24. April 2020
EU-Definition: Unter diesen Umständen befindet sich ein Unternehmen “in Schwierigkeiten”
Inhaltsverzeichnis
- EU-Definition: Wann befindet sich ein Unternehmen “in Schwierigkeiten”?
- Die Sonderstellung kleiner und mittelständischer Unternehmen
- Was bedeutet das für meine Gesellschaftsform?
- Welche Rolle spielt die Insolvenzantragspflicht für die Beurteilung, ob ein Unternehmen als “in Schwierigkeiten” gilt?
- Unsere Einschätzung
In der aktuellen Krise kann die Wirtschaft auf verschiedene staatliche Hilfsprogramme zurückgreifen. Die meisten gelten nicht für Unternehmen, die sich vor dem Stichtag des 31. Dezember bereits “in Schwierigkeiten” befanden. Wir erklären, was das konkret bedeutet.
Update (12. August 2020): Aufgrund einer geänderten Auffassung der der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ haben wir unseren Beitrag angepasst. Unser Update finden Sie im Text in kursiver Schrift hervorgehoben.
Die Einschränkungen gelten für diverse Hilfen in der Corona-Krise. So wollen Behörden vermeiden, dass Unternehmen, die bereits vor Ausbruch der Krise kein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen konnten, staatliche Corona-Hilfen erhalten.
Allerdings ist eine klare Bestimmung, ab wann ein Unternehmen als in Schwierigkeiten gilt, nicht immer einfach. Generell gilt hier die EU-Definition.
EU-Definition: Wann befindet sich ein Unternehmen “in Schwierigkeiten”?
Nach der EU-Definition ist ein Unternehmen “in Schwierigkeiten”, wenn es mindestens eine der fünf folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- Im Falle einer Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH oder AG) muss mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen sein. Das ist der Fall, wenn nach Abzug der Verluste von den Rücklagen und allen sonstigen Elementen, die im Allgemeinen den Eigenmitteln des Unternehmens zugerechnet werden, ein negativer Betrag steht, der mehr als der Hälfte des Stammkapitals entspricht.
- In Gesellschaften, in denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt haften (z.B. OHG oder KG), muss mehr als die Hälfte der in den Büchern ausgewiesenen Mitteln durch aufgelaufene Verluste verlorengegangen sein.
- Das Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder erfüllt die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger.
- Das Unternehmen hat eine Rettungsbeihilfe erhalten und hat den Kredit noch nicht zurückgezahlt oder die Garantie läuft noch oder das Unternehmen hat eine Umstrukturierungsbeihilfe erhalten und unterliegt einem Umstrukturierungsplan.
- Bei Unternehmen, die nicht als kleine und mittelständische Unternehmen gelten (KMU), liegt der Verschuldungsgrad über 7,5 und das Verhältnis der Gewinne vor allen Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) liegt unter 1,0.
Die Sonderstellung kleiner und mittelständischer Unternehmen
Neu gegründete kleine und mittelständische Unternehmen werden in den ersten drei Jahren grundsätzlich nicht als Unternehmen “in Schwierigkeiten” bewertet. Das gilt dann nicht, wenn über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder das Unternehmen die Voraussetzungen für den Insolvenzantrag durch einen Gläubiger erfüllt.
Was bedeutet das für meine Gesellschaftsform?
Kapitalgesellschaften
In Kapitalgesellschaften können Sie Rücklagen und Sonderposten mit Rücklageanteil dem Eigenkapital zurechnen. Gleiches gilt für eigenkapitalersetzende Mittel. Eigenmittel in diesem Sinne sind nach der Auffassung der EU grundsätzlich solche Positionen, die nach internationalen Rechnungslegungsstandards als Eigenmittel anzusehen sind. Die KfW definiert in einer Verlautbarung aus 07/2020 abweichend zu einer früheren Auffassung, dass Nachrangdarlehen, also z.B. Gesellschafterdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt, als Fremdkapital einzustufen sind und somit nicht eigenkapitalersetzend sein können. Stille Beteiligungen und Genussrechte können gemäß Auffassung der KfW abhängig von ihrer Ausgestaltung aber als Eigenmittel zu qualifizieren sein.
Stille Reserven können grundsätzlich berücksichtigt werden. In diesem Fall erfolgt die Bewertung allerdings unter Ansatz von Liquidationswerten unter Berücksichtigung der stillen Reserven.
Kommanditgesellschaften, Offene Handelsgesellschaften & Gesellschaften bürgerlichen Rechts
Grundsätzlich gelten hier die gleichen Bestimmungen wie bei Kapitalgesellschaften, wenn eine Buchführungspflicht (nach §§ 238 ff.HGB) besteht.
Dabei stellt man auf die in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ab.
Was bedeutet das für Einzelkaufleute und Unternehmer?
Bei Einzelkaufleuten und Einzelunternehmern ist nur zu prüfen, ob eine Insolvenz vorliegt oder eine Insolvenzantragspflicht besteht.
Ansonsten sollte eine unternehmensbezogene Betrachtung erfolgen.
Dabei können Einzelkaufleute mehrere Unternehmen unterhalten. Jeweilige unternehmensbezogene Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten müssen berücksichtigt werden. Nicht zu berücksichtigen sind private Vermögen, private Verbindlichkeiten und mit dem Handelsgewerbe nicht in Verbindung stehende Vermietungen und Verpachtungen.
Welche Rolle spielt die Insolvenzantragspflicht für die Beurteilung, ob ein Unternehmen als “in Schwierigkeiten” gilt?
Die Beurteilung, ob ein Unternehmen als “in Schwierigkeiten” bewertet wird, erfolgt zum Stichtag des 31. Dezember 2019. Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht gilt ab dem ersten März 2020 und ist damit unerheblich.
Unsere Einschätzung
Tatsächlich kann es sein, dass die Abgrenzung, ob ein Unternehmen in Schwierigkeiten steckt, schwer fällt. In diesem Fall bedarf es einer genauen Analyse aller vorliegenden Daten.
Da eine Prüfung in der Corona-Krise im Regelfall auf den 31.12.2019 zu erfolgen hat, empfehlen wir Ihnen, den Jahresabschluss zum 31.12.2019 schnellstmöglich fertig zu stellen.
Das gilt umso mehr, wenn die Bewertung, ob es sich bei Ihrem um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, grenzwertig ist. Zumindest sollte ein plausibler vorläufiger Abschluss bestehen, der keinen Raum für wesentliche offene Fragen lässt.
Sollten Sie Fragen haben oder sich bei der Einordnung unsicher sein, sprechen Sie uns bitte an. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
Die KfW hat die eigene Auffassung geändert und sieht Nachrangdarlehen nun zwingend als Fremdkapital an. Wir haben dazu eine abweichende Auffassung. Unseres Erachtens müssten Gesellschafterdarlehen mit einem qualifizierten Rangrücktritt wie Eigenkapital anzusehen sein. Insbesondere im Rahmen der Prüfung eines Überschuldungstatbestandes sind diese Nachrangdarlehen geeignet, eine bilanzielle Überschuldung zu beseitigen.
Im Rahmen der Überbrückungshilfe wird man von der entsprechenden Homepage auf die Verlautbarung der KfW verlinkt, so dass man (leider) davon ausgehen muss, dass die Auffassung der KfW zur Begutachtung der Voraussetzung „Unternehmen in Schwierigkeiten“ geteilt wird. Unsere Empfehlung: Es sollten in den Fällen, in denen diese Thematik zu Tage tritt, Anfragen beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gestellt werden. Wir werden dieses tun, da wir die Auffassung der KfW nicht teilen.