4. November 2022

Abmahnwelle zu Google Fonts

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Seit August und vermehrt seit Oktober 2022 verschicken mehrere Rechtsanwält:innen und Kanzleien in Deutschland Abmahnungen an Websitebetreiber:innen in ganz Deutschland, wegen möglicher Verletzung des Datenschutzes durch die Einbindung von Google Fonts. Dabei fallen die Kanzlei RAAG in Meerbusch und ein Anwalt namens Kilian Lennard aus Berlin immer wieder auf. Was Sie zu den Abmahnschreiben wissen müssen und was Sie tun sollten.

Was ist der Grund für die Abmahnungen?

Die RAAG Kanzlei Meerbusch vertritt eine Mandantin namens Wang Yu, die sich angeblich dadurch verletzt fühlt, dass sie die Website des Abgemahnten besucht  und durch das angebliche Weiterleiten der IP-Adresse an Google einen Schaden erlitten hat.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim Anwalt Lennart aus Berlin, der einen Herrn Ismail vertritt.
Konkret geht es um die Nutzung von Google Fonts. Google Fonts ist ein interaktives Schriftenverzeichnis, das Google lizenzfrei zur Verfügung stellt. Hierüber kann der/die Websitebetreiber:in Schriften auf der eigenen Website benutzen, ohne diese vorher auf den Server laden zu müssen. Besuchen Sie nun die Website, werden die Schriften über den Google Server nachgeladen. Hierbei werden laut Google folgende Daten gespeichert: die HTTP-Anfrage, einschließlich des Zeitstempels, der angeforderten URL und aller HTTP-Header (einschließlich Verweis-URL und User-Agent-String).
Ausdrücklich wird keine IP-Adresse gespeichert.
Bei dieser Abmahnwelle handelt es sich nicht um die erste dieser Art. Die Abmahner:innen stützen sich dabei vorwiegend auf ein Urteil des Landgerichts München von Anfang des Jahres (Urteil LG München I vom 20.01.2022 – Az.: 3 O 17493/20). Dort sprach das Gericht dem Benutzer einer Website 100 Euro immateriellen Schadensersatz zu, weil der Websitebetreiber Google Fonts direkt über die Google-Server eingebettet hatte.
Zudem wurde der Websitebetreiber auf Unterlassung und Auskunft verurteilt. 

Was steht in den Abmahnungen?

In den Abmahnungen spricht die RAAG-Kanzlei von einem Anspruch auf Löschung und Unterlassung gem. Art 17 DSGVO sowie § 823 BGB i.V.m. § 1004 BGB. Dabei reiche es nicht aus, lediglich die Schriftart zu löschen, um die IP-Adresse nicht mehr an Google weiterzuleiten, vielmehr müsse die Unterlassung explizit bestätigt werden.
Zudem stehe der Mandantin eine Auskunft über die Datenverarbeitung gem. Art. 15 DSGVO zu. Schließlich sei ihr ein Schaden entstanden, da sie keine Kontrolle mehr über die Informationen ihrer IP-Adresse und deren Nutzung habe. Zudem sei unklar, was Google mit den Informationen mache, weil in den USA nicht die DSGVO gelte.
Zum Ende führt die Kanzlei einige Gerichtsurteile an, in denen Betroffenen Schmerzensgelder von bis zu 2.500 Euro wegen verschiedener Datenschutzverstöße zugesprochen wurden. Allerdings sei die Mandantin bereit, auf weitere Schritte zu verzichten, wenn eine Zahlung i.H.v. 140 Euro zzgl. der Kosten für die Konsultation des Anwaltes getätigt würde. So ergibt sich ein Gesamtbetrag von 239,60 Euro.

Wie ist die Situation einzuschätzen?

Es kann einschlägig sein, dass in gewissen Fällen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen durch die rechtswidrige Einbindung von Google Fonts verletzt wird und damit Schadensersatzansprüche und sowohl Unterlassungs- als auch Auskunftsansprüche in Betracht kommen.
In den vorliegenden Fällen drängt sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Abmahner:innen auf. Die Vielzahl der gleichartigen Schreiben lässt vermuten, dass es den Abmahner:innen weniger um die Verhinderung einer rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten als vielmehr um das schnelle Geld geht.
Zudem lassen sich die Identitäten der vermeintlich Betroffenen nicht erschließen, was ebenfalls für einen Vorwand spricht. In den meisten Schreiben wird lediglich der Schadensersatzanspruch geltend gemacht, nicht aber der Unterlassungs- bzw. Auskunftsanspruch.
So zielen die Schreiben darauf ab, den Unternehmen eine unkomplizierte Zahlung eines geringen Betrages nahezulegen. Sollten die Unternehmen nicht zahlen, wird mit dem Rechtsweg gedroht. Dass es dazu kommt, dürfte aufgrund der o.g. Gründe aber sehr unwahrscheinlich sein momentan.
An dieser Stelle ist allerdings noch darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen allgemein gehalten sind und aufgrund der uns momentan bekannten Situation getätigt werden. Es können Besonderheiten des Einzelfalls auftreten, die hierdurch nicht gedeckt sind.

Ein Urteil, das Hoffnung für die Zukunft macht

Ein aktueller Beschluss des LG Baden-Baden macht Betroffenen und generell Websitebetreiber:innen Hoffnung für die Zukunft (LG Baden-Baden, Beschluss v. 11.10.2022, Az.: 3 O 277/22).
Im vorliegenden Fall konnte eine Kanzlei eine einstweilige Unterlassungsverfügung beim Landgericht Baden-Baden gegen einen Abmahner bzw. die Person, in dessen Namen die Abmahnungen erfolgen, erwirken.
Durch die einstweilige Verfügung ist es dem Antragsgegner (dem Fonts-Abmahner) unter Androhung eines Ordnungsgeldes (i.H.v. € 5,00 bis zu € 250.000,00) untersagt, einen Partnerbetrieb des Franchise-Systems der Antragstellerin mit Forderungen in Bezug auf Google Fonts zu kontaktieren.
Zwar gilt diese Verfügung bisher nur für den Partnerbetrieb des Franchise-Systems der Antragstellerin und den Abmahner. Außerdem ist dieser noch nicht bestands- oder rechtskräftig.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Spruch des Landgerichts gängig wird und die missbräuchlichen Abmahnungen so gestoppt werden. 

Was sollten Sie tun?

Dass das Datenschutzrecht nicht stiefmütterlich behandelt werden sollte, zeigt die vorliegende Abmahnwelle. So sind auch die Datenschutzbehörden durch die DSGVO dazu angehalten, Verstöße mit Bußgeldern zu ahnden, etwa bei fehlerhaften Cookies.
Daher sollten Sie sich als Verantwortliche:r Ihrer Website vergewissern, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten datenschutzkonform verläuft. Hierzu gehören insbesondere eine rechtssichere Datenschutzerklärung auf der Website und der rechtssichere Einsatz von Cookies. Mehr zum Einsatz von Cookies können Sie auf unserem Blog lesen.
Für den Fall, dass Sie Google Fonts auf Ihrer Website einsetzen, sollten Sie die Fonts möglichst lokal und auf den eigenen Servern speichern. Liegen die Fonts auf den eigenen Servern, ist eine automatische Datenübermittlung natürlich nicht möglich und findet daher erst gar nicht statt.
Grundsätzlich gibt es Alternativen zu Google Fonts, die auch eine externe Einbindung möglich machen und DSGVO kompatibel sind.
Die Konzentration auf die nötigsten Dienste ist im Interesse der Datenminimierung und Ihrer eigenen Rechtssicherheit zudem zu nennen. Externe Dienste sollten nur dann verwendet werden, wenn sie auch tatsächlich benötigt werden. Dies gilt speziell für US-amerikanische Angebote. 

Unsere Einschätzung

Für viele Websitebetreiber:innen dürfte es ein Schock gewesen sein, als sie Post von etwa der RAAG Kanzlei im Briefkasten gehabt haben. Aber auch hier gilt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Daher sollten Sie nach dem ersten Schrecken keineswegs voreilig eine Überweisung tätigen, um die Sache vermeintlich ad acta legen zu können.
Vielmehr sollte zunächst geprüft werden, ob Ihre Website den notwendigen Anforderungen im Hinblick auf den Datenschutz entspricht. Dabei helfen wir Ihnen gerne.
Sollten wir nach gemeinsamer Prüfung zu dem Schluss kommen, dass bei Ihrer Website Nachholbedarf besteht, ist dies immer noch kein Grund zur Panik. Wir unterstützen Sie gerne unter Beobachtung der aktuellsten Rechtsprechung bei der rechtlichen Einschätzung der Abmahnung und der Beratung zum weiteren Vorgehen. Sprechen Sie uns einfach an!

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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