24. Juni 2020
So können Sie abgesenkte Umsatzsteuersätze in langfristigen Verträgen berücksichtigen
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Abgesenkte Umsatzsteuersätze führen bei vor der beschlossenen Senkung vereinbarten Bruttoverträgen zu Problemen. Wir erklären, wie Sie abgesenkte Umsatzsteuersätze in langfristigen Verträgen berücksichtigen können.
Bekanntlich hat das Bundeskabinett am 12. Juni 2020 eine sechsmonatige Senkung der Umsatzsteuersätze von 19 Prozent auf 16 % beziehungsweise von 7 % auf 5 % beschlossen.
Die Änderungen gelten bereits ab 01. Juli 2020. Die Umstellung ist auf ein halbes Jahr beschränkt. Das sicher gut gemeinte schnelle und unbürokratische Handeln der Bundesregierung wirft in der Praxis allerdings Fragen auf.
Das Problem: Geschlossene Bruttoverträge legen bisherigen Umsatzsteuersatz zugrunde
Dabei sind Bruttoverträge ein Problem, die beispielsweise in der Medienbranche für Auftragsproduktionen geschlossen werden. Diese Verträge setzen für die Vertragslaufzeit als Gegenleistung feste Bruttopreise fest. Die Umsatzsteuer wird hier also bereits eingepreist und bei der Kalkulation beider Parteien berücksichtigt.
Wurde ein solcher Vertrag vor dem 12.6.2020 geschlossen, haben die Parteien bei den Vertragsverhandlungen die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % zugrunde gelegt. Für nach dem 30. Juni 2020 ausgeführte Leistungen darf die leistende Partei aber ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung einen Umsatzsteuersatz von 16 % zugrunde legen.
Lange Restlaufzeiten bedeuten enorme Vorteile für eine Vertragspartei
Somit entsteht bei langer Laufzeit der Verträge ein einseitiger Vorteil. Schließlich profitiert die leistende Vertragspartei in Höhe von 3 %-Punkten der vertraglich vereinbarten Gegenleistung. Da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit einer Änderung der Umsatzsteuer zu rechnen war, fehlt den Verträgen häufig eine Regelung zu Ausgleichsansprüchen im Falle einer Anpassung des Umsatzsteuersatzes.
So können Sie abgesenkte Umsatzsteuersätze in langfristigen Verträgen berücksichtigen
Die Lösung liefert § 29 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes. Diese Regelung sieht einen Ausgleichsanspruch für die Vertragsparteien langfristiger Verträge, die durch eine Änderung der Umsatzsteuer benachteiligt werden, vor.
Als langfristig gelten solche Verträge, die mehr als vier Monate vor Eintritt der Rechtsänderung abgeschlossen wurden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass man bislang davon ausging, dass eine Steuersatzänderung mindestens vier Monate vor Inkrafttreten diskutiert wird.
Eine Situation wie die aktuelle Corona-Krise war bei der Konzeption des § 29 Umsatzsteuergesetz nicht denkbar. Hier ließe sich sicher argumentieren, dass die vorgesehene Frist von vier Monaten verkürzt werden muss.
Ausgleichszahlungen in angemessener Höhe
Voraussetzung ist also, dass die Leistung auf einem Vertrag beruht, den die Parteien vor dem 1. März 2020 geschlossen haben. Mit der oben beschriebenen Argumentation könnte auch eine kürzere Frist gelten.
Die Leistung muss natürlich nach dem 30.6.2020 ausgeführt werden. Auch dürfen die Parteien im Vertrag nicht bereits eine Regelung für den Fall getroffen haben, dass sich die Umsatzsteuer ändert.
Der § 29 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes sieht dann einen angemessenen Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastung vor.
Unsere Einschätzung
Auch bei langfristigen Verträgen, in denen die Parteien feste Bruttopreise vereinbart hatten und nun von der sehr kurzfristigen Umsatzsteuersenkung überrascht wurden, hat die dadurch benachteiligte Vertragspartei einen Ausgleichsanspruch.
Ob und in welcher Höhe dieser gegeben ist, richtet sich nach § 29 Umsatzsteuergesetz. Dessen Voraussetzungen sollten aus unserer Sicht auf die aktuelle Situation hin angepasst und ausgelegt werden.