6. Oktober 2022
Die Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH
Die Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers oder einer GmbH-Geschäftsführerin ist im Grundsatz ein gesetzlich durchregulierter und weitestgehend unproblematischer Prozess. Dennoch gibt es einige Fallstricke, die eine wirksame Entlastung verhindern können. Dann kann es trotz Entlastung zu Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin kommen.
Grundlagen der Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers
Mit der Entlastung billigt die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung durch den Geschäftsführer beziehungsweise die Geschäftsführerin. Und zwar immer für einen bestimmten Zeitraum. Ziel der Entlastung ist einerseits, Geschäftsführer:innen von Haftungsrisiken zu befreien. Denn mit der Entlastung verzichten die Gesellschafter:innen und die Gesellschaft selbst auf die Geltendmachung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen Geschäftsführer:innen. Nach der Entlastung können Geschäftsführer:innen nicht mehr persönlich in Anspruch genommen werden (sogenannte Präklusion). Andererseits wird dadurch die Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwaltung der Gesellschaft durch die Gesellschafter:innen sichergestellt, die im Rahmen der Entlastung gehalten sind, Recht- und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung zu überprüfen.
Die Überprüfung der Geschäftsführung erfolgt auf Grundlage der Pflicht der Geschäftsführer:innen zur Auskunft, Berichterstattung und Rechnungslegung. Das umfasst insbesondere die ordnungsgemäße Buchführung und die Aufstellung des Jahresabschlusses.
Die Entlastung erfolgt dann durch Gesellschafterbeschluss in der Gesellschafterversammlung – den Entlastungsbeschluss. Insoweit unterscheidet er sich nicht von anderen Gesellschafterbeschlüssen. Es sind die üblichen Formvorschriften einzuhalten.
Ein gesetzlicher Anspruch auf die Entlastung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin besteht nicht. Es findet sich jedoch typischerweise im Gesellschaftsvertrag eine Regelung, nach der im Anschluss an die Vorlage des Jahresabschlusses über die Entlastung abzustimmen ist.
Grenzen der Präklusionswirkung – Entscheidung des OLG Brandenburg vom 29. Juni 2022
Von der Präklusionswirkung der Entlastung sind allerdings nur solche Ansprüche erfasst, die die Gesellschafter:innen bei gewissenhafter Prüfung der von Geschäftsführer:innen bereitgestellten Informationen erkennen konnten. Damit bestehen Ansprüche gegen Geschäftsführer:innen trotz Entlastung weiter, wenn Geschäftsführer:innen im Rahmen ihrer Pflicht zur Auskunft, Berichterstattung und Rechnungslegung bewusst relevante Tatsachen verschleiert haben. Und zwar so, dass diese nicht allen Gesellschafter:innen bekannt sein konnten. Denn die Präklusion tritt nur insoweit ein, wie alle Gesellschafter:innen zumindest die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme der relevanten Informationen hatten.
Exemplarisch entschied zuletzt das OLG Brandenburg (Urteil vom 29.06.2022 – 7 U 60/21), dass die Präklusionswirkung der Entlastung nicht eintritt, wenn der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin bei der Rechnungslegung einzelne Rechnungsposten zusammenfasst. Beispielsweise, um so einen Kfz-Kauf zu seiner Privatnutzung zu Lasten der Gesellschaft zu verschleiern.
In dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte der Geschäftsführer einer GmbH auf Kosten der Gesellschaft einen Wohnwagen nebst Zubehör im Wert von rund 35.000 Euro gekauft, den er dann privat nutzte. Der Jahresabschluss wies jedoch lediglich eine Position „sonstige Transportmittel“ über rund 70.000 Euro aus. Nach der Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung wurde den Gesellschafter:innen die Anschaffung und Privatnutzung des Wohnwagens auf Kosten der Gesellschaft bekannt und der Geschäftsführer von der Gesellschaft auf Zahlung der rund 35.000 Euro in Anspruch genommen, die er entgegen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verwendet hat.
Die Klage hatte zunächst keinen Erfolg, da das Landgericht davon ausging, dass die Präklusionswirkung der Entlastung einem Schadenersatzanspruch entgegenstehen würde. Das Oberlandesgericht änderte das Urteil allerdings ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rund 30.000 Euro.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts erstreckte sich die Entlastung nicht auf den Kauf des Wohnwagens, da den Gesellschafter:innen dieser nicht bekannt war und auch bei sorgfältiger Prüfung der vorhandenen Informationen nicht bekannt sein musste. Durch die bewusste Verschleierung des Kaufs durch die Rechnungslegung mit anderen Positionen im Jahresabschluss habe der Geschäftsführer beabsichtigt, die Kenntnisnahme der Gesellschafter:innen vor der Entlastung zu verhindern. Deshalb war der Kauf des Wohnwagens nicht von der Wirkung der Entlastung erfasst.
Unsere Einschätzung
Geschäftsführer:innen müssen darauf achten, ihren Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Dazu zählen Pflichten zur Auskunft, Berichterstattung und Rechnungslegung. Denn bei unzureichender Erfüllung dieser Pflichten drohen eine nur teilweise wirksame Entlastung oder gar das Verweigern der Entlastung.
Für Gesellschafter:innen verdeutlicht das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg, dass auch nach erteilter Entlastung oftmals noch Möglichkeiten bestehen können, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Dabei wird stets eine einzelfallbezogene Prüfung der zum Zeitpunkt des Entlastungsbeschlusses vorhandenen Informationen erforderlich sein. Bei fortgeschrittenem Zeitablauf droht zudem die Verjährung von Ansprüchen.
Haben Sie Fragen zur Entlastung oder zu den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers oder einer GmbH-Geschäftsführerin? Benötigen Sie Beratung wegen einer möglichen Pflichtverletzung als Geschäftsführer:in einer GmbH? Möchten Sie Ansprüche gegen einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin geltend machen? Vermuten Sie, dass ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin seine oder ihre Informationspflichten verletzt hat? Dann kommen sie gerne jederzeit auf uns zu!