14. August 2024
„Angepasster“ 90%-Test für Verwaltungsvermögen: Finanzverwaltung reagiert auf BFH-Urteil
90%-Test: Mit Urteil vom 13.09.2023 hat der BFH entschieden, dass bei originär gewerblichen Unternehmen der Abzug betrieblicher Schulden in Verbindung mit korrespondierenden Finanzmitteln möglich ist. Wie die Finanzverwaltung dieses Urteil umsetzen würde, war bislang unklar. Nun hat sie mit den gleich lautenden Ländererlassen vom 13.09.2023 darauf reagiert.
Hintergrund: Der 90%-Einstiegstest und das BFH-Urteil
Die Steuerbefreiungen für Unternehmensvermögen gemäß § 13a ErbStG werden nur gewährt, wenn das Unternehmensvermögen nicht zu mindestens 90% aus Verwaltungsvermögen besteht. Dieser 90%-Einstiegstest ist im § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG geregelt. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist die Steuerbefreiung insgesamt nicht zu gewähren.
Dabei sieht der Gesetzeswortlaut vor, dass das Brutto-Verwaltungsvermögen (Verwaltungsvermögen vor Abzug der betrieblichen Schulden) zum gemeinen Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung der betrieblichen Schulden ins Verhältnis gesetzt wird. Das Verwaltungsvermögen setzt sich aus sogenanntem sonstigem Verwaltungsvermögen und Finanzmitteln zusammen. Diese Auslegung des 90%-Tests führte insbesondere bei Finanzmitteln in der Praxis immer wieder zu Fällen, in denen Unternehmen dennoch an dem Einstiegstest scheiterten, obwohl nach Abzug der Verbindlichkeiten keine Finanzmittel mehr vorhanden waren. Besonders Handelsunternehmen ohne sonstiges Verwaltungsvermögen (aber naturgemäß mit hohen Forderungsbeständen (=Finanzmitteln)) liefen Gefahr, nicht von der Steuerbefreiung für Unternehmensvermögen profitieren zu können. Der Grund lag in der harten Brutto-Betrachtung des 90%-Tests, der keinen Schuldenabzug vorsah.
Der BFH hat daher in seinem Urteil vom 13.09.2023 eine einschränkende Auslegung des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG vorgenommen. Demnach ist bei der Anwendung des 90%-Tests auf Unternehmen, die eine originär gewerbliche Tätigkeit ausüben – im Urteilsfall Handelsunternehmen -, der Abzug der betrieblich veranlassten Schulden möglich.
Reaktion der Finanzverwaltung: Anwendung des Urteils über die entschiedene Konstellation hinaus
In den gleich lautenden Ländererlassen hat die Finanzverwaltung die Anwendung des Urteils nun auf weitere, über den entschiedenen Fall hinausgehende Konstellationen ausgeweitet.
Das Urteil des BFH bezog sich auf einen Sachverhalt, in dem schenkweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden. Anteile an einer Kapitalgesellschaft gehören nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zum begünstigungsfähigen Vermögen. Über den entschiedenen Fall hinaus ist das Urteil auch auf andere Rechtsformen anzuwenden, wenn nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (inländisches Land- und forstwirtschaftliches Vermögen) oder nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (inländisches Betriebsvermögen) begünstigungsfähiges Vermögen übertragen wird. Zudem ist das Urteil nicht nur bei der schenkweisen Übertragung, sondern auch bei Vermögensübergängen durch Erbfälle anzuwenden.
Hauptvoraussetzung für die einschränkende Auslegung des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG ist nach dem BFH-Urteil, dass das Vermögen des Betriebs einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1/2 EStG dient. In den Erlassen hat die Finanzverwaltung die Anwendung des Urteils nun nicht auf typische Handelsunternehmen begrenzt.
Unsere Einschätzung
Es ist erfreulich, dass die aus Sicht der Unternehmen günstige und normzweckgemäße Auslegung des BFH-Urteils nun auch von der Finanzverwaltung übernommen wird und auf die weiteren möglichen Konstellationen ausgeweitet wird. Dadurch wird die Gefahr, dass eine ursprünglich vorgesehene Begünstigung für Unternehmen ohne nennenswertes Verwaltungsvermögen aufgrund des 90%-Tests versagt werden muss, erheblich reduziert und Rechtssicherheit für die Anwendung der Regelung geschaffen. Bei Fragen steht Ihnen Steuerberater Akram Juja gerne zur Verfügung.