmung § 171 Abs. 7 AO nicht verlängert. Die Änderung des Bescheides war somit aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht zulässig und daher zurückzunehmen.
Überprüfung durch den BFH
Eine wesentliche Frage im Streitfall war, ob die verjährungshemmende Wirkung vom Bundesfinanzhof (BFH) überprüft werden konnte. Die Finanzverwaltung verwies im Hinblick auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses auf die Zuständigkeit anderer Gerichte. Diese Wirkung tritt nach der Ansicht des BFH jedoch nur ein, wenn der Beschluss nicht angefochten oder ein Rechtsmittel des Betroffenen zurückgewiesen wurde.
Im Streitfall war allerdings nicht eindeutig, ob die Klägerin der Durchsuchungsbeschluss überhaupt zugestellt wurde und ob für ihn daher die Möglichkeit bestand, Rechtsmittel gegen diesen einzulegen. Aufgrund dieser Sachlage konnte der BFH im Streitfall auch die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses versagen.
Unsere Einschätzung
Das Urteil zeigt, dass es sich lohnt gegen die Zulässigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörden Rechtsmittel zu erheben und diese gerichtlich überprüfen zu lassen. Entsprechende Maßnahmen können direkte Wirkung auf das Steuerverfahren haben, insbesondere da sie nicht nur die strafrechtliche Verfolgungsverjährung, sondern auch die Festsetzungsverjährung unterbrechen. Wenn Sie weitere Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich an Steuerberater Christian Kappelmann.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.