
7. Oktober 2025
Pro Niederlassungsfreiheit: FG Saarland kippt Fremdvergleich in EU-Fällen
Inhaltsverzeichnis
- Außensteuergesetz: Was besagt der Fremdvergleichsgrundsatz im Steuerrecht?
- Einkünftekorrektur bei konzerninternen Darlehen: Was hatte das FG Saarland zu entscheiden?
- Fehlende Verzinsung und mangelnde Besicherung: Was das Finanzamt zu beanstanden hatte?
- Darlehenskonditionen gerechtfertigt? Die Argumentation der Klägerin
- Warum für das FG keine Anhaltspunkte für eine Umqualifizierung in Eigenkapital vorlagen
- Was versteht man unter dem Begriff „wirtschaftliche Gründe“?
- Warum eine endgültige Entscheidung noch aussteht?
- Konzerninterne Darlehen auch unter nicht fremdüblichen Bedingungen: Warum das Urteil Klarheit für Unternehmen bringt
- Drittstaatenfälle: Wann es bei der strengen Anwendung des Fremdvergleichs bleibt
- Handlungsbedarf oder Entwarnung? Unsere Einschätzung
- Kontaktformular
Grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen werden regelmäßig durch Betriebsprüfungen aufgegriffen. Hierzu gehören auch zinslose und unbesicherte Darlehen, die (vor)schnell als nicht fremdüblich seitens der Betriebsprüfung qualifiziert und nach § 1 Außensteuergesetz korrigiert werden. Mit einem aktuellen Urteil hat das Finanzgericht (FG) Saarland jedoch die Niederlassungsfreiheit gestärkt – und damit die Spielräume für Konzernfinanzierungen in EU-Fällen erweitert.
Dieser Blogbeitrag stellt unter Berücksichtigung des FG-Urteils dar, unter welchen Voraussetzungen vom sog. Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen werden kann, ohne dass es einer Einkünftekorrektur bedarf.
Außensteuergesetz: Was besagt der Fremdvergleichsgrundsatz im Steuerrecht?
Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen unterliegen besonderen steuerlichen Anforderungen. Das Außensteuergesetz (AStG) verlangt, dass solche Vereinbarungen unter Bedingungen abgeschlossen werden, wie sie auch zwischen unabhängigen Dritten abgeschlossen werden würden – dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz. Dies impliziert, dass Vereinbarungen, die nicht fremdüblich sind, grundsätzlich korrekturbedürftig sind.
Unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit: Warum nach Auffassung des FG nicht jede Abweichung vom Fremdvergleich korrekturbedürftig ist Mit seinem Urteil 1 K 1258/18 vom 25. September 2024 hat das FG Saarland entschieden, dass nicht jede vom Fremdvergleich abweichende Vereinbarung zwangsläufig korrigiert werden muss. Zur Begründung stützte sich das Gericht auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.
Einkünftekorrektur bei konzerninternen Darlehen: Was hatte das FG Saarland zu entscheiden?
Eine deutsche Muttergesellschaft (DM) vergab zur Unterstützung der Geschäftstätigkeiten ihrer in Rumänien und Ungarn ansässigen Tochtergesellschaften zinslose und unbesicherte Darlehen, die zunächst tilgungsfrei waren. In den Steuerbilanzen der DM waren die Darlehensvaluten als „Ausleihungen an verbundene Unternehmen“ aktiviert.
Beide Tochtergesellschaften arbeiteten als Lohnfertiger im Lohnveredelungsverfahren und erbrachten Montageleistungen ausschließlich an die Klägerin. Die mit der Lohnfertigung im Zusammenhang stehenden Kosten wurden zuzüglich eines Aufschlags an die DM in Rechnung gestellt.
Fehlende Verzinsung und mangelnde Besicherung: Was das Finanzamt zu beanstanden hatte?
Im Rahmen der Außenprüfungen (2005 – 2010) beanstandete das Finanzamt die fehlende Verzinsung und die mangelnde Besicherung der Darlehen. Das Finanzamt unterstellte, dass ein fremder Dritter unter gleichen Umständen keine vergleichbaren Konditionen akzeptiert hätte.
Daher nahm es eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG (in der seinerzeit gültigen Fassung) vor, indem es einen Zinssatz in Höhe von 6 % fingierte. Die daraus abgeleiteten fiktiven Zinserträge wurden außerbilanziell dem steuerpflichtigen Einkommen der deutschen Muttergesellschaft zugerechnet.
Darlehenskonditionen gerechtfertigt? Die Argumentation der Klägerin
Die deutsche Muttergesellschaft und Klägerin begründete die Darlehensgewährung und Konditionen mit der Erforderlichkeit, die Funktionsfähigkeit ihrer ausschließlich als Lohnfertiger tätigen Tochtergesellschaften sicherzustellen. Weiter trug die Klägerin vor, dass
- die Finanzierungsmaßnahmen nachweislich operativ veranlasst seien,
- Ausdruck unternehmerischer Freiheit innerhalb der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit seien
- und zudem durch die Inrechnungstellung aller Kosten (Vollkosten) sich ohnehin kein anderes Ergebnis ergäbe.
Damit einhergehend hatte das Finanzgericht Saarland nicht nur zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Korrektur nach § 1 AStG a. F. vorliegen, sondern auch, ob eine solche Korrektur im Lichte der Niederlassungsfreiheit nach EU-Recht überhaupt zulässig ist.
FG urteilt – mit Signalwirkung für die Praxis
Warum für das FG keine Anhaltspunkte für eine Umqualifizierung in Eigenkapital vorlagen
Das Finanzgericht stellte zunächst fest, dass die Darlehen zivilrechtlich wirksam vereinbart und als Fremdkapital zu qualifizieren seien. Es handelte sich – trotz fehlender Verzinsung – um Darlehen mit Rückzahlungsabsicht. Anhaltspunkte für eine Umqualifizierung in Eigenkapital lagen nicht vor, zumal die Darlehensforderungen bei der Klägerin bilanziell abgebildet wurden.
Der Nachweis „wirtschaftlicher Gründe“: Warum das FG von einer Einkünftekorrektur absah
Zwar verstießen die Darlehensbedingungen formal gegen den Fremdvergleichsgrundsatz, doch sah das FG für die Jahre 2007 bis 2010 von einer Einkünftekorrektur ab. Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil „Hornbach-Baumarkt“ (C-382/16) erkannte das Gericht an, dass dem Steuerpflichtigen im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG die Möglichkeit der Exkulpation mittels Nachweises sogenannter „wirtschaftlicher Gründe“ für die Vereinbarung der nicht fremdüblichen Bedingungen gewährt werden muss.
Was versteht man unter dem Begriff „wirtschaftliche Gründe“?
Als wirtschaftliche Gründe in diesem Sinne kommen sämtliche Gründe in Betracht, die nicht in Zusammenhang mit steuerlichen Motiven stehen, wie zum Beispiel: die Finanzierung zur Sicherung der Produktionskette, Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit. Liegen diese vor, können auch fremdunübliche Bedingungen im Rahmen der Niederlassungsfreiheit zulässig sein.
Warum eine endgültige Entscheidung noch aussteht?
Für die Jahre 2005 und 2006 blieb es bei der Korrektur, da Rumänien der EU erst zum 1. Januar 2007 beitrat und unionsrechtliche Grundfreiheiten rückwirkend nicht gelten.
Da das Finanzamt Revision eingelegt hat, ist das Verfahren derzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen I R 23/24 anhängig. Eine endgültige Entscheidung steht somit noch aus – die Rechtsfrage bleibt bis zur BFH-Entscheidung offen.
Konzerninterne Darlehen auch unter nicht fremdüblichen Bedingungen: Warum das Urteil Klarheit für Unternehmen bringt
Das Urteil des FG Saarland bringt wichtige Klarheit für Unternehmen, die innerhalb ihres Konzerns Darlehen vergeben – insbesondere unter nicht fremdüblichen Bedingungen. Zinslose und unbesicherte Darlehen können steuerlich anerkannt bleiben, sofern sie auf nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen beruhen. Dabei spielt das eigenbetriebliche Interesse des Darlehensgebers eine entscheidende Rolle, etwa wenn es darum geht, die eigene Produktionsstruktur abzusichern oder die Liquidität im Konzern zu gewährleisten.
Drittstaatenfälle: Wann es bei der strengen Anwendung des Fremdvergleichs bleibt
Besonders relevant ist das Urteil vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben, denn es stärkt die Niederlassungsfreiheit gegenüber einer zu strengen Anwendung des Fremdvergleichs. Unternehmen erhalten damit die Möglichkeit, wirtschaftliche Argumente in die steuerliche Würdigung einzubringen – zumindest bei Finanzierungen innerhalb der EU. So zeigt sich eine deutliche Ungleichbehandlung zwischen EU- und Drittstaatenfällen: Während im europäischen Kontext eine Korrektur unter bestimmten Voraussetzungen entfällt, bleibt sie im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten bestehen.
Handlungsbedarf oder Entwarnung? Unsere Einschätzung
Nicht nur weil das Revisionsverfahren noch nicht entschieden ist und daher keine finale Rechtssicherheit besteht: Spannung verspricht auch die Frage, ob der BFH zu dem (hilfsweise) vorgetragenen Argument der Steuerpflichtigen Stellung nimmt, dass sich durch die Inrechnungstellung aller Kosten (Vollkosten) ohnehin kein anderes Ergebnis ergäbe. Offen bleibt zudem, wie der BFH diesen Konflikt unter Berücksichtigung des Artikels 9 der Doppelbesteuerungsabkommen auflöst.
Festzuhalten bleibt: Das Urteil bietet Unternehmen in vergleichbaren Konstellationen einen wertvollen Argumentationsansatz – vor allem dann, wenn wirtschaftliche Beweggründe für die Darlehensgestaltung dokumentiert und überzeugend dargelegt werden können.
Ob diese Linie auch höchstrichterlich Bestand haben wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Überdies bleibt die Frage bestehen: Wann liegen tatsächlich wirtschaftliche Gründe vor, die bestenfalls sogar noch vom Finanzamt anerkannt werden?
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