BFH-Urteil zur Besteuerung von Freiberufler-Personengesellschaften nach DBA-USA
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23. Juli 2024

BFH-Urteil stärkt Rechtssicherheit bei Freiberufler-Personengesellschaften

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Das aktuelle BFH-Urteil zur Besteuerung von Freiberufler-Personengesellschaften nach dem DBA-USA bringt Klarheit in die Anwendung internationaler Steuerabkommen. Erfahren Sie, wie das Gericht für mehr Rechtssicherheit sorgt und was dies für Steuerpflichtige bedeutet. 

Internationales Steuerrecht: Besteuerung von Freiberufler-Personengesellschaften nach dem DBA-USA – BFH stärkt den Gedanken der Rechtssicherheit 

Worum geht es im Urteil zur DBA-USA 1989/2008? 

Die Besteuerung von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Architekten oder anderen international tätigen Freiberuflern wirft immer wieder knifflige Fragen auf, insbesondere wenn es um die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geht. In seinem Urteil vom 05.12.2023  hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun zu einigen dieser Fragen Stellung genommen und sich dabei einmal mehr für eine statische Auslegung von DBA ausgesprochen. Doch was bedeutet das konkret für das internationale Steuerrecht? Und gibt es vielleicht doch einen Weg, die verhärteten Fronten zwischen BFH und Bundesfinanzministerium (BMF) in dieser Frage aufzuweichen? Diesen Fragen wollen wir uns im Folgenden widmen. 

Das BFH-Urteil zur Besteuerung internationaler Freiberufler im Überblick 

Doch zunächst: Worum ging es eigentlich in dem Verfahren? Im Zentrum stand die Besteuerung von Gewinnen einer US-amerikanischen Rechtsanwaltsgesellschaft (LLP) mit Betriebsstätte in Deutschland. Die in Deutschland ansässigen Partner der LLP erhielten sogenannte “guaranteed payments” (GP), also vorab geleistete Abschlagszahlungen auf ihre Gewinnanteile. Strittig war nun, ob und inwieweit diese GP in Deutschland steuerpflichtig sind oder ob sie nach dem DBA-USA 1989/2008 von der deutschen Besteuerung freizustellen sind. 

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die GP in voller Höhe in Deutschland steuerpflichtig seien. Dagegen wehrten sich die Kläger und bekamen schließlich vor dem BFH Recht. Dieser entschied, dass die GP insoweit freizustellen sind, als sie einer US-Betriebsstätte zuzuordnen sind. Eine sofortige und vollständige Besteuerung in Deutschland sei daher unzulässig. 

Doppelbesteuerungsabkommen: statisch oder dynamisch ausgelegt? 

Interessant sind aber vor allem die grundsätzlichen Ausführungen des BFH zur Auslegung von DBA. Denn hier bestätigte der BFH seine ständige Rechtsprechung, wonach DBA statisch und nicht dynamisch auszulegen sind. Mit anderen Worten: Maßgeblich ist grundsätzlich die Bedeutung der Begriffe und Regelungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht deren möglicherweise gewandelte Bedeutung zum Zeitpunkt der Anwendung des DBA. 

Der BFH begründet dies vor allem mit verfassungsrechtlichen Überlegungen. DBA werden durch ein Zustimmungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt. Würde man nun eine dynamische Auslegung zulassen, könnte sich die Bedeutung des DBA nachträglich ändern, ohne dass der Gesetzgeber erneut tätig werden müsste. Dies wäre mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und des Gesetzesvorbehalts nicht vereinbar. 

Die Rolle des OECD-Musterkommentars bei der Besteuerung internationaler Freiberufler 

Eine zentrale Rolle in dieser Debatte spielt der Kommentar zum OECD-Musterabkommen (OECD-MK). Während das BMF in einem Schreiben aus dem Jahr 2023 die Auffassung vertritt, dass der jeweils aktuelle OECD-MK bei der Auslegung von DBA zu berücksichtigen sei, sieht der BFH dies deutlich enger. 

Nach Auffassung des BFH hat der OECD-MK nur dann Bedeutung, wenn das konkrete DBA den gleichen oder einen vergleichbaren Wortlaut wie das OECD-Musterabkommen verwendet. Zudem ist grundsätzlich nur die Kommentarfassung relevant, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA galt. Spätere Änderungen des OECD-MK können allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn die konkret auszulegende Abkommensvorschrift ebenfalls geändert wurde. 

Der BFH spricht dem OECD-MK damit letztlich nur die Bedeutung von Gesetzesmaterialien zu. Eine darüberhinausgehende Bindungswirkung, wie sie das BMF offenbar annimmt, lehnt er ab. Der OECD-MK ist für den BFH nur ein “Meinungsbild der beteiligten Fisci”, nicht mehr und nicht weniger. 

Ein Blick in die Schweiz: Legen die Eidgenossen DBA statisch oder dynamisch aus? 

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick über die Grenze in die Schweiz. Denn auch das Schweizer Bundesgericht hat sich erst kürzlich zur Frage der statischen oder dynamischen Auslegung von DBA geäußert und sich dabei im Grundsatz der Linie des BFH angeschlossen. 

Auch das Schweizer Bundesgericht betont, dass DBA grundsätzlich statisch auszulegen sind, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu gewährleisten. Eine dynamische Auslegung birgt nach Auffassung des Gerichts die Gefahr, dass sich die Rechtsanwendung vom Konsens der Vertragsstaaten entfernt und sich unkontrolliert verselbständigt. 

Allerdings lässt das Schweizer Bundesgericht unter engen Voraussetzungen eine Ausnahme zu: Werden in einem DBA sogenannte “offene Begriffe” verwendet, deren Bedeutung erkennbar einem zeitlichen Wandel unterliegen wird, kann ausnahmsweise eine dynamische Auslegung in Betracht kommen. Dies setzt aber voraus, dass die Vertragsparteien diesen Begriffen nach dem objektiven Erklärungswert bewusst eine sich wandelnde Bedeutung zumessen wollten. 

Auch spätere Fassungen des OECD-MK können nach Auffassung des Schweizer Bundesgerichts in die Auslegung einfließen, jedoch nicht über Art. VERTRRUEBEREINK Artikel 31 WÜRV (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge), sondern allenfalls aufgrund ihrer “argumentativen Überzeugungskraft”. Sie hätten dann einen ähnlichen Stellenwert wie Literaturmeinungen oder Gerichtsurteile. Voraussetzung wäre aber, dass Änderungen des OECD-MK künftig ausführlicher begründet werden, was bisher oft nicht der Fall ist. 

Ausblick: Ist ein Kompromiss zwischen BFH und BMF in Sicht? 

Auch wenn BFH und Schweizer Bundesgericht in ihren Grundpositionen nicht weit auseinanderliegen, könnte der vom Schweizer Gericht aufgezeigte Weg vielleicht doch die Tür für einen Kompromiss zwischen BFH und BMF öffnen. Stellen Sie sich vor: Der BFH und das BMF Hand in Hand, einträchtig vereint im Bestreben, das Steuerrecht ein kleines bisschen weniger kompliziert zu machen. Klingt wie ein Märchen? Vielleicht. Aber der Vorschlag des Schweizer Bundesgerichts könnte tatsächlich der Schlüssel sein. Der BFH müsste über seinen Schatten springen und seine strenge Haltung zur statischen Auslegung ein wenig lockern. Ein bisschen Dynamik schadet schließlich nicht, solange sie gut begründet ist. Der OECD-MK dürfte dann auch mal eine Meinung äußern, ohne gleich als ungebetener Gast vom Hof gejagt zu werden. Aber Vorsicht: Nur wenn die Kommentare wasserdicht argumentiert sind, dürfen sie mit am Tisch der großen Auslegungskünstler Platz nehmen. Im Gegenzug müsste das BMF die weiße Fahne hissen und eingestehen, dass eine generelle dynamische Auslegung von DBA vielleicht doch etwas zu forsch war. Der Traum von einer Welt, in der das deutsche Steuerrecht von der OECD diktiert wird, wird sich wohl nicht so schnell erfüllen. 

Und die Moral von der Geschicht’? Vielleicht ist es an der Zeit, dass BFH und BMF ihre Differenzen begraben und gemeinsam einen Weg finden, der Rechtssicherheit und Flexibilität vereint. Ein Weg, der die Steuerpflichtigen nicht im Regen stehen lässt, aber auch keine Hintertüren für findige Steuergestalter öffnet. 

Klar, das ist leichter gesagt als getan. Aber hey, wenn selbst erbitterte Rivalen wie Bugs Bunny und Daffy Duck hin und wieder zusammenarbeiten können, dann sollte das doch auch für unsere obersten Steuerrechts-Hüter möglich sein. In diesem Sinne: Auf eine Zukunft, in der BFH und BMF Hand in Hand die Steuerwelt ein bisschen besser machen. Und wenn nicht, dann bleibt uns immer noch die Hoffnung, dass die nächste Folge dieses spannenden Mehrteilers vielleicht die entscheidende Wendung bringt. Bis dahin heißt es: Abwarten und Steuern zahlen. 

Unsere Einschätzung zur Besteuerung von Freiberufler-Personengesellschaften 

Das Urteil des BFH zur Besteuerung von Freiberufler-Personengesellschaften nach dem DBA-USA zeigt einmal mehr, wie komplex das internationale Steuerrecht sein kann. Es unterstreicht aber auch die Bedeutung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in diesem Bereich. Mit seiner Bestätigung der statischen Auslegung von DBA stellt sich der BFH schützend vor die Steuerpflichtigen und bewahrt sie vor bösen Überraschungen durch nachträgliche Bedeutungsverschiebungen. 

Gleichzeitig macht das Urteil aber auch deutlich, dass die Debatte um die richtige Auslegungsmethode noch lange nicht zu Ende ist. Der Ball liegt nun im Feld des BMF und der OECD. Wenn es gelingt, die Kommentare zum OECD-Musterabkommen überzeugender zu begründen und damit ihre Akzeptanz zu erhöhen, könnte dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Wenn nicht, dann bleibt uns zumindest die Erkenntnis: Auch im Steuerrecht ist nichts so beständig wie der Wandel. In diesem Sinne: Bleiben Sie gespannt auf die nächste Episode von “Der BFH, das BMF und der OECD-MK”!

Wenn Sie weitere Fragen zum Thema haben, wenden Sie sich gern an unseren Steuerexperten Niels Webersinn.

 

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.

Niels Webersinn

Associate Partner und Steuerberater

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