
16. Oktober 2025
BFH: Umsatzsteuerbefreiung für Übernahme ärztlicher Notdienste
Inhaltsverzeichnis
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14a UStG auch bei der Übernahme ärztlicher Notdienste greift. Er hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob für die vertretungsweise Übernahme von ärztlichen Notfalldiensten auch die Umsatzsteuerbefreiung gilt (Heilbehandlungen) oder ob auf das hierfür erzielte Entgelt Umsatzsteuer zu erheben ist. Wir zeigen Ihnen den Urteilsfall und die Argumentation des BFH.
Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen: Rechtsgrundlage § 4 Nr. 14a UStG
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Ärzt:in, Zahnärzt:in, Heilpraktiker:in, Physiotherapeut:in, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind kraft Gesetzes nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Liegt keine medizinische Indikation vor (beispielweise Behandlungen im Bereich der ästhetischen Chirurgie), unterliegt das für die Behandlung erhobene Entgelt grundsätzlich der Umsatzsteuer.
Umsatzsteuerpflicht oder Befreiung? BFH klärt Fall zur Übernahme ärztlicher Notdienste
In dem Urteilsfall hatte ein Arzt Notfalldienste von anderen Ärzt:innen übernommen. Diese waren grundsätzlich zum Notdienst eingeplant und wurden durch die Übernahme durch den Kollegen von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst freigestellt. In diesem Rahmen war er selbständig tätig, betrieb aber keine eigene Praxis. Neben der Übernahme der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes führte der Arzt in den Streitjahren auch noch Blutentnahmen für eine Polizeibehörde durch.
Argumentation des Finanzamtes zur Umsatzsteuerpflicht
Für den Arzt wurde hinsichtlich der Jahre 2014 bis 2016 eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt angeordnet. Das Finanzamt stellte hierbei fest, dass die Haupttätigkeit des Arztes darin bestehe, den Notfalldienst für dazu verpflichtete Ärzte zu übernehmen und in Vertretung den Notdienst für diese auszuüben.
Hierbei vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Übernahme des Notfalldienstes entgegen der Handhabung des Arztes nicht nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Diese Leistung sei getrennt von der Heilbehandlung zu würdigen. Es handele sich nicht um eine einheitliche Leistung mit der Behandlung von Patient:innen. Somit wären die in den Streitjahren erzielten Einnahmen der 19%-igen Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Entscheidung des Finanzgerichts Münster im Überblick
Das Entgelt, das im Rahmen des ärztlichen Notdienstes auf die Behandlung der Patient:innen ausgeführten Heilbehandlungsleistungen entfiel, war in den Augen des Finanzamtes von der Umsatzsteuer befreit. Hinsichtlich der vereinnahmten Entgelte für die Vertretung im ärztlichen Notdienst sah das Finanzgericht jedoch keinen Zusammenhang zu nach § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungsleistungen und unterwarf dieses anteilige Entgelt der Umsatzsteuer.
Das Entgelt für die Blutentnahmen wurden der Umsatzsteuer unterworfen, da sie keinem medizinischen Zweck dienen würden. Der Arzt klagte gegen die Entscheidung. Das Finanzgericht Münster folgte jedoch der Auffassung des Finanzamtes (FG Münster, Urteil vom 09.05.2023 – 15 K 1953/20). Daraufhin erhob der Arzt Klage beim BFH.
BFH bestätigt: Notfalldienste sind Heilbehandlungen und damit umsatzsteuerfrei
Hinsichtlich der durchgeführten Blutentnahmen schloss sich der BFH der Entscheidung des FG Münster an, dass diese nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Da die hierfür erhaltenen Entgelte jedoch in den Streitjahren jeweils unter der sogenannten „Kleinunternehmer-Grenze“ lagen, konnte die Kleinunternehmerregelung nachträglich in Anspruch genommen werden. Somit war auf die Umsätze für die Blutentnahmen keine Umsatzsteuer zu zahlen.
Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14a UStG im Fokus
Hinsichtlich der Übernahme der ärztlichen Notfalldienste stellte der BFH jedoch fest, dass das FG Münster in seinem Urteil zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei. Er stellte fest, dass die entgeltliche Übernahme ärztlicher Notfalldienste durch Ärzt:innen als Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
Zwar hat der Arzt auch ein Entgelt von den vertretenen Ärzten dafür erhalten, dass er diese von ihrer Verpflichtung zur Durchführung des ärztlichen Notdienstes freistellte. Jedoch konnte diese Freistellung auch nur erfolgen, da der Arzt selbst den ärztlichen Notfalldienst ausführte.
Ferner wurde festgestellt, dass die Bereitschaft des Arztes zur Durchführung von Notdiensten und damit zusammenhängenden Heilbehandlungen ebenfalls einen therapeutischen Zweck dienen würden.
Warum die Übernahme ärztlicher Notfalldienste steuerfrei bleibt
Die Übernahme des Notfalldienstes steht somit im Einklang mit der tatsächlichen Tätigkeit als Notärzt:in. Somit liegt eine tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise vor.
Folglich ist die entgeltliche Übernahme von Notfalldiensten durch Ärzt:innen (unter Freistellung der ursprünglich eingeteilten Ärzt:innen von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst) als Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit – und zwar unabhängig davon, wem gegenüber diese sonstige Leistung erbracht wird.
Unsere Einschätzung: Bedeutung des BFH-Urteils für Ärzt:innen
Die Entscheidung des BFH führt zu einer einheitlichen umsatzsteuerlichen Behandlung von Notfalldiensten bundesweit, was aus unserer Sicht sehr zu begrüßen ist.
Haben Sie Fragen zum Thema Umsatzsteuerbefreiung der vertretungsweisen Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes? Kontaktieren Sie unsere Steuerberaterin Stefanie Anders und lassen Sie sich beraten.