
17. Oktober 2024
AGG-Hopping: Kein Anspruch auf Entschädigung bei Rechtsmissbrauch – Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2024
In einem Urteil vom 19.09.2024 setzte sich das Bundesarbeitsgericht mit den Grenzen des Entschädigungsanspruchs nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auseinander. Der Fall eines sogenannten “AGG-Hoppers”, der das Gesetz als Geschäftsmodell nutzen wollte, verdeutlicht, wann eine Entschädigung ausgeschlossen ist.
Worüber entschied das Bundesarbeitsgericht im AGG-Fall?
Das Bundesarbeitsgericht behandelte einen Fall, in dem sich ein Mann auf eine Stellenanzeige als „Sekretärin“ beworben hatte, die ausschließlich auf weibliche Bewerbende ausgerichtet war. Nach seiner Ablehnung reichte der Bewerber Klage auf Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern ein und argumentierte, dass seine Ablehnung und Benachteiligung ausschließlich auf seinem Geschlecht beruhten und er nur deshalb abgelehnt wurde, weil er ein Mann sei. Nachdem der Bewerber sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg hatte, landete der Fall schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht.
Wann ist eine Entschädigung nach dem AGG möglich?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll sicherstellen, dass Bewerbende unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder Herkunft gleichbehandelt werden. Unternehmen dürfen deshalb grundsätzlich keine geschlechtsspezifischen Anforderungen an ihre Bewerbenden stellen oder in ihren Stellenausschreibungen formulieren.
Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot können betroffene Personen gemäß § 15 AGG eine Entschädigungsklage in Höhe von bis zu drei Bruttomonatsgehältern anstreben, sofern die Entschädigungsklage nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist.
Warum wies das Bundesarbeitsgericht die Entschädigungsklage ab?
Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.12.2023 zurück und stellte fest, dass der Kläger kein ernsthaftes Interesse an einer Position als „Sekretärin“ gehabt habe. Seine Bewerbung diente vielmehr ausschließlich dem Ziel, eine Entschädigung zu erlangen.
Das Bundesarbeitsgericht ließ offen, ob die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 15 AGG überhaupt erfüllt waren, da dem Entschädigungsanspruch ohnehin der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht.
In seiner Begründung stellte das Bundesarbeitsgericht gleich auf mehrere Aspekte ab. Zum einen habe sich der Kläger systematisch und gezielt nur auf Stellenanzeigen beworben, die den Anforderungen an geschlechtsneutrale Ausschreibungen nicht entsprachen. Zum anderen habe der Kläger seine Bewerbungen absichtlich unzureichend formuliert, um die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung zu erhöhen. Ferner ergebe sich das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Klägers daraus, dass er innerhalb von 15 Monaten allein in Berlin insgesamt elf Klagen auf Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung eingereicht hat.
Aus der Gesamtschau seines Verhaltens schloss das Bundesarbeitsgericht, dass der Kläger kein tatsächliches Interesse an den jeweiligen ausgeschriebenen Stellen gehabt habe, auf die er sich bewarb. Vielmehr war er ausschließlich an der eingeklagten Entschädigungszahlungen interessiert. Dieses rechtsmissbräuchliche Verhalten, das auch als „AGG-Hopping“ bezeichnet wird, schließt einen Entschädigungsanspruch vollständig aus.
Was bedeutet „AGG-Hopping“ und wie erkennen Unternehmen das?
„AGG-Hopping“ beschreibt die Praxis, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) systematisch zu missbrauchen, um Entschädigungszahlungen zu erlangen, ohne ein echtes Interesse an der beworbenen Stelle zu haben. Solche Personen bewerben sich gezielt auf Stellenanzeigen, die potenziell gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen. Häufig formulieren sie ihre Bewerbungen absichtlich unzureichend, um die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung zu erhöhen und anschließend eine Entschädigungsklage einzureichen.
Unternehmen können AGG-Hopper an bestimmten Verhaltensmustern erkennen. Zum Beispiel, wenn sich jemand wiederholt auf Stellenausschreibungen bewirbt, die klare geschlechtsspezifische Anforderungen enthalten, und regelmäßig Klagen auf Entschädigung einreicht, ohne ein tatsächliches Interesse an der Position zu zeigen. In dem vom Bundesarbeitsgericht verhandelten Fall fiel der Kläger dadurch auf, dass er in kurzer Zeit zahlreiche Entschädigungsklagen allein wegen angeblicher Geschlechterdiskriminierung einreichte.
Unsere Einschätzung
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes echte Bewerbende vor Diskriminierungen schützen soll. Das Gesetz soll hingegen nicht als „Geschäftsmodel“ missbraucht werden, um Entschädigungen an unterschiedlichen Gerichten einzuklagen.
Es empfiehlt sich daher, dass Arbeitgebende sorgfältig darauf achten, ihre Stellenausschreibungen geschlechtsneutral zu formulieren, um einer unabsichtlich suggerierten Diskriminierung vorzubeugen und um nicht in das Fadenkreuz anderer „AGG-Hopper“ zu geraten. Wenn Sie weitere Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich an unseren Rechtsanwalt Luca Jatzek.