2. Februar 2023
Praxisformen für Ärztinnen und Ärzte: Berufsausübungsgemeinschaft
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Berufsausübungsgemeinschaft bei (Zahn-)Ärzt:innen?
- Worin besteht der Unterschied zu einer Praxisgemeinschaft?
- Welche Arten einer Berufsausübungsgemeinschaft gibt es?
- Wie funktioniert die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft?
- Wie erfolgt die Besteuerung des durch die Berufsausübungsgemeinschaft erzielten Praxisgewinns:?
- Muss eine Berufsausübungsgemeinschaft Gewerbesteuer zahlen?
- Muss eine Berufsausübungsgemeinschaft Umsatzsteuer zahlen?
- Wie erfolgt die Gewinnermittlung?
- Welche Vor- und Nachteile bietet die Berufsausübungsgemeinschaft?
- Unsere Einschätzung:
Im Rahmen unserer Blogbeitragsreihe „Praxisformen“ erfahren Sie mehr zu einzelnen gängigen Praxisformen für (Zahn-)Ärzt:innen. Im ersten Teil ging es um die Einzelpraxis, hier finden Sie Wissenswertes zur Berufsausübungsgemeinschaft als eine mögliche Kooperationsform von (Zahn-)Ärzt:innen.
Was ist eine Berufsausübungsgemeinschaft bei (Zahn-)Ärzt:innen?
Eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist eine langfristige Praxiskooperationsform, in der sich mehrere Vertrags(Zahn-)Ärzt:innen zusammenschließen können, um gemeinsam ihren Beruf auszuüben. Hierbei treten sie nach außen hin gemeinsam als eine Praxis auf. Die einzelnen Vertrags-(Zahn-)Ärzt:innen müssen hierbei nicht der gleichen Fachgruppe angehören.
Die Berufsausübungsgemeinschaft war früher unter der Bezeichnung „Gemeinschaftspraxis“ bekannt. Sie kann in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als auch einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ausgeübt werden.
Im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft bilden die zusammengeschlossen (Zahn-)Ärzt:innen eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit. Sie haben einen gemeinsamen Praxissitz und behandeln gemeinsam die Patient:innen der Berufsausübungsgemeinschaft. Im Rahmen der Behandlung ist jedoch jede(r) (Zahn-)Ärztin bzw. (Zahn-)Arzt weiterhin eigenverantwortlich und medizinisch unabhängig tätig.
Die Räumlichkeiten, das Personal sowie die Praxisgeräte werden von allen der Berufsausübungsgemeinschaft zugehörigen (Zahn-)Ärzt:innen gemeinsam in Anspruch genommen.
Worin besteht der Unterschied zu einer Praxisgemeinschaft?
Bei einer Berufsausübungsgemeinschaft gibt es einen einheitlichen Patientenstamm, der auch zusammen abgerechnet wird. Auch werden die Räumlichkeiten, das Personal und das Praxisinventar gemeinschaftlich genutzt.
Bei einer Praxisgemeinschaft führt jede/r (Zahn-)Ärzt:in eine Einzelpraxis, in der auch die jeweiligen Patient:innen einzeln abgerechnet werden. Lediglich die Räumlichkeiten, das Personal und das Praxisinventar werden gemeinschaftlich von mehreren (Zahn-)Ärzt:innen genutzt.
Welche Arten einer Berufsausübungsgemeinschaft gibt es?
Örtliche Berufsausübungsgemeinschaft:
- Berufsausübungsgemeinschaft an einem Praxissitz
Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft:
- Vertragssitze der einzelnen beteiligten (Zahn-)Ärzt:innen befinden sich an unterschiedlichen Orten
- mehrere Praxen innerhalb einer KZV-/ KV-Region
Teil-Berufsausübungsgemeinschaft:
- einzelne Arztpraxen bestehen unabhängig voneinander
- Zusammenarbeit der einzelnen Praxen erfolgt hinsichtlich eines bestimmten (begrenzten) Leistungsspektrums
- oftmals unterschiedliche Fachgebiete
- KV-Zulassung wird nur befristet erteilt
KV-übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft:
- vergleichbar mit überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft (Vertragssitze an verschiedenen Orten)
- Unterschied: Vertragssitze liegen in unterschiedlichen KV-Gebieten
- zwingende Festlegung eines Hauptstandorts für mindestens zwei Jahre
Wie funktioniert die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft?
Die gemeinsame Praktizierung von (Zahn-)Ärzt:innen im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft muss der Zulassungsausschuss genehmigen.
Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, in dem auch der Gesellschaftszweck benannt ist, ist zwingend vorgeschrieben.
Weitere vertragliche Bestandteile sind:
- Regelung der Haftung nach außen
- Dauer der Gesellschaft
- Gesellschafterbeteiligung samt Gewinnbeteiligung
- Regelungen zur gemeinsamen Raumnutzung und Personalbeschäftigung
Bei der Berufsausübungsgemeinschaft handelt es sich um einen Zusammenschluss von Freiberufler:innen. Daher muss keine Gewerbeanmeldung bei der zuständigen Gemeinde erfolgen.
Die Gründung der Berufsausübungsgemeinschaft ist gemäß § 138 Abs. 1b iVm. Abs. 4 AO innerhalb von vier Wochen dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Dem Finanzamt muss ein sogenannter „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“ eingereicht werden. Auf dessen Basis erteilt das Finanzamt u. a. eine Steuernummer für die Praxis. Für die einzelnen Gesellschafter:innen wird daraus zusätzlich die private Einkommensteuervorauszahlung festgesetzt.
Wie erfolgt die Besteuerung des durch die Berufsausübungsgemeinschaft erzielten Praxisgewinns:?
Der erzielte Praxisgewinn der Berufsausübungsgemeinschaft unterliegt auf Gesellschaftsebene, nicht der Einkommensteuer. Jede(r) einzelne an der Berufsausübungsgemeinschaft beteiligte (Zahn-)Ärzt:in versteuert den auf sie oder ihn entfallenden Gewinnanteil im Rahmen ihrer oder seiner persönlichen Einkommensteuererklärung.
Die Berufsausübungsgemeinschaft muss eine sogenannte „gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung“ erstellen und dem für die Praxis zuständigen Finanzamt einreichen.
Die an der Berufsausübungsgemeinschaft beteiligten (Zahn-)Ärzt:innen erzielen aus ihrer Beteiligung jeweils Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG .
Muss eine Berufsausübungsgemeinschaft Gewerbesteuer zahlen?
Als Zusammenschluss mehrerer Freiberufler:innen unterliegt der im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft erzielte Praxisgewinn grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer.
Es gibt jedoch Ausnahmen. Bei den beiden folgenden Konstellationen ist Vorsicht geboten, da hier jeweils eine Gewerbesteuerfalle droht:
- Beteiligung eines/einer weiteren Beteiligten, der/die kein Freiberufler:in, sondern Gewerbetreibende/r ist
- Ausübung einer nicht (zahn)ärztliche Nebentätigkeit im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft
Liegt eine der beiden Konstellationen vor, hat dies zur Folge, dass die gesamte freiberufliche Berufsausübungsgemeinschaft gewerblich infiziert wird und fortan gewerbliche Einkünfte erzielt. Dies hat u. a. zur Folge, dass die Berufsausübungsgemeinschaft gewerbesteuerpflichtig wird.
Gemäß Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH vom 27.8.2014, VIII R 16/11, BStBl II 2015, 996 BFH, Urteil v. 27.08.2014 – VIII R 16/11 – NWB Urteile) tritt eine gewerbliche Umqualifizierung lediglich dann nicht in Kraft, wenn im Falle der zweiten Konstellation (nicht (zahn-)ärztliche Nebentätigkeit), die Nettoumsätze aus dieser Tätigkeit weniger als 3 % der Gesamtumsatzerlöse der Berufsausübungsgemeinschaft und nicht mehr als EUR 24.500,00 betragen. Diese Bagatellgrenzen gelten jedoch nicht im Falle der Beteiligung eines Nicht-Freiberuflers an der Gesellschaft.
Ist es gewünscht, dass die Berufsausübungsgemeinschaft eine nicht (zahn-)ärztliche Tätigkeit ausüben soll, kann die Gewerblichkeit der gesamten Berufsausübungsgemeinschaft vermieden werden. Dazu wird eine zweite (personenidentische) Gesellschaft gegründet, die dann diese Nebentätigkeit ausübt. Hierdurch erfolgt eine klare Trennung zwischen (zahn-)ärztlicher und nicht (zahn-)ärztlicher Tätigkeit.
Muss eine Berufsausübungsgemeinschaft Umsatzsteuer zahlen?
Die von (Zahn-)Ärztinnen im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft erbrachten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind gemäß § 4 Nr. 14 Buchstabe a) UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Berufsausübungsgemeinschaft muss keine Umsatzsteuer auf ihre Behandlungsumsätze erheben, kann im Gegenzug aber auch keine Vorsteuer aus den bezogenen Eingangsleistungen ziehen.
Allerdings unterliegen insbesondere bestimmte IGeL der Umsatzsteuer. Sofern die Umsätze der gesamten Berufsausübungsgemeinschaft aus diesen Leistungen im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als EUR 22.000,00 betragen haben und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als EUR 50.000,00 betragen werden, kann die sogenannte „Kleinunternehmer-Regelung“ gemäß § 19 UStG in Anspruch genommen werden. Folglich muss dann trotz grundsätzlicher Umsatzsteuerpflicht keine Umsatzsteuer erhoben werden.
Wie erfolgt die Gewinnermittlung?
Als Zusammenschluss von mehreren Freiberufler:innen ist die Berufsausübungsgemeinschaft nicht zur Bilanzierung verpflichtet. Sie kann ihren Praxisgewinn im Rahmen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln. Dies ist in § 4 Abs. 3 EStG geregelt.
Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung handelt es sich um eine vereinfachte Gewinnermittlung. Die Praxiseinnahmen werden den Praxisausgaben gegenübergestellt. Hierbei gilt das sogenannte „Zufluss-/ Abfluss-Prinzip“: Praxiseinnahmen stellen im Zeitpunkt des Zahlungseingangs eine Einnahme dar und Praxisausgaben stellen im Zeitpunkt der tatsächlichen Begleichung der Rechnung eine Ausgabe dar.
Der Berufsausübungsgemeinschaft bleibt es aber vorbehalten, freiwillig zu bilanzieren. Dies kann unter bestimmten Umständen sinnvoll sein.
Welche Vor- und Nachteile bietet die Berufsausübungsgemeinschaft?
Vorteile
- Teilung von Kosten (z. B.: Raummiete, Personalkosten, Kosten für Leasing bzw. Neuanschaffungen von Praxisgeräten, anderen laufenden Kosten, etc.)
- Verwaltungs-/ Abrechnungsarbeiten fallen nicht pro (Zahn-)Arzt, sondern nur einmal für die Berufsausübungsgemeinschaft an
- Vertretung der einzelnen (Zahn-)Ärzt:innen untereinander möglich
- Zusammenschluss von (Zahn-)Ärzt:innen unterschiedlicher Fachgruppen möglich, wodurch die Praxis insgesamt ein breiteres Leistungsspektrum oder mehrere Spezialisierungen gleichzeitig anbieten kann
- steuergünstige Möglichkeiten im Rahmen der Nachfolge (beim Ausscheiden eines (Zahn-)Arztes bzw. einer (Zahn-)Ärzt:in aus der Berufsausübungsgemeinschaft
Nachteile
- Einschränkungen in der persönlichen Entscheidungsfreiheit des bzw. der (Zahn-)Ärzt:in
- evtl. Konfliktpotenzial aufgrund unterschiedlicher Einstellungen/ Vorstellungen
- teilweise schwere Trennbarkeit der Berufsausübungsgemeinschaft
Unsere Einschätzung:
Der Zusammenschluss zu einer Berufsausübungsgemeinschaft muss gut durchdacht werden. Einerseits bringt diese Praxisform viele Vorteile, andererseits birgt sie aber auch Konfliktpotenzial. Im Vorteil gegenüber der Einzelpraxis ist die Kooperation und damit die Teilung bestimmter Kosten. Wichtige Weichenstellung: Man sollte sich rechtzeitig die Frage stellen, ob man eher der Typ Einzelkämpfer ist oder an manchen Stellen auch kompromissbereit ist.