
30. Oktober 2024
Steuerliche Behandlung von Auszahlungen bei einer Genossenschaft: Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts
Die steuerliche Behandlung von Auszahlungen an Genossenschaftsmitglieder, die aufgrund der Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts erfolgen, unterliegen der Körperschaftsteuerpflicht.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 8. Mai 2024 (Az. I R 37/21) klargestellt, dass solche Auszahlungen nach der Reduzierung des Anteilswerts einer Genossenschaft gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 KStG körperschaftsteuerpflichtig sind. Eine steuerliche Ausnahme, wie sie beispielsweise bei der Rückzahlung von Nennkapital besteht, greift in diesem Fall nicht.
Sachverhalt des Streitfalls
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine steuerbefreite Genossenschaft, die Milchprodukte vermarktet. Die Genossenschaftsmitglieder, hauptsächlich Landwirt:innen, besitzen Anteile, deren Anzahl regelmäßig auf Basis der gelieferten Milchmenge angepasst wird. Auf Antrag wurde die Körperschaftsteuer für die Genossenschaft ausschüttungsunabhängig nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG festgesetzt.
Im Jahr 2017 beschloss die Genossenschaft, den Wert der Anteile von 75 € auf 1 € zu senken. Dies wurde auch ins Genossenschaftsregister eingetragen. Die entsprechenden Auszahlungsbeträge wurden zunächst als Verbindlichkeiten gegenüber den Mitgliedern verbucht und im März 2018, nach Ablauf der Sperrfrist, ausgezahlt.
Das zuständige Finanzamt (FA) betrachtete diese Auszahlungen als steuerpflichtige Leistungen im Sinne von § 38 Abs. 1 und 2 KStG und setzte eine Erhöhung der Körperschaftsteuer fest. Während das Finanzgericht (FG) der Klage der Genossenschaft stattgab, hob der BFH das Urteil in der Revision auf und bestätigte die Auffassung des Finanzamts.
Ausschüttungsunabhängige Körperschaftsteuer nach § 38 KSt
§ 38 KStG wurde i.Z.m. mit der Umstellung vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren bei der Besteuerung von Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften eingeführt. Maßgeblich ist hier der positive Bestand des sogenannten „Eigenkapitaltopfs“ (EK 02), der steuerfreie Erträge aus der Vergangenheit enthält. Wird dieser Eigenkapitaltopf verringert, führt dies gemäß § 38 KStG zur Steuerpflicht. Konkret sieht § 38 Abs. 2 Satz 1 KStG vor, dass die Körperschaftsteuer um 3/7 der Leistungen erhöht wird, durch die sich das EK 02 reduziert.
Eine Körperschaftsteuererhöhung erfolgt, wenn die ausgeschütteten Leistungen die Differenz zwischen ausschüttbarem Gewinn und Steuererhöhungsbetrag übersteigen. Rückzahlungen von Nennkapital an ausgeschiedene Genossenschaftsmitglieder sind von dieser Regelung ausgenommen.
Auswirkung des BFH-Urteils auf den Streitfall
Der BFH stellte klar, dass unter dem Begriff der „Leistung“ im Sinne von § 38 Abs. 1 und 2 KStG alle Auszahlungen fallen, die im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis stehen. Dazu zählen auch Zahlungen, die aufgrund der Herabsetzung des Anteilswerts an Genossenschaftsmitglieder erfolgen.
Nach der Rechtsauffassung des BFH wollte der Gesetzgeber auch Rückzahlungen von Nennkapital und Einlagenrückgewähr als steuerpflichtig behandeln. Ausdrücklich ausgenommen ist nur der Fall, wenn ein Mitglied aus der Genossenschaft austritt und sein Geschäftsguthaben zurückerhält (§ 38 Abs. 1 Satz 6 KStG). Da im vorliegenden Fall kein Austritt der Mitglieder erfolgte, sind die Auszahlungen aufgrund der Anteilsherabsetzung körperschaftsteuerpflichtig.
Unsere Einschätzung
Das BFH-Urteil verdeutlicht, der Gesetzgeber sämtliche Rückzahlungen an Gesellschafterinnen und Gesellschafter, unabhängig von der Rechtsform, der Körperschaftsteuer unterwerfen wollte. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift, also eine Einschränkung des Gesetzeszwecks, ist nicht vorgesehen. Für Genossenschaften bedeutet dies, dass auch Rückzahlungen aufgrund einer Reduzierung des Geschäftsanteilswerts steuerpflichtig sind, sofern keine Ausnahmeregelungen greifen. Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere Steuerberater Wilhelm Kollenbroich oder Christian Kappelmann.