31. März 2022

Betriebsschließung in der Corona-Krise: Welche Ansprüche haben betroffene Unternehmer:innen und Betreiber:innen?

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Es gab immer wieder Betriebsschließungen in der Corona-Krise. Erfahren Sie hier, welche Ansprüche Betroffene haben. 

Die im Rahmen der Corona-Pandemie behördlich angeordneten Betriebsschließungen haben die betroffenen Unternehmer:innen und Betreiber:innen vor große finanzielle Sorgen gestellt. Nachdem die Rechtsprechung lange Zeit nicht eindeutig war, hat der Bundesgerichtshof (BGH) inzwischen für einige Fallkonstellationen entschieden. Dabei hat der BGH geklärt, ob Betroffene Ausgleichsleistungen erwarten können. Mittlerweile haben sich einige, seit Beginn der Pandemie heftig umstrittene, Fragen geklärt. Viele Hoffnungen auf angemessene und vor allem unkomplizierte Kompensation von Umsatzeinbußen und Kostenerstattung haben sich nicht erfüllt.

Laut Bundesgerichtshof kein Anspruch auf Entschädigung durch die Betriebsschließungsversicherung

Von Beginn der Pandemie an wurde um eine versicherungsrechtliche Lösung der Pandemie-Folgen gerungen. Konkret ging es um Leistungen aus abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherungen (auch Betriebsunterbrechungsversicherung).

Mit Urteil vom 26. Januar 2022 (Az.: IV ZR 144/21) hat der BGH die Leistungspflicht aus einer Betriebsschließungsversicherung verneint. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob die in den Versicherungsbedingungen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger abschließend sind. Im konkreten Fall lagen dem Versicherungsvertrag die „Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) – 2008“ (ZBSV 08) zugrunde. Darin heißt es:

  • „Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb […] schließt.“

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen

  • „sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: “

Kein Versicherungsschutz, weil COVID-19 (Corona) nicht in Versicherungsbedingungen aufgeführt ist

Es folgt eine Aufzählung entsprechender Krankheiten und Krankheitserreger, Covid-19 bzw. Sars-CoV-2 sind in dem Katalog jedoch nicht aufgeführt. Daher seien die erfolgten Betriebsschließungen nach Ansicht des BGH nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Denn der Katalog sei aus Sicht durchschnittlicher Versicherungsnehmer:innen als abschließend zu verstehen. Eine andere Einschätzung ergebe sich auch nicht aus dem Verweis auf die §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG), dieser könne nur als Klarstellung verstanden werden. Die entsprechende Klausel in den Zusatzbedingungen halte auch der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand und verstoße insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot.

Liegen den Betriebsschließungsversicherungen der betroffenen Betriebe also Bedingungen mit gleichem Wortlaut zugrunde, dürfte der BGH mit seiner Entscheidung die Zweifel um eine Leistungspflicht der Versicherung – zum Nachteil der Versicherten – nun abschließend ausgeräumt haben.

Anspruch auf staatliche Entschädigung bei Betriebsschließungen in der Corona-Krise?

Mit Urteil vom 17. März 2022 (Az.: III ZR 79/21) hat der BGH nun auch einen Anspruch auf staatliche Entschädigung für die Einnahmeausfälle infolge einer Betriebsschließung abgelehnt. Der Kläger – Eigentümer eines familiengeführten Betriebes mit Hotel und mehreren Restaurants – hatte vom Land Brandenburg eine Entschädigung in Höhe von 27.000 Euro gefordert, da die empfangene Soforthilfe nur die Einnahmeausfälle von elf Tagen abgedeckt hatte. Seinen Anspruch hatte er auf § 65 Abs. 1 IfSG gestützt. Der BGH hat einen entsprechenden Anspruch aus den Entschädigungsvorschriften des IfSG jedoch verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 65 IfSG sei dieser nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig, die Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Verordnungen seien jedoch zur Bekämpfung der Covid-19-Krankheit angeordnet worden. Der Anwendungsbereich der Norm könne auch nicht auf Bekämpfungsmaßnahmen erweitert werden, die „zugleich eine die Ausbreitung der Krankheit verhütende Wirkung haben“.

Unabhängig davon seien nach Ansicht des BGH Hilfeleistungen für die von der Pandemie schwer getroffenen Wirtschaftsbereiche keine Aufgabe der Staatshaftung. Aus dem Sozialstaatsprinzip folge insoweit nur eine Pflicht zum innerstaatlichen Ausgleich.

Anspruch auf Mietminderung bei Betriebsschließung in der Corona-Krise?

Eine Kostenentlastung der betroffenen Betriebe könnte sich aber daraus ergeben, dass sie für den Fall und den Zeitraum der Betriebsschließung unter Umständen nicht verpflichtet sind, die Gewerbemiete in voller Höhe zu zahlen. Bereits das OLG Dresden hatte in der staatlichen Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB gesehen, die eine Anpassung des Mietvertrages dahingehend gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Dass ein solcher Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, hat mittlerweile auch der BGH bestätigt (Urteil vom 12. Januar 2022, Az.: XII ZR 8/21). Ein Mangel des Mietgegenstandes im Sinne des § 536 Abs. 1 S. 1 BGB sei in der Betriebsschließung nicht zu sehen, es habe sich in der Covid-19-Pandemie vielmehr ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst werde. Neben dem Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage – die wohl regelmäßig anzunehmen ist – müsse Mieter:innen das Festhalten an dem unveränderten Vertrag zusätzlich unzumutbar sein.

Diese Beurteilung bedürfe einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Von Bedeutung seien u.a. die Nachteile der Mieter:innen durch die Geschäftsschließung, die Vorteile durch staatliche Leistungen oder Leistungen einer gegebenenfalls einstandspflichtigen Betriebsschließungsversicherung und die Maßnahmen, die Mieter:innen zur Vermeidung drohender Verluste ergriffen haben oder hätten ergreifen können. Da das Oberlandesgericht die Miete pauschal um die Hälfte reduziert hatte, hat der BGH die Sache an die Vorinstanz zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Das letzte Wort hierzu ist somit noch nicht gesprochen. Denn zumindest in dieser Hinsicht besteht auch weiterhin die Aussicht auf Entlastung. Das betrifft einen Teil der durchgängig von den Mieter:innen zu tragenden Kosten.

Unsere Einschätzung

Nach der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht für die Betroffenen von Betriebsschließungen nicht viel Hoffnung auf Kompensation ihrer Einnahmeausfälle und der laufenden Kosten. Sie bleiben wohl mehrheitlich auf Ersatzleistungen in Form von Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld für das vorgehaltene Personal angewiesen. In Bezug auf Betriebsschließungsversicherungen lohnt sich jedoch auch weiterhin ein Blick in die Versicherungsbedingungen, da die vorliegende BGH-Entscheidung sich nur auf die ZBSV-08 bezieht. Versicherungsschutz könnte beispielsweise bei Versicherungen bestehen, in deren Bedingungen die versicherten Krankheiten und Krankheitserreger nicht konkret aufgelistet sind.

Auch die Geltendmachung einer reduzierten Gewerbemiete erscheint erfolgversprechend. Verlässliche Prognosen sind jedoch aufgrund der strengen Einzelfallbetrachtung nicht möglich, eine kompetente Beratung unerlässlich.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie gerne auf uns zu!

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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