Kann ein Arzt Erbe seiner Patientin sein?
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27. Mai 2024

Kann ein Arzt Erbe seiner Patientin sein?

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Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurts vom 21.12.2023 können auch behandelnde Ärzte als Erben eingesetzt werden (Beschl. v. 21.12.2023, Az. 21 W91/23). Eine solche Erbeinsetzung führt laut dem OLG nicht zur (Teil-) Nichtigkeit eines Testaments. Das Gericht hat sich in diesem Zusammenhang umfangreich mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern berufsrechtliche Vorschriften einer Erbeinsetzung entgegenstehen. Wie es zu diesem Fall gekommen ist, erfahren Sie hier.

Wie wurde der Arzt zum Erbe seiner Patientin?

Im Jahr 2022 verstarb die Erblasserin kinderlos und verwitwet. Durch ein handschriftliches Testament aus dem Jahr 2021 hatte die Erblasserin insgesamt fünf Personen als ihre Erb:innen eingesetzt. Neben Freunden und entfernten Verwandten setzte die Erblasserin auch ihren Hausarzt zum Erben ein, welcher sie bereits seit 1997 ärztlich betreut hatte und inzwischen zu einer engen Vertrauensperson der Erblasserin geworden war.

Nach ihrem Tod zweifelten die weiteren Erb:innen an der Wirksamkeit der Einsetzung des Hausarztes als Erben. Zur Begründung stützten sie sich in erster Linie auf einen Verstoß des Arztes gegen § 32 Abs. 1 der landesrechtlichen Berufsordnung für Ärzte (BO-Ä).

In § 32 Abs. 1 BO-Ä heißt es nämlich:

„Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.“ 

Die Frage, ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 32 Abs.1 BO-Ä vorliegt, hat das OLG Frankfurt bei seiner Entscheidung jedoch bewusst offengelassen. Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass selbst im Falle eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä dieser Verstoß nicht dazu führen könne, dass die Einsetzung des Arztes zum Erben unwirksam sei.

Das OLG stützt sich bei seiner Entscheidung auf die bestehende und über Art. 14 Grundgesetz gewährleistete Testierfreiheit der Erblasserin. Die Testierfreiheit werde nicht durch die Berufsordnung der Ärzte eingeschränkt.

Sinn und Zweck der Vorschriften in der Berufsordnung für Ärzt:innen sei zwar sicherzustellen, dass ärztliche Entscheidungen allein aufgrund ärztlicher Erwägungen getroffen werden und nicht von finanziellen Interessen abhängig gemacht werden. Die Vorschriften wenden sich laut Gericht nur an Ärzte und nicht an Testierende.

Testierende sollten daher die Freiheit haben, auch den jeweiligen behandelnden Arzt im eigenen Testament zu berücksichtigen und nicht durch berufsrechtliche Vorschriften in ihrer Testierfreiheit unangemessenen eingeschränkt werden.

Allgemeines zur Testierfähigkeit

Unter Testierfähigkeit versteht man die Fähigkeit zur Erstellung eines wirksamen Testaments. Hierbei werden die allgemeinen Regeln der §§ 104 ff BGB über die Geschäftsfähigkeit durch die spezielleren erbrechtlichen Regelungen des Erbrechts modifiziert.

Bei der Frage nach der Testierfähigkeit sind grundsätzlich drei Altersstufen zu unterscheiden:

Ø  0 – 16 Jahre Testierunfähigkeit

Ø  16 – 18 Jahre eingeschränkte Testierfähigkeit

Ø  Ab 18 Jahre uneingeschränkte Testierfähigkeit

Eine Testierunfähigkeit kann jedoch nach § 2229 Abs. 4 BGB auch dann vorliegen, wenn der/die Erblasser:in wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Allgemeines zur Testierfreiheit und Erbeinsetzung

Die als Bestandteil der Erbrechtsgarantie verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit berechtigt den/die Erblasser:in, über seine/ihre Vermögensnachfolge frei zu entscheiden. Formell wird die Testierfreiheit gewährleistet, indem den Erblassern verschiedene Arten von Verfügungen von Todes wegen zur Verfügung gestellt werden (Testament, gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag).

Ihre Grenze findet die Testierfreiheit in dem allgemeinen Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) sowie in den Vorschriften über das Pflichtteilsrecht naher Angehöriger, das nur unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen entzogen werden kann.

Der/Die Erblasser:in kann seine/ihre Erb:innen und deren Anteile positiv bestimmen. Grundsätzlich kann jede Person – unabhängig vom Alter, Geschlecht oder von der Staatsangehörigkeit – als Erben eingesetzt werden. Als Erbe kommt jeder Mensch, also jede natürliche Person in Betracht, die zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt.

Auch juristische Personen des Privatrechts, beispielsweise eingetragene Vereine, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, ebenso wie juristische Personen des öffentlichen Rechts, beispielswiese den Bund, ein Bundesland oder die Kirche, können als Erben eingesetzt werden.

Unsere Einschätzung

Da die Frage bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, hat das Oberlandesgericht auch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Somit bleibt abzuwarten, ob und wie sich der BGH äußern wird.

Auch wenn das OLG grundsätzlich der Testierfreiheit Vorrang gegenüber berufsrechtlichen Vorschriften einräumt, sollten Ärzte achtsam mit einer Erbeinsetzung umgehen. Denn auch wenn die Erbeinsetzung zivilrechtlich wirksam ist, bleiben berufsrechtliche Maßnahmen oder Sanktionen möglich. Es dürfte daher eine Prüfung erforderlich sein, ob die Annahme der Erbschaft mit den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften in der Berufsordnung für Ärzte vereinbar ist oder Risiken birgt.

Wir empfehlen sowohl bei der Errichtung eines Testaments als auch bei der Begünstigung eines Arztes im Testament eine Rechtsberatung.

Gerne stehen wir Ihnen hierbei mit unseren erfahrenen Anwält:innen zur Seite.

 

 

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