Warum viele Ärzt:innen nicht mehr in einer Praxis selbständig sein möchten
© Robert Kneschke / Adobe Stock

27. März 2024

Warum viele Ärzt:innen nicht mehr in einer Praxis selbständig sein möchten

Kategorien: Unkategorisiert

Auch bei vielen Ärzt:innen stehen eine ausgewogene Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie an oberster Stelle. Immer weniger Ärzt:innen möchten in einer eigenen Einzelpraxis praktizieren. Daher schließen sich auch in der Medizinbranche zunehmend mehr Ärzt:innen zu größeren Praxiseinheiten zusammen. Auch die Tendenz, dass Ärzt:innen lieber im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses praktizieren möchten, steigt. Hier erfahren Sie, welche Möglichkeiten es zur Prozessbündelung in der Medizinbranche gibt.

Die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG): Die neue Gemeinschaftspraxis

Die BAG ist früher auch als „Gemeinschaftspraxis“ bekannt gewesen. Sie ist eine langfristige Kooperationsform, in der sich mehrere (Vertrags-)Ärzt:innen zusammenschließen. Diese haben die gemeinsame und teilweise auch interdisziplinäre Ausübung ihres Berufes als Ziel. Das heißt, die Mediziner:innen müssen nicht zwingend der gleichen Fachgruppe angehören. BAGs wählen meist entweder die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) oder die Partnergesellschaft (PartG) als Rechtsform. Die Ärzt:innen bilden eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit, indem sie eine gemeinsame Behandlung von Patient:innen an einem gemeinsamen Praxissitz vornehmen. In der Regel sind die jeweiligen Ärzt:innen jedoch eigenverantwortlich und unabhängig medizinisch tätig. Es existiert ein einheitlicher Patientenstamm, der auch zusammen abgerechnet wird.

Die Praxisgemeinschaft

Die Praxisgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von mehreren Ärzt:innen, bei der Ärzt:innen das Praxisinventar, das Personal und die Praxisräumlichkeiten gemeinschaftlich nutzen. Die Mediziner:innen praktizieren hierbei jeweils im Rahmen ihrer eigenen Einzelpraxis und haben einen eigenen Patientenstamm.

Das Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

Das MVZ kann entweder in der Rechtsform einer Personengesellschaft (meist GbR) oder Kapitalgesellschaft (meist GmbH) betrieben werden. Bei einem MVZ handelt es sich um ein gesetzliches Krankenversicherungs (GKV)-Konstrukt. Somit ist das Betreiben eines MVZ im privatärztlichen Bereich nicht möglich. Ärzt:innen sind je nach Variante 

  • entweder selbständig (Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG) 
  • oder im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG)

tätig. Eine ärztliche Leitung ist zwingend vorgeschrieben. 

Das MVZ hat den Vorteil, dass administrative und organisatorische Aufgaben in der Regel zentral von nichtärztlichem Personal, wie beispielsweise Praxismanager:innen, erledigt werden. Dies führt zu einer Entlastung der Praxisinhaber:innen.

In einem MVZ ist die Beschäftigung einer unbegrenzten Anzahl von angestellten Ärzt:innen möglich. Die anderen Rechtsformen sind auf drei angestellte Ärzt:innen begrenzt. Das lässt verschiedene Teilzeitmodelle zu, wodurch das MVZ auch als attraktive Variante am Markt auftreten kann.

Vorteile eines Zusammenschlusses mehrerer Ärzt:innen

  • Vertretungsmöglichkeit im Urlaubs- oder Krankheitsfall
  • Bündelung von Fachwissen/ Angebot eines breiten Leistungsspektrums (bei MVZ sogar fachübergreifend möglich)
  • Überschaubares finanzielles Risiko
  • Unter Umständen Haftungsbegrenzung
  • Kosten für Räumlichkeiten, medizinische Gerätschaften, Personal, allgemeine Verwaltungskosten und Ähnliches können geteilt werden
  • Mitunter Steigerung der Attraktivität der Praxis als Arbeitgeber; Möglichkeit der längerfristigen Bindung von Mitarbeitenden

Nachteile eines Zusammenschlusses mehrerer Ärzt:innen

  • Entscheidungen müssen zwischen den Gesellschafter:innen abgestimmt werden, was Konfliktpotenzial bietet
  • Einzelne Gesellschafter können evtl. Modernisierungsmaßnahmen (z.B. in Hinblick auf die Digitalisierung) blockieren
  • Gegebenenfalls gemeinsame Haftung

Jobsharing von Ärzt:innen

Bei dem sogenannten „Jobsharing“ handelt es sich um eine Alternative zur Berufsausübungsgemeinschaft. Hierbei teilen sich zwei Ärzt:innen gleicher Fachrichtung einen gemeinsamen Arztsitz. Sie nutzen hierbei gemeinsam die Räumlichkeiten, Praxisgerätschaften und beschäftigen gemeinsames Personal.

Das Jobsharing ist eine Möglichkeit der gemeinschaftlichen ärztlichen Berufsausübung in für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereichen.

Anschluss an größere Praxen-Einheiten 

Die Veräußerung der eigenen Praxis, egal ob 

  • Einzelpraxis, 
  • Berufsausübungsgesellschaft, 
  • Partnerschaftsgesellschaft,

 an eine größere Einheit, beispielsweise an eine investorengetragene MVZ-Gruppe, kann im Rahmen der Praxisnachfolge schnell interessant werden, wenn sich beispielsweise für die Einzelpraxis kein/e geeignete/r Nachfolger/in findet.

Der Anschluss an eine größere Einheit bietet auch die Möglichkeit der Bündelung von Prozessen, wie beispielsweise:

  • gemeinsames Marketing (Internetauftritt, etc.)
  • gemeinsames Recruiting/ gemeinsame HR-Abteilung
  • gemeinsame Lohn- und Finanzbuchhaltung 

Unsere Einschätzung:

Gerade in Zeiten von Fachkräftemangels ist es wichtig, dass selbständige Ärzt:innen als attraktive und zukunftsorientierte Arbeitgeber:innen auftreten. Größere Einheiten haben hier die Möglichkeit ihren Mitarbeitenden attraktive Arbeitszeitmodelle und mehr interessante Gehaltskomponenten sowie steuerliche Benefits anzubieten.

Um Prozesse zu bündeln, Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen und auch als Arbeitgeber:in attraktiv zu sein kann gerade die Gründung eines MVZ oder der Anschluss an eine MVZ-Gruppe sehr interessant sein.

Auch vor dem Hintergrund einer geplanten Nachfolge kann der Zusammenschluss mehrerer Ärzt:innen in einem MVZ sinnvoll sein. Eine Nachbesetzung eines/ einer ausgeschiedenen Arztes/ Ärztin kann hiermit leichter sein.

Wenn Sie Hilfe bei der Auswahl der Rechtsform Ihrer Praxis brauchen, sprechen Sie uns jederzeit gerne an. Zudem verweisen wir gerne auf unseren Partner Nexum, mit dessen Hilfe dieser Beitrag entstanden ist. 

 

 

Stefanie Anders

Partnerin und Steuerberaterin

Tags

Expert:innen zu diesem Thema

Stefanie Anders

Partnerin und Steuerberaterin

Das könnte Sie auch interessieren

  • Sogenannte Opt-out-Vereinbarungen sind wichtiger Bestandteil des Arbeitslebens in Krankenhäusern und Kliniken. Sie ermöglichen eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit des medizinischen Personals über das gesetzlich festgelegte Höchstmaß hinaus. Damit tragen sie zu einer effizienten und lückenlosen Versorgung der Patient:innen bei.  [...]

    Julia Brey

    21. Nov. 2024

  • Medizinisches Personal wird täglich mit diversen Risiken konfrontiert, die einen effektiven gesetzlichen Schutz nötig machen. Um Gesundheits- und Haftungsrisiken zu vermeiden, ist es wichtig, potenzielle Gesundheitsgefahren zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung zu treffen. Gefährdungsbeurteilung und Haftungsrisiken: Schlüsselmaßnahmen [...]

    Julia Brey

    12. Nov. 2024

  • Entbürokratisierung im Gesundheitswesen: Lauterbachs Bürokratieabbaugesetz

    Wann wird das Bürokratieabbaugesetz von Karl Lauterbach vorgelegt? Auf dem Krankenhausgipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) im September 2024 kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an, dass das Entbürokratisierungsgesetz im Gesundheitswesen voraussichtlich im Herbst 2024 vorgelegt wird. Ursprünglich war geplant, den Entwurf bereits [...]

    Stefanie Anders

    30. Sep. 2024