20. Juli 2023
Geringfügige Beschäftigung: Sind ihre Tage gezählt?
Inhaltsverzeichnis
- Wer profitiert von der geringfügigen Beschäftigung
- Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Geringfügige Beschäftigung soll nicht ausgenutzt werden
- Die Hintergründe des Verfahrens
- Geringfügige Beschäftigung: Das Finanzamt legt Veto ein
- Arbeitgeber und Finanzamt im Streit über die geringfügige Beschäftigung
- Finanzgericht stützt Entscheidung des Finanzamts zur geringfügigen Beschäftigung
- Unsere Einschätzung
Laut aktuellen Kennzahlen der Bundesagentur für Arbeit befinden sich in Deutschland rund 7,5 Millionen Menschen in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Rund 3,3 Millionen von ihnen üben einen sogenannten Minijob neben ihrer Hauptbeschäftigung aus. Ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 28.12.2022 beschäftigt sich mit der Anwendbarkeit der geringfügigen Beschäftigung von bestehenden Mitarbeiter:innen. Alles, was Sie zu diesem Urteil und Minijobs wissen müssen, erfahren Sie hier.
Wer profitiert von der geringfügigen Beschäftigung
In erster Linie profitieren Arbeitnehmer:innen vom arbeitsrechtlichen Instrument der geringfügigen Beschäftigung. Solange ihr Lohn die Grenze von aktuell 520 Euro nicht übersteigt, müssen sie darauf weder Sozialversicherungsbeiträge noch Lohnsteuer zahlen. Das ist für viele Menschen, die auf einen Zweitjob angewiesen sind, eine Erleichterung.
Auch Arbeitgeber:innen haben etwas davon. Sie können den Lohn pauschal mit zwei Prozent des Arbeitsentgelts besteuern. Das ergibt sich aus § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Liegt eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des
vor, können Arbeitgeber:innen auf den Abruf der elektronischen Lohnsteuermerkmale von Arbeitnehmenden verzichten. Dann können sie eine Versteuerung des Arbeitsentgelts mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von zwei Prozent vornehmen.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Geringfügige Beschäftigung soll nicht ausgenutzt werden
Unternehmen können die Zwei-Prozent-Regelung nicht uneingeschränkt anwenden. Das zeigt das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.12.2022. Das Gericht diskutierte im Fall eines Unternehmers mit zwei Betrieben, ob es sich bei der Beschäftigung eines Mitarbeitenden in beiden Betrieben des Unternehmers um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis handelt oder man die Beschäftigungen steuer- und sozialversicherungsrechtlich separat betrachten muss. Das Urteil entscheidet, ob das Unternehmen die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung nutzen darf oder nicht.
Die Hintergründe des Verfahrens
Im Fall des Urteils übte ein Arbeitnehmer zwei Tätigkeiten aus:
- Eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung in Betrieb A des Arbeitgebers und
- eine geringfügige Beschäftigung in der Firma B desselben Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber führt A und B unter unterschiedlichen Betriebsnummern.
Die Lohnversteuerung der Beschäftigungen fand wie folgt statt:
- Die Versteuerung der Hauptbeschäftigung in Betrieb A erfolgte unter Berücksichtigung der individuellen Besteuerungsmerkmale des Arbeitnehmers.
- Die Versteuerung der Nebenbeschäftigung in Firma B erfolgte im Zuge der geringfügigen Beschäftigung gemäß § 40a Abs. 2 EStG mit dem Pauschalsteuersatz von zwei Prozent.
Die Parteien schlossen für beide Beschäftigungsverhältnisse separate Arbeitsverträge. Beide Tätigkeiten kennzeichneten sich durch ähnliche Tätigkeitsfelder, wurden jedoch an verschiedenen Tätigkeitsorten ausgeübt.
Geringfügige Beschäftigung: Das Finanzamt legt Veto ein
Die Finanzverwaltung stellte im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung beider Betriebe fest, dass die Pauschalbesteuerung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zu Unrecht erfolgt sei.
Der Arbeitnehmer befinde sich aufgrund der Beschäftigung innerhalb der Betriebe A und B desselben Unternehmers in einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis. Hierdurch sei kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis möglich.
Das Finanzamt ordnete folgende Maßnahmen an:
- Die rückwirkende Anrechnung der Pauschalbesteuerung des Arbeitsentgelts aus der geringfügigen Beschäftigung auf das Arbeitsentgelt aus der Hauptbeschäftigung
- Die Nachversteuerung mit den individuellen Besteuerungsmerkmalen
- Den Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die betroffenen Veranlagungszeiträume
Arbeitgeber und Finanzamt im Streit über die geringfügige Beschäftigung
Der Arbeitnehmer, hier als Steuerpflichtiger, legte Einspruch gegen die geänderten Steuerbescheide ein. Die Finanzverwaltung dürfe kein einheitliches Beschäftigungsverhältnis annehmen, nur weil es sich bei dem Arbeitgeber um den Inhaber beider Betriebe handelt.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte als ergänzende Begründung an, dass es keine zeitliche und inhaltliche Abgrenzbarkeit bei den ausgeübten Tätigkeiten des Arbeitnehmers gibt. Daraufhin erhob dieser Klage.
Finanzgericht stützt Entscheidung des Finanzamts zur geringfügigen Beschäftigung
Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg schließt sich der Auffassung der Finanzverwaltung an. Es stützt seine Begründung dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Diese besagt, dass bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse
- beim selben Arbeitgeber,
- ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung oder
- objektive Kriterien der Unterscheidbarkeit in Art, Ort und Zeit der Tätigkeit,
von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen wird. In diesem Fall müssen Arbeitgeber:innen die verschiedenen Lohnzahlungen zusammenrechnen. Dabei nimmt das FG Bezug auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21.02.2003. Man müsse den Arbeitgeberbegriff personenbezogen auslegen, da der Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber durchführt. Es entsteht das Bild eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnis.
Für das Finanzgericht lassen sich die ausgeübten Tätigkeiten des Steuerpflichtigen
- nach objektiven Kriterien,
- aufgrund der Vermischung von Dienstleistungen und
- den dafür erhaltenen Vergütungen
nicht genug voneinander abgrenzen.
Der Steuerpflichtige legte Revision gegen das Urteil ein, die das Finanzgericht zuließ. Dabei bezog es sich auf die Rechtsfrage: Dürfen Arbeitnehmer:innen in einem zweiten Betrieb ihrer Arbeitgeber:innen einen Minijob mit der Pauschalbesteuerung nach § 40a Abs. 2 EStG ausführen? Und wenn ja, welche Kriterien führen zur Abgrenzung von der Hauptbeschäftigung?
Unsere Einschätzung
Arbeitgeber:innen sollten immer ein Auge auf ihre Mitarbeiter:innen und deren Beschäftigungsverhältnisse haben. Das Finanzamt lässt sich, wie man in diesem Gerichtsverfahren sehen kann, ungern an der Nase herumführen. Deshalb klären Sie bei der Vergabe eines Minijobs an bestehende Mitarbeiter:innen vorab, wie die Besteuerung erfolgen muss. Dabei helfen wir Ihnen gerne.