17. August 2021

Corona-Infektionsschutz und Arbeitsrecht

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Die Corona-Pandemie beschäftigt das Land nach wie vor enorm. Für Unternehmen besonders wichtig ist das Zusammenspiel von Corona-Infektionsschutz und Arbeitsrecht. Lesen Sie hier, was Sie als Arbeitgeber:innen von ihren Arbeitnehmer:innen verlangen dürfen.

Trotz fortschreitendem Impferfolg liegt die Herdenimmunität angesichts neu auftretender Virusvarianten in weiter Ferne. Gleichzeitig rufen viele Betriebe ihre Mitarbeitenden vom Home Office zurück in die Büros und organisieren Präsenzarbeit. Dabei müssen verschiedenste Themen bedacht werden. Denn es stellt sich die Frage, was Arbeitgeber:innen von Arbeitnehmer:innen als Corona-Maßnahmen in Sachen Impfung, Corona-Test und Urlaub verlangen dürfen.

Dürfen Arbeitgeber:innen die Corona-Impfung verlangen oder eine Impfpflicht einführen?

Unsere kurze und knappe Antwort lautet: Nein, das dürfen sie nicht. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Impfpflicht im Zusammenhang mit COVID-19. Darüber hinaus ist nicht absehbar, dass sie kommt. Arbeitsrechtlich ist es Arbeitgeber:innen deshalb nicht erlaubt, eine Impfpflicht für Arbeitnehmer:innen einzuführen.
Denn die Schutzimpfung stellt eine personenbezogene Maßnahme dar, welche arbeitsrechtlich unter sehr hohen Hürden steht. Außerdem dürfen Arbeitnehmer:innen, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht deswegen sanktioniert werden. Es ist daher rechtswidrig, nicht geimpfte Arbeitnehmer:innen vom Betrieb auszuschließen. Auch eine Ungleichbehandlung im Betrieb selbst stellt in der Regel eine unzulässige Diskriminierung dar und verstößt gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.

Dürfen Arbeitgeber:innen die Corona-Impfung fördern oder Auskunft verlangen?

Selbstverständlich dürfen Arbeitgeber:innen die Corona-Impfungen über ihre Betriebsärzte organisieren. Sie dürfen den Mitarbeitenden dann anbieten, sich impfen zu lassen. Da Arbeitnehmer:innen die Zeit der Impfung kaum beeinflussen können, sind sie dafür von der Arbeit freizustellen. Allerdings warnen wir Unternehmen davor, erhebliche Vorteile wie beispielsweise finanzielle Boni als Anreiz für die Impfung anzubieten. Zum einen haben Arbeitgeber:innen grundsätzlich keinen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Impfschutzes ihrer Beschäftigten. Zum anderen berührt eine solch verhaltenssteuernde Maßnahme das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten. Damit dann auch das Recht auf freie Grundrechtsausübung im Betrieb – zumindest mittelbar. Diese Rechtsfrage ist zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt, wir raten dennoch von Experimenten in diese Richtung ab.

Können Arbeitgeber:innen die Durchführung von Corona-Tests verlangen?

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet Arbeitgeber:innen seit dem 22. April 2021 rechtlich dazu, Beschäftigten mindestens zweimal pro Kalenderwoche einen Corona-Test anzubieten. Die Durchführung eines solchen Tests ist grundsätzlich Arbeitszeit. Das gilt übrigens auch für die Wartezeit auf das Ergebnis. Einzelne Bundesländer wie beispielsweise NRW, Sachsen und Hessen, haben eine Testpflicht für Arbeitnehmer:innen bestimmter Branchen eingeführt. Diese Testpflicht können Unternehmen im Betrieb durchsetzen. Liegt eine gesetzliche Testpflicht dagegen nicht vor, dürfen Unternehmer:innen und Unternehmen keine pauschalen Corona-Tests von ihren Beschäftigten verlangen. Hier gilt also der gleiche Grundsatz wie beim Impfen. Arbeitnehmer:innen, die sich ausdrücklich weigern, sind uneingeschränkt weiterzubeschäftigen. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dürfen sie deswegen nicht sanktionieren.

Zurück aus dem Urlaub? Diese Besonderheit gilt bei Corona-Infektionsschutz und Arbeitsrecht

Seit Anfang Juli sind Corona-Tests für Urlaubsrückkehrer bundesweit gesetzlich verpflichtend. So müssen Beschäftigte, die mindestens fünf Werktage hintereinander aufgrund von Urlaub oder vergleichbaren Dienst- oder Arbeitsbefreiungen (zum Beispiel wegen Zeitausgleich) nicht gearbeitet haben, am ersten Arbeitstag nach dieser Unterbrechung den Arbeitgeber:innen einen maximal 48 Stunden alten negativten Testnachweis vorlegen. Alternativ kann dieser Test unter Aufsicht am Arbeitsplatz („Selbsttest“) durchgeführt werden. Immunisierte Personen sind von dieser Pflicht befreit. Konkret also Geimpfte und Genesene. Es steht ihnen frei, ihre Immunisierung freiwillig nachzuweisen oder einen Corona-Test durchzuführen. Dazu können Arbeitgeber:innen keine Vorgaben machen.

Abwesend wegen Urlaub

Die Testpflicht greift stets bei einer „urlaubsbedingten“ Abwesenheit in einer kompletten Arbeitswoche. Sie gilt dementsprechend auch für Teilzeit- oder Schichtarbeitskräfte. Und zwar unabhängig von den konkreten Arbeitstagen. Für den Arbeitsbeginn nach dem Urlaub im Home Office gilt diese Testpflicht für den ersten Präsenzarbeitstag. Arbeitgeber:innen müssen die Kontrolle der Testnachweise sicherstellen. Tun sie das nicht, drohen behördliche Sanktionen. Verweigern Mitarbeitende die Durchführung eines Tests, müssen Arbeitgeber:innen die zuständigen Ordnungsbehörden informieren. In diesem Zusammenhang wichtig: Diese Beschäftigten haben kein „Recht auf Home Office“.

Was können Arbeitgeber:innen dennoch tun, um den Arbeitsplatz sicher zu gestalten?

Wie bereits dargestellt gibt es nur unter bestimmten Umständen eine Testpflicht für Arbeitnehmer:innen. Arbeitgebende sind nicht ohne weiteres befugt eine Testpflicht am Arbeitsplatz einzuführen. Dennoch besteht unter Umständen die Möglichkeit, eine Testpflicht durch eine Betriebsvereinbarung einzuführen. Eine solche, aufgrund des für den Betrieb entwickelten Schutzkonzept gewollte Testpflicht, ist jedoch nur unter Mitbestimmung des (möglicherweise vorhandenen) Betriebsrates möglich. Konkretes regeln § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG.

In der Betriebsvereinbarung beschlossene Testpflicht

Hier ist jedoch zu beachten, dass auch eine im Rahmen einer Betriebsvereinbarung beschlossene Testpflicht einen Anlass haben muss. Es ist derzeit noch nicht gerichtlich geklärt, ob eine anlasslose Testpflicht begründet durch eine Betriebsvereinbarung rechtmäßig ist. Ein Eilantrag zu diesem Sachverhalt wurde vom Arbeitsgericht Offenbach aufgrund fehlender Eilbedürftigkeit zurückgewiesen. Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht aus. Es ist jedoch zu beachten, dass gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden müssen. Hieran sind die Betriebsparteien gebunden. Folglich muss eine Testpflicht durch eine Betriebsvereinbarung verhältnismäßig sein. Wenn eine für die einzelne Tätigkeit durchgeführte Interessenabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass bei bestimmten Tätigkeiten, beispielsweise solchen wo keine hinreichenden Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ein Corona-Test zum Schutz der Arbeitnehmer:innen zwingend durchzuführen ist, sollte eine Testpflicht im Rahmen einer Betriebsvereinbarung unproblematisch sein. Sollten Sie eine Testpflicht durch eine Betriebsvereinbarung einführen wollen, weisen wir Sie darauf hin, eine genaue Dokumentation der Interessenabwägung und der weiteren vorgenommenen Schritte zu führen.

Sonderfälle und die Coronaschutzverordnung NRW

Sonderfälle, in denen ein Negativnachweis nach der CoronaSchutzverordnung NRW vorgeschrieben ist, sind aus den §§ 10 ff. CoronaSchVO zu entnehmen. Beispiele hierfür sind Mitarbeiter:innen von stationären und ambulanten Gesundheits- und Krankenpflegeeinrichtungen. Außerdem mehrtägige Bildungsangeboten in Gruppen in geschlossenen Räumen, Gruppenferienangeboten, weiterer Kulturangebote, der Gastronomie und so weiter. In diesen Fällen kann sich der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin für die Einführung einer Testpflicht auf die CoronaSchVO berufen.

Unsere Einschätzung

Arbeitgeber:innen haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, ihre Mitarbeitenden zu besonderen Corona-Schutzmaßnahmen zu verpflichten. Das gilt, wenn (und solange) es dazu keine gesetzlichen Grundlagen gibt. Sowohl die Impfung als auch ein Corona-Test stellen erhebliche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit dar, die kaum mit betrieblichen Belangen gerechtfertigt werden können. Letztendlich handelt es sich um persönliche Entscheidungen der Arbeitnehmer:innen, in die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nicht eingreifen können.
Allerdings gibt es einen Handlungsspielraum, welcher noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

Wir beraten Sie hier gerne zu den doch teilweise etwas komplizierten Details. Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zu den Themen Corona-Infektionsschutz und Arbeitsrecht haben und Sie Ihren Betrieb rechtssicher durch die Pandemie bringen wollen.

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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