8. Juli 2024
Aktuelles aus dem E-Commerce: BFH-Urteil zum Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers (ohne gültige USt-ID)
Inhaltsverzeichnis
- Nachweis der Unternehmereigenschaft: Das ist der Sachverhalt im BFH-Urteil
- Wie hat der BFH das Thema Steuerschuldnerschaft im E-Commerce entschieden?
- Nachweis der Unternehmereigenschaft: USt-ID ist laut BFH nicht entscheidend für die Steuerschuldnerschaft
- Unsere Einschätzung – Fazit zur Steuerschuldnerschaft im E-Commerce
Die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch die oder den Leistungsempfänger:in ist nicht ausschlaggebend für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft.
Für sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Abs. 2 UStG, die ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer:innen an eine:n im Inland ansässige:n Unternehmer:in erbringt, besteht eine Steuerschuldnerschaft der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers. Jüngst hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) (BFH-Urteil vom 31.01.2024 – V R 20/21) mit der Frage befasst, welche Anforderung ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Leistender, der eine sonstige Leistung nach § 3a Abs. 2 oder Abs. 5 UStG an Unternehmer:innen und Nichtunternehmer:innen erbringt, zu erfüllen hat, damit sie oder er von einer Unternehmereigenschaft der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers und somit von einer Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG ausgehen kann.
Nachweis der Unternehmereigenschaft: Das ist der Sachverhalt im BFH-Urteil
Die Klägerin ist eine GmbH, die im Streitjahr einen Online-Marktplatz betrieb, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer Gegenstände zum Kauf anboten. Die Dienstleistung der Klägerin bestand darin, den Nutzer der Online-Plattform Zugang zum Online-Markplatz zu gewähren, wofür die Klägerin eine entsprechende Gebühr von den Nutzern erhob.
Um Zugang zum Marktplatz zu bekommen, mussten sich die Leistungsempfänger zunächst registrieren und den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zustimmen. Bei dieser Registrierung mussten die Leistungsempfänger angeben, ob sie als Privatperson („privates Konto“) oder als Unternehmer („gewerbliches Konto“) den Marktplatz nutzen wollten. Erfolgte eine Anmeldung als Unternehmer, mussten in der Eingabemaske u.a. Angaben zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) gemacht werden.
Für sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Abs. 2 UStG, die ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen im Inland ansässigen Unternehmer erbringt, besteht eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für eine nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistung eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist.
Bis zum 31.12.2014 behandelte die Klägerin ausschließlich die Leistungsempfänger als Unternehmer, welche eine gültige USt-ID Angaben. Zum 01.01.2015 wurde eine mögliche Unternehmereigenschaft derjenigen Nutzer, welche keine USt-lD angaben, anhand von anderen Indizien festgestellt. Sofern der Nutzer eines von den folgenden drei Kriterien erfüllte, wurde eine Unternehmereigenschaft bejaht. Für diesen Kundenkreis ging die Klägerin von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gem. § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG aus.
Kriterien:
- Mindestanzahl von Transaktionen
- Mindesthöhe der Verkaufsgebühren in Abhängigkeit vom Transaktionsvolumen
- Registrierung auf einer gewerblichen Plattform
Entgegen der Auffassung der Klägerin setzte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer bei der Klägerin fest. Das FG war der Auffassung, dass die Verwendung einer gültigen USt-ID zwar weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht notwendig sei, um den Leistungsempfänger als Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG zu qualifizieren und dass die Klägerin für die Prüfung der Unternehmereigenschaft der Leistungsempfänger nachvollziehbare Merkmale entwickelt, die für eine Unternehmereigenschaft sprechen könnten. Allerdings seien die Leistungsempfänger für das FG nicht identifizierbar. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass diese Leistungsempfänger Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 2 UStG gewesen seien und ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland gehabt hätten.
Wie hat der BFH das Thema Steuerschuldnerschaft im E-Commerce entschieden?
Der BFH bestätigte in seinem Urteil vom 31.01.2024 – V R 20/21, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG nicht darauf ankommt, dass eine gültige USt-ID verwendet wird. Vielmehr stellen § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG als auch Art. 196 MwStSystRL darauf ab, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer als solcher ist. Davon ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG und der Art. 9, 10 MwStSystRL erfüllt.
Mit Blick auf Steuererleichterung des leistenden Unternehmens leuchtet es ein, eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft lediglich anhand von objektiven Kriterien und nicht – wie im vorliegenden Fall – von pauschal gewählten Kriterien abhängig zu machen.
Nachweis der Unternehmereigenschaft: USt-ID ist laut BFH nicht entscheidend für die Steuerschuldnerschaft
Festzuhalten bleibt, dass es für den Nachweis der Unternehmereigenschaft nicht auf die Erteilung oder ein Tätigwerden unter einer gültigen USt-ID ankommt (vgl. EuGH-Urteil VSTR vom 27.09.2012 – C-587/10). Allerdings stellt der Bundesfinanzhof (BFH) auch fest, dass die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger zu Gunsten des leistenden Unternehmers wirkt und somit zu einer den leistenden Unternehmer hinsichtlich der Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 UStG treffenden Feststellungslast führt.
Unsere Einschätzung – Fazit zur Steuerschuldnerschaft im E-Commerce
Solange man die richtige USt-ID von Kund:innen mitgeteilt bekommt, dürften keine Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Steuerschuldnerschaft bestehen. Eine Mitteilungspflicht die oder des Kund:innen gibt es aber nicht. Bestimmte Geschäftsbereiche, insbesondere die E-Commerce-Branche, sind von dieser Problematik besonders stark betroffen, weshalb sich der Leistende mit Blick auf die Steuerschuld oft nur auf Indizien stützen kann.
Unabhängig von der Frage, ob eine USt-ID für die Einstufung als Unternehmer:in von Bedeutung ist, kann in der Praxis letztlich nur die Angabe und Prüfung der USt-ID als verlässliches Kriterium für die Unternehmereigenschaft die oder des Kund:innen im grenzüberschreitenden Handel herangezogen werden. Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich an unsere Steuerberater Marcus Sauer, Tino Wunderlich oder Sebastian Raphael Vogt.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.