5. Oktober 2020

Laut Münchner Gericht muss Versicherer bei Betriebsschließung wegen Corona zahlen

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Ein Versicherer muss bei Corona-bedingter Betriebsschließung zahlen. So hat es ein Münchner Landgericht entschieden. Hier gibt es alle Infos zur Entscheidung mitsamt einer juristischen Einschätzung.

Die Streitfrage über Ansprüche Versicherter aus einer Betriebsschließungsversicherung für Pandemie-bedingte Schäden haben wir auf diesem Blog bereits mehrfach thematisiert. Am 01. Oktober entschied das Landgericht München I LG (Urteil vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20) nun zugunsten eines Gastwirtes und erteilte der Rechtsauffassung der Versicherer eine klare Absage.

Argumentation der Versicherer bei Corona-bedingter Betriebsschließung

Gastronomische Betriebe mussten aufgrund einer Allgemeinverfügung der bayerischen Staatsregierung Mitte März schließen. Gegen die Versuche zahlreicher Versicherungsnehmer, ihre Versicherung in Anspruch zu nehmen, intervenierten die Versicherer mit den bekannten Argumenten.

So argumentierten die Versicherer, dass Corona nicht wörtlich in den Versicherungsbedingungen aufgeführt sei. Zudem sei die Schließung nicht durch die richtige Behörde angeordnet worden. Für das Vorliegen eines Versicherungsfalls müsse außerdem eine Erkrankung in dem geschlossenen Betrieb selbst aufgetreten sein.

Landgericht stellt vertragsgemäße Zahlungspflicht der Versicherer fest

Dennoch urteilte die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Kammer des Landgerichts, dass der Versicherer vertragsgemäß zur Entschädigung verpflichtet sei. Auf die Rechtmäßigkeit und die Rechtsform der Schließungsanordnung käme es nicht an, so das Landgericht. Auch ein primäres Vorgehen gegen die Anordnung selbst durch den Versicherungsnehmer sei nicht erforderlich.

Ebenso erteilte das Gericht dem Argument der Versicherer eine Absage, dass ein Auftreten einer Erkrankung im versicherten Betrieb selbst erforderlich sei. Es argumentierte, dass es nach den Versicherungsbedingungen lediglich darauf ankomme, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei. Die einschlägige Allgemeinverfügung und nachfolgende Verordnung habe sich dementsprechend ausdrücklich auf die §§ 28-32 IfSG bezogen.

Ebenso dürfe ein Gastwirt nicht auf einen Außer-Haus-Verkauf verwiesen werden, wenn dies keine unternehmerische Alternative darstelle – für diesen daher unzumutbar sei – so das Landgericht.

Corona löst Versicherungsfall aus

Daneben entschied das Gericht den primär bestehenden Streitpunkt, ob das Covid-19-Virus einen Versicherungsfall überhaupt auslösen könne. Es bestätigte, dass Versicherungsbedingungen stets aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen seien und verbleibende Zweifel zu Lasten des Versicherers gehen. Schränke eine Versicherungsbedingung den Versicherungsschutz ein, müsse der Versicherungsnehmer dennoch deutlich erkennen können, wofür Schutz bestehe, sonst sei die Klausel intransparent und unwirksam.

Infolgedessen könne es einem Versicherten nicht zugemutet werden, die fortschreitenden Veränderungen der im Infektionsschutzgesetz gelisteten Krankheiten im Blick zu halten und mit seinen Versicherungsbedingungen abzugleichen.

Versicherer müssen trotz staatlicher Soforthilfen in der Corona-Krise zahlen

Schließlich erteilte das Gericht dem Versuch der Versicherer, Kurzarbeitergeld und staatliche Soforthilfen auf den Schaden anzurechnen, eine Absage. Diese seien nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich nicht um Schadensersatzzahlungen für Betriebsschließungen handele.

Diese Auffassung sollte gerade die Bayerische Landesregierung treffen, die gemeinsam mit etlichen Versicherern eine Kulanz-Lösung entwickelt hatte, nach der Versicherte 15 Prozent des entstandenen Schadens ersetzt bekommen sollten. Dieser Lösung hatten sich bundesweit sodann viele Versicherer angeschlossen.

Unsere Einschätzung

Trotz der Tatsache, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig und eine Berufung zulässig ist, bestätigt es die Rechtsauffassung zugunsten der Versicherten erneut.

Es bringt Gewissheit, dass keinesfalls vorschnell auf etwaige Kulanz-Angebote der Versicherer eingegangen werden sollte. Zudem zeigt es, dass sich nun umso mehr ein Blick in die Versicherungsbedingungen lohnt. Weitere noch ausstehende Entscheidungen in der Sache werden wir verfolgen.

Wir beraten Sie gerne. Sprechen Sie uns einfach an.

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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