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23. Oktober 2024

Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Gewinnausschüttungen an Anteilseignende erfolgen in der Regel nach den Beteiligungsverhältnissen. Für Kapitalgesellschaften besteht jedoch die Möglichkeit, von dieser Regelung abzuweichen, indem sogenannte inkongruente oder disquotale Gewinnausschüttungen vereinbart werden. In diesem Artikel erfahren Sie, was Sie über disquotale Gewinnausschüttungen wissen sollten, wie sie in der Praxis umgesetzt werden und welche Aspekte bei ihrer Anwendung zu beachten sind, sowie wichtige Informationen zur Besteuerung solcher Ausschüttungen im Rahmen des Einkommensteuergesetzes (EStG). 

Inkongruente Gewinnausschüttungen: Definition und Bedeutung 

In unserem Beitrag vom 02. Mai 2023 sind wir bereits genauer auf das Thema inkongruente Gewinnausschüttungen mit Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.09.2022 eingegangen. Dort erfahren Sie, was inkongruente Gewinnausschüttungen sind und welche Gründe es gibt, von den Beteiligungsverhältnissen abzuweichen.  

Wie reagiert die Finanzverwaltung auf das BFH-Urteil vom 28.09.2022? 

Bisher galten für die Besteuerung und die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013) folgende Voraussetzungen:  

  • Entweder war im Gesellschaftsvertrag dauerhaft ein anderer Verteilungsmaßstab festgelegt 

oder  

  • Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Klausel, nach der jährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter:innen oder einstimmig über eine von der satzungsgemäßen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden konnte.  

Das bedeutet, dass inkongruente Gewinnausschüttungen nur möglich waren, wenn die entsprechende Grundlage in der Satzung der Kapitalgesellschaft verankert war. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.09.2022 widersprach dieser bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung.  

Mit BMF-Schreiben vom 04.09.2024 schloss sich die Finanzverwaltung der Meinung des Bundesfinanzhofs an. Damit hat das Finanzamt die Möglichkeit eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses für eine inkongruente Gewinnausschüttung grundsätzlich anzuerkennen.  

Inkongruente Gewinnausschüttungen in der Praxis: Ein Fallbeispiel 

Im Folgenden wird anhand eines Fallbeispiels näher auf die Möglichkeit einer inkongruenten Gewinnausschüttung eingegangen.  

An der A-GmbH sind die Gesellschafter:innen A, B, C und D zu gleichen Teilen am Stammkapital beteiligt (jeweils 25%). Im abgelaufenen Jahr erwirtschaftete die GmbH einen Gewinn in Höhe von 100.000, – €, der in voller Höhe an die gesellschaftende Person ausgeschüttet werden soll. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Ausschüttungen entsprechend den Beteiligungsquoten erfolgen sollen. Weitere Vereinbarungen zur Gewinnverteilung wurden nicht getroffen. 

Gewinnausschüttung anhand der Beteiligungsverhältnisse  

Aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung erhalten alle Gesellschafter:innen eine Ausschüttung von 25.000, – €. Weiterhin ist nichts zu veranlassen.  

Disquotale Ausschüttung  

Die Gesellschaft beschließt, dass A und B (z.B. aufgrund besonderer Leistungen) jeweils 30.000, – € erhalten sollen und C und D jeweils nur 20.000, – €. Nun stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese Gewinnverteilung auch steuerlich anzuerkennen ist und wie die Besteuerung dieser Ausschüttungen erfolgt.   

Dauerhaft abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag  

Die Regelung im Gesellschaftsvertrag über die Verteilung von Gewinnausschüttung kann nachträglich durch Zustimmung der Gesellschafter:innen, insbesondere derjenigen, die von der Veränderung nachteilig betroffen sind, dauerhaft geändert werden. Im oben beschriebenen Fall bedarf es somit der Zustimmung von C und D, da beide jeweils 5.000, – € weniger erhalten, als ihnen gemäß ihrer Beteiligungsquote zusteht.  

Da jedoch disquotale Gewinnverteilungen oftmals nicht für einen längeren Zeitraum bestehen, sondern nur für einzelne Jahre gelten können, erscheint eine dauerhafte Änderung der Gewinnausschüttungsquoten im Rahmen des Gesellschaftsvertrags nur in wenigen Fällen sinnvoll.  

Damit diese Änderung wirksam ist, müssen alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung erfüllt sein. Hierzu gehören insbesondere die notarielle Beurkundung und die Eintragung ins Handelsregister. Beides ist zeitintensiv und mit Kosten verbunden. Sollte die Gesellschaft sich im darauffolgenden Jahr dazu entscheiden, wieder nach den Beteiligungsverhältnissen auszuschütten oder einen anderen Maßstab wählen, müsste der Gesellschaftsvertrag erneut geändert werden.  

Öffnungsklausel für abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag  

Nach der bisherigen Verwaltungspraxis kann der Gesellschafsvertrag eine sogenannte Öffnungsklausel enthalten, nach der mit Zustimmung der Gesellschafter:innen (hier wieder insbesondere C und D) eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann.  

Die Ergänzung des Gesellschaftsvertrags bedarf jedoch ebenfalls der notariellen Beurkundung und muss ins Handelsregister eingetragen werden. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, eine Öffnungsklausel bereits bei der Gründung einer GmbH aufzunehmen. Sofern nun besondere (wirtschaftliche bzw. geschäftliche) Umstände dazu führen, dass einige Gesellschafter:innen, wie im Beispiel A und B, einen höheren Gewinnanteil erhalten sollen, kann dies mit einem Gesellschafterbeschluss situationsabhängig beschlossen werden, ohne dass es zu einem Satzungsbruch kommt. In den Folgejahren kann wieder zu den regulären Beteiligungen am Stammkapital ausgeschüttet werden. 

Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss 

Die Akzeptanz eines punktuell satzungsdurchbrechenden Gewinnausschüttungsbeschlusses erfolgte erstmals mit dem BFH-Urteil vom 28.09.2022. Ein satzungsdurchbrechender Beschluss liegt demnach vor, wenn die betroffene Maßnahme lediglich einen Einzelakt darstellt, sodass zwar eine von der Satzung abweichende Regelung getroffen wird und somit die Satzung verletzt ist, diese Maßnahme aber nicht für die Zukunft gilt (keine Dauerwirkung). Dieser Beschluss ist als zivilrechtlich wirksam anzusehen und gilt auch steuerrechtlich, wenn bei der Beschlussfassung alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 53 Absatz 3 Satz 1, § 54 Absatz 1 GmbHG) eingehalten werden.  

Im oben genannten Beispiel hätten die Gesellschafter:innen A, B, C und D in einer Gesellschafterversammlung einen Beschluss mit den Stimmen aller Gesellschaften fassen müssen, der von keinem angefochten werden kann. Dieser Beschluss hätte jedoch ebenfalls notariell beurkundet und in das Handelsregister angemeldet werden müssen, sodass im Ergebnis ein ähnlicher Aufwand entsteht wie bei einer tatsächlichen Satzungsänderung. Die Gefahr der Nichtigkeit eines solchen satzungsdurchbrechenden Beschlusses bleibt bestehen. 

Zu empfehlen ist daher, stets eine Öffnungsklausel in der Satzung vorzusehen. 

Können Ausschüttungen zeitlich versetzt erfolgen? Voraussetzungen und Möglichkeiten 

Im neuen BMF-Schreiben wird auch die gespaltene Gewinnverwendung mit einer zeitlich inkongruenten Gewinnausschüttung behandelt. Erfreulicherweise akzeptiert die Finanzverwaltung grundsätzlich einen Beschluss, der vorsieht, dass ein Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird. Dies gilt auch dann, wenn gleichzeitig die Gewinnanteile anderer Gesellschafter:innen, einschließlich minderheitsgesellschaftende Personen, ausgeschüttet werden. 

Wann gespaltene Gewinnausschüttungen bei beherrschenden Gesellschafterinnen oder beherrschenden Gesellschaftern keine Dividenden auslösen 

Werden den beherrschenden Gesellschafter:innen Gewinnanteile nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt, gelten die Anteile entgegen der bisherigen Auffassung nicht als Zufluss von Kapitalerträgen gemäß den Bestimmungen des EStG. Diese Entscheidung erfolgte aufgrund des BFH-Urteils vom 28.09.2021 (VIII R 25/19). Voraussetzung ist jedoch, dass eindeutig beschlossen wird, dass keine Ausschüttung erfolgen soll, sondern eine Einstellung des Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage. Dadurch wird erreicht, dass ein fiktiver Zufluss bei beherrschenden Gesellschaftern oder beherrschenden Gesellschafterinnen nicht vorliegt. 

Gelten inkongruente Gewinnausschüttungen auch für Aktiengesellschaften? 

Inkongruente Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften sind nur anzuerkennen, wenn diese in der Satzung festgelegt sind. Eine Öffnungsklausel oder punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse, wie sie bei der GmbH möglich sind, finden hier ausdrücklich keine Anwendung.  

Unsere Einschätzung: Was Sie bei inkongruenten Gewinnausschüttungen beachten sollten 

Durch die Anerkennung der satzungsdurchbrechenden Gewinnverteilung durch die Finanzverwaltung wurde eine weitere Möglichkeit geschaffen, um disquotale Gewinnausschüttungen vorzunehmen. Auch wenn diese Möglichkeit zunächst, wie eine Erleichterung erscheint, muss dennoch auf die Einzelheiten geachtet werden, damit eine zivilrechtliche und somit auch steuerrechtliche Wirksamkeit erreicht wird. Durch die Notwendigkeit der notariellen Beurkundung und der Eintragung in das Handelsregister bleibt der Anwendungsbereich unserer Einschätzung nach klein, da in vielen Fällen eine Öffnungsklausel in der Satzung die zu bevorzugende Lösung bleiben wird. In jedem Fall sollte nicht auf eine gesellschaftsrechtliche und steuerliche Beratung verzichtet werden.  

Denken Sie über eine inkongruente Gewinnausschüttung nach und brauchen Sie Hilfe bei der Erstellung entsprechender Beschlüsse oder Satzungsänderungen? Dann melden Sie sich gerne bei uns. Unser Team aus Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen unterstützt Sie gerne.  

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