15. September 2021
Neue Fernverkaufsregelung im E-Commerce nach EU-Umsatzsteuerreform: Darauf müssen Unternehmen im Online-Handel achten
Inhaltsverzeichnis
- Fernverkaufsregelung ersetzt Lieferschwellenregelung
- Fernverkaufsregelung als neue umsatzsteuerliche Regelung im Online-Handel
- Vereinfachte Anmeldung durch das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS)
- Online-Handel über Fulfillment-Strukturen und Marktplätze
- Auswirkungen auf Preisangaben in Onlineshops
- Rechtskonforme Lösungen für Onlineshops
- Unsere Einschätzung
Für den B2C Online-Handel gilt seit dem 1. Juli 2021 die Fernverkaufsregelung. Die Europäische Union hat das Steuerrecht im Zuge des Digitalpakets zum 1. Juli 2021 mit einer EU-Umsatzsteuerreform umgebaut.
Die Einführung der Fernverkaufsregelung zum 1. Juli 2021 ist im § 3c Umsatzsteuergesetz geregelt. Sie schafft ein neues, grenzüberschreitendes Umsatzsteuersystem im Online-Handel mit Verbraucher:innen.
Fernverkaufsregelung ersetzt Lieferschwellenregelung
Die Besteuerung für den grenzüberschreitenden Online-Handel mit Privatkunden innerhalb der EU richtete sich bisher nach den jeweiligen, nationalen Lieferschwellen. Unternehmen im Online-Handel mussten nur dann die Umsatzsteuer im Bestimmungsland (Sitz von Verbraucher:in) abführen und sich somit im Ausland umsatzsteuerlich registrieren, wenn die jeweiligen Lieferschwellen im Bestimmungsland überschritten wurden. Es galten für die jeweiligen EU-Länder eigene Lieferschwellen, sodass Händler die Überschreitung der Lieferschwelle individuell für jedes EU-Land gesondert prüfen mussten.
Neben der steuerlichen Registrierung mussten sich die in einem weiteren Land registrierten Unternehmen des Online-Handels auch mit Steuererklärungen, Umsatzsteuer-Voranmeldungen und die Einhaltung aller steuerlichen Vorgaben befassen. Die Lieferschwelle in den verschiedenen Mitgliedstaaten verursachte einen erheblichen Aufwand. Sie lag in verschiedenen Ländern zwischen 35.000 Euro und 100.000 Euro.
Fernverkaufsregelung als neue umsatzsteuerliche Regelung im Online-Handel
Die nunmehr geltende Fernverkaufsregelung dient zur Vereinheitlichung der Lieferschwellen innerhalb der Europäischen Union. Überschreitet ein Unternehmen im Online-Handel im B2C-Markt innerhalb der EU eine Lieferschwelle von insgesamt 10.000 Euro netto pro Kalenderjahr, schuldet es die Umsatzsteuer im Bestimmungsland. Der Online-Handel innerhalb Deutschlands ist von den Änderungen nicht betroffen, ebenso Verträge im B2B-Bereich mit in anderen EU-Ländern ansässigen Geschäftspartnern.
Die europaweit einheitliche Lieferschwelle führt nun in vielen Fällen dazu, dass die Schwelle sehr schnell überschritten wird und die Unternehmen ihre Lieferungen in mehr Bestimmungsländern versteuern müssen als zuvor.
Vereinfachte Anmeldung durch das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS)
Zur Vereinfachung der Steueranmeldung wurde das One-Stop-Shop-Verfahren erweitert. Damit haben Online-Händler:innen die Möglichkeit, die Umsatzsteuer über ein Portal des Bundeszentralamts für Steuern anzumelden. Eine Registrierung im jeweiligen Bestimmungsland ist damit grundsätzlich nicht mehr nötig. Die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgt an das Bundeszentralamt für Steuern, das die Zahlungen an die einzelnen EU-Ländern abwickelt und leistet. Unternehmen, die bereits das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS-Verfahren) nutzen, nehmen automatisch am OSS-Verfahren teil. Eine Neuanmeldung ist in diesem Falle nicht notwendig.
Online-Handel über Fulfillment-Strukturen und Marktplätze
Online-Händler:innen, die ihre Waren über Fulfillment-Strukturen und Marktplätze (z.B. Amazon, Ebay, etc.) mit ausländischer Lagerhaltung verkaufen, müssen komplizierter vorgehen, da die Steueranmeldungen hierbei nicht immer durch das OSS-Verfahren umfasst sind. Zwar ist eine Teilnahme am OSS-Verfahren möglich, aber in der Regel ist ebenfalls eine steuerliche Registrierung im Bestimmungsland erforderlich. Das kann unter anderem daran liegen, dass Anbieter von Fulfillment-Strukturen ohne Zutun der Händler:innen automatisch Warenumlagerungen vornehmen. Damit können umsatzsteuerliche Vorgänge wie innergemeinschaftliche Verbringungen im Ursprungsland und innergemeinschaftliche Erwerbe im Bestimmungsland ausgelöst werden.
Auswirkungen auf Preisangaben in Onlineshops
Nach dem europäischen Preisangabenrecht müssen Unternehmen Preise gegenüber Verbraucher:innen als Gesamtpreis inklusive Umsatzsteuer angeben. Umgesetzt ist das in Deutschland in § 1 Abs. 1 der Preisangabenverordnung (PAngV).
Problematisch im Zuge der Fernverkaufsregelung ist nun, dass in allen EU-Mitgliedsstaaten eigene Umsatzsteuersätze gelten, sodass es bei (Brutto-)Preisangaben in Online-Shops schnell zu einer Abmahnung kommen kann.
Rechtskonforme Lösungen für Onlineshops
Online-Händler:innen stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, um die steuerlichen Anforderungen und die Vorgaben des Preisangabenrechts zu erfüllen.
- Einheitliche Preisangaben
Eine Möglichkeit besteht darin, die Brutto-Preisangaben inklusive Umsatzsteuer einheitlich anzugeben. Nach dem Preisangabenrecht muss der Preis als Gesamtpreis – also inklusive der Umsatzsteuer angegeben werden. Hierbei können Unternehmen entweder die Bruttopreise insgesamt erhöhen oder die bisherigen Bruttopreise beibehalten. Die Höhe der Umsatzsteuer müssen sie nicht angeben. Dieses Vorgehen ist zwar mit keinem oder nur geringem Aufwand verbunden, führt allerdings entweder zu Wettbewerbsnachteilen oder zu geringeren Margen. - Einrichtung von Online-Shops für jedes Mitgliedsland
Eine andere Möglichkeit besteht darin, für jedes Land einen eigenen Online-Shop einzurichten. Hierbei wählen die Kundinnen und Kunden beim Öffnen der Website das Bestimmungsland, in das die Ware geliefert werden soll. Das hat den Vorteil, dass die unterschiedlichen Steuersätze der Umsatzsteuer berücksichtigt werden. Allerdings ist die Umsetzung mit erheblichem Aufwand verbunden.
Dabei ist es wichtig, dass bei allen Optionen der Preis inklusive Umsatzsteuer auch als solcher gekennzeichnet sein muss. Das kann zum Beispiel mit dem Hinweis „inkl. USt.“ oder mit gut sichtbarem Sternchenhinweis, beispielsweise „*alle Preise sind inklusive Umsatzsteuer“ erfolgen.
Unsere Einschätzung
Online-Händler:innen müssen ihre Online-Shops und möglicherweise auch ihre Fulfillmentverträge und das Abführen der Umsatzsteuer an die nunmehr geltende Fernverkaufsregelung anpassen. Verstöße gegen die Preisangabenverordnung führen schnell zu Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände. Ebenso werden falsch abgeführte Steuern gesetzlich geahndet und führen zu Nachzahlungspflichten.
Bei Fragen hinsichtlich der abmahnsicheren Preisangaben in Ihrem Onlineshop und der steuerrechtskonformen Abgabengestaltung und Rechnungsstellung sowie bei Fragen zu den OSS-Meldungen unter Berücksichtigung der neuen Fernverkaufsregelung kontaktieren Sie uns gerne jederzeit.