12. Dezember 2024
Real-Bilanzpolitik: Praxisorientierte Gestaltungsideen zum Jahresende
Inhaltsverzeichnis
Das Jahresende naht, und für viele Unternehmen bedeutet das: höchste Zeit, den Jahresabschluss für das Vorjahr zu veröffentlichen. Ein genauer Blick auf den Jahresabschluss des laufenden Geschäftsjahres kann jedoch bereits jetzt sinnvoll sein. Viele bilanzpolitische Gestaltungsoptionen erfordern tatsächliches Handeln vor dem Abschlussstichtag. Dies kann notwendig sein, um gezielt die Bilanzstruktur und -kennzahlen zu beeinflussen, die Größenklasse der Kapitalgesellschaft zu steuern, steuerliche Begünstigungen zu nutzen oder steuerliche Sanktionsvorschriften zu vermeiden. Neben gesetzlichen Wahlrechten im Bereich von Ansatz und Bewertung der Bilanzposten gibt es auch faktische Wahlrechte, die reale Maßnahmen erfordern. Im Folgenden stellen wir einige praxisorientierte Ansätze zur Real-Bilanzpolitik vor, die sich bis zum Jahresende umsetzen lassen. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Liste nicht abschließend ist.
Bilanzkennzahlen
- Sale-and-Lease-Back-Modelle: Durch den Verkauf von Anlagevermögen und anschließendes Leasing wird das Vermögen aus der Bilanz entfernt und die Liquidität verbessert.
- Tilgung von Verbindlichkeiten: Reduzieren Sie Fremdkapital durch Tilgungen, um die Eigenkapitalquote zu verbessern.
- Factoring: Der Verkauf von Forderungen kann, bei sinnvollem Einsatz, die Liquidität verbessern und Vorfinanzierungsrisiken verkleinern.
Ergebnis verbessern
- Stille Reserven identifizieren und nutzen: Stille Reserven entstehen durch Unterbewertung von Vermögenswerten oder Überbewertung von Schulden. Diese können beispielsweise im Anlagevermögen durch gestiegene Immobilienwerte oder im Umlaufvermögen (z. B. Vorräte) enthalten sein. Prüfen Sie, ob eine Auflösung stiller Reserven zur Ergebnisverbesserung sinnvoll ist. Beachten Sie dabei mögliche steuerliche Konsequenzen.
- Langfristige Projekte abschließen: In langfristigen Projekten können stille Reserven enthalten sein, da teilfertige Leistungen erst bei Erreichen bestimmter Kriterien in die Forderungsrealisation übergehen. Prüfen Sie, ob noch Projekte zum Abschluss gebracht werden können.
- Gegenteilige Strategie bei Ergebnissteuerung: Wenn keine Realisation der Gewinne vor dem Stichtag gewünscht ist, sollten entsprechende Maßnahmen geprüft werden.
Größenklasse steuern
Die Größenklasse einer Kapitalgesellschaft sowie bestimmter Personengesellschaften bestimmt unter anderem, ob sie prüfungspflichtig oder welche Detailtiefe bei der Veröffentlichung des Jahresabschlusses erforderlich ist. Die Einteilung erfolgt anhand der Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl. Eine strategische Planung bis zum Jahresende kann helfen, die Schwellenwerte zu beeinflussen und die Einstufung in eine kleinere Größenklasse aufrechtzuerhalten.
- Bilanzsumme senken:
- Ausschüttung von Gewinnen: Senken Sie das Eigenkapital durch Gewinnausschüttungen, sofern die Liquidität dies erlaubt.
- Tilgung von Verbindlichkeiten: Reduzieren Sie Fremdkapital durch Tilgungen, um die Bilanzsumme zu verringern, sofern die Liquidität dies erlaubt.
- Umsatzerlöse begrenzen:
- Endgültige Leistungserbringung ins nächste Jahr verschieben: Verlegen Sie den Abschluss der Leistungserbringung in das kommende Geschäftsjahr, um erzielbare Umsätze ins neue Jahr zu verlagern. Dadurch erfolgt die Rechnungsstellung ebenfalls erst im nächsten Jahr.
- Mitarbeiterzahl optimieren:
- Eine „Optimierung“ der Mitarbeiterzahl lässt sich aufgrund der Kurzfristigkeit zum Jahresende eher nicht mehr real umsetzen.
Eigenkapitalquote verbessern
Eine starke Eigenkapitalquote verbessert Ihr Rating und Ihre Kreditwürdigkeit. Folgende Möglichkeiten kommen beispielsweise in Betracht:
- Prüfen Sie die Möglichkeit von Kapitalerhöhungen durch Gesellschafter:innen.
- Erwägen Sie die Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital.
- Thesaurieren Sie Gewinne, anstatt sie auszuschütten.
- Nutzen Sie Mezzanine-Finanzierungsinstrumente, die bilanziell als Eigenkapital gelten.
Steuerrechtliche Begünstigungen / Sanktionsvermeidung
Einige steuerliche Vergünstigungen setzen voraus, dass bestimmte Maßnahmen innerhalb einer festgelegten Frist durchgeführt werden. Ein Beispiel dafür ist die Investitionsförderung nach § 7g EStG oder die Reinvestition nach § 6b EStG. Da viele Unternehmen ihr Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr synchronisieren, enden diese Fristen häufig am 31. Dezember. Um von diesen Begünstigungen zu profitieren und sie nicht zu verlieren, sollten Sie rechtzeitig handeln und entsprechende Investitionen bis Jahresende umsetzen.
Die strategische Planung von Einlagen und Entnahmen zum Jahresende kann erhebliche steuerliche Auswirkungen haben. Besonders relevant sind hierbei die Regelungen nach §§ 4 Abs. 4a, 15a und 34a EStG. Eine sorgfältige und frühzeitige Planung kann helfen, steuerliche Vorteile zu maximieren und potenzielle Nachteile zu vermeiden.
Optimierung des Schuldzinsenabzugs (§ 4 Abs. 4a EStG)
Laut § 4 Abs. 4a EStG kann der Abzug von Schuldzinsen eingeschränkt werden, wenn ein Unternehmen mehr entnimmt, als es tatsächlich erwirtschaftet oder einlegt. Das passiert, wenn die Entnahmen eines Geschäftsjahres die Summe aus Gewinn und Einlagen übersteigen. In diesem Fall dürfen nicht alle Schuldzinsen steuerlich abgezogen werden.
Welche Möglichkeiten gibt es?
- Überprüfen Sie, ob Ihre Entnahmen in diesem Jahr möglicherweise zu Überentnahmen führen.
- Durch zusätzliche Einlagen bzw. Reduzierung der Entnahmen bis zum Jahresende können Sie den Umfang der Überentnahmen reduzieren und damit den Abzug von Schuldzinsen sichern.
- Eine Erhöhung des steuerrechtlichen Ergebnisses kann ein Mehrpotenzial für Entnahmen geschaffen werden.
Verlustverrechnung bei Kommanditist:innen (§ 15a EStG)
Nach § 15a EStG können Kommanditist:innen Verluste nur bis zur Höhe ihrer geleisteten Einlagen verrechnen. Werden Einlagen erst in späteren Geschäftsjahren erbracht, erhöhen diese nicht rückwirkend die Möglichkeit, Verluste auszugleichen. Deshalb ist es wichtig, zusätzliche Einlagen noch im Jahr des Verlustes vorzunehmen, um das Verlustausgleichsvolumen zu erhöhen. Dabei zählt ausschließlich der Betrag, der tatsächlich eingezahlt wurde.
Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG)
Ein besonderer Vorteil für Einzelunternehmen und Personengesellschaften liegt darin, dass sie nicht entnommene Gewinne nach § 34a EStG zu einem ermäßigten Steuersatz von 28,25 % versteuern können. Dieser Steuersatz ist in der Regel niedriger als der individuelle Einkommensteuersatz.
Um diese Begünstigung optimal zu nutzen, sollten Sie Ihre Entnahmestrategie überprüfen. Es könnte sinnvoll sein, Gewinne im Unternehmen zu belassen, anstatt sie auszuschütten. Wenn Sie bereits geplant haben, Gewinne zu entnehmen, kann es von Vorteil sein, diese Entnahme auf das nächste Geschäftsjahr zu verschieben, um die Begünstigung in Anspruch zu nehmen.
Wichtiger Hinweis:
Die Entscheidung, Einlagen zu leisten oder Gewinne im Unternehmen zu belassen, sollte nicht allein aus steuerlicher Sicht getroffen werden. Solche Maßnahmen können auch andere Konsequenzen haben, wie z. B. Auswirkungen auf die Verlusttragung oder mögliche Schenkungen an Mitgesellschafter:innen. Deshalb ist es empfehlenswert, diese Schritte immer mit einer Steuerberaterin oder einem Steuerberater abzustimmen.
Unsere Einschätzung
Bilanzpolitik ist ein wertvolles Instrument, um die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens gezielt zu steuern. Dabei sollten jedoch stets die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Transparenzpflichten im Auge behalten werden. Insbesondere bei steuerlichen Optimierungen empfiehlt es sich, eng mit einer Steuerberaterin oder einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüferin oder Wirtschaftsprüfer zusammenzuarbeiten, um Fallstricke zu vermeiden.
Auch die sorgfältige Planung von Einlagen und Entnahmen zum Jahresende hinsichtlich der steuerrechtlichen Regelungen kann sich auszahlen. Sie kann helfen, den Schuldzinsenabzug zu optimieren, das Verlustausgleichsvolumen zu erhöhen oder die Thesaurierungsbegünstigung optimal zu nutzen. Ziehen Sie eine professionelle Steuerberatung in Betracht, um die für Ihr Unternehmen beste Strategie zu entwickeln und alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen.
Bei Fragen stehen wir vom KSO-Team gerne zur Verfügung. Wir stehen Ihnen zur Verfügung.