BAG entscheidet über Zugang einer Kündigung per Einwurfeinschreiben
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15. Oktober 2024

Arbeitsrecht: BAG entscheidet über Zugang einer Kündigung per Einwurfeinschreiben

Kategorien: Rechtsberatung

Lange Zeit war der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung per Einwurfeinschreiben umstritten. In einer aktuellen Entscheidung hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Zugang von Einwurfeinschreiben ausdrücklich bestätigt. Demnach gilt ein Einwurfeinschreiben als zugegangen, wenn es zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen wird. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Zustellung von Kündigungen per Einschreiben im Arbeitsrecht, insbesondere in Bezug auf den Anscheinsbeweis.  

Kündigung per Post: Der Sachverhalt im Überblick 

In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) am 20. Juni 2024 entschiedenen Fall (Az.: 2 AZR 213/23) stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses per Post einer Zahnärztin durch ihren Arbeitgeber rechtzeitig zugegangen ist.  

Im konkreten Fall betraf die Entscheidung des BAG eine Zahnärztin, die seit April 2021 für ein monatliches Bruttogehalt von etwa 10.000 Euro beschäftigt war.  Zwischen den Parteien wurde eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vereinbart. Der Arbeitgeber kündigte das Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom 28. September 2021 zum Jahresende. Das Kündigungsschreiben wurde als Einwurfeinschreiben über die Deutsche Post AG verschickt und dem Arbeitgeber lag ein Auslieferungsbeleg vor, der als Anscheinsbeweis dafür diente, dass der Brief am 30. September 2021 in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Daraufhin erhob die Klägerin eine Kündigungsschutzklage mit der Begründung, das Kündigungsschreiben sei ihr nicht rechtzeitig zugegangen, weshalb sie davon ausging, dass ihr Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 2022 fortbestehen würde. 

Streit um den Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung per Einwurfeinschreiben 

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Argumentation der Zahnärztin nicht statt. Beide Instanzen gingen davon aus, dass das Kündigungsschreiben bereits am 30. September 2021 ordnungsgemäß zugestellt worden war. Im Gegensatz zu einem Kündigungsschreiben, das per Rückschein verschickt wird und bei dem der Empfang durch eine Unterschrift des Empfängers bestätigt wird, gilt ein Einwurfeinschreiben als zugegangen, sobald es in den Hausbriefkasten eingelegt wurde. Diese Auffassung bestätigte zuletzt auch das BAG in der Revision.  

Anscheinsbeweis durch Auslieferungsbeleg bei Kündigung per Einschreiben 

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass der Einlieferungsbeleg der Deutschen Post AG als Beleg für den rechtzeitigen Zugang des Kündigungsschreibens anzusehen ist. Dieser Einlieferungsbeleg erbringt den Anscheinsbeweis, dass der Brief zu den üblichen Zeiten zugestellt wurde. Ein Schreiben gilt dann als zugegangen, sobald es in den Machtbereich des Empfängers gelangt, d. h. in dessen Hausbriefkasten eingeworfen wird. Dies wird als üblicher Geschehensablauf im Rahmen einer postalischen Zustellung betrachtet. Maßgeblich ist hierbei die Verkehrsanschauung, wonach der Hausbriefkasten nach den üblichen Postzustellzeiten noch am selben Tag geleert werden müsse. Die Klägerin hätte anderenfalls nachweisen müssen, dass atypische Umstände vorlagen, die einen späteren Zugang hätten vermuten lassen.  

Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises bei Kündigung per Post 

Das BAG betonte, dass der Anscheinsbeweis in Fällen erschüttert werden könne, in denen der Empfänger substantiiert darlegt, dass atypische Umstände vorliegen, die einen abweichenden Geschehensablauf nahelegen. Ein bloßes Bestreiten des Zugangs ist daher unzureichend. Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte vorbringen, die Zweifel am Zugang der Kündigung am 30. September 2021 hätten begründen können.  

Unsere Einschätzung zur Kündigung per Einwurfeinschreiben 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt die bereits vom Bundesgerichtshof etablierte Rechtsprechung und stellt klar, dass der Zugang eines Einwurfeinschreibens als erfolgt gilt, sobald es zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten des Empfangenden eingelegt wird. Zwar stellt der Rückschein eine weitere Möglichkeit zur Dokumentation des Zugangs eines Kündigungsschreibens dar, jedoch wird der Zugang bei einem Einwurfeinschreiben bereits durch den Einlieferungsbeleg und Auslieferungsbeleg nachgewiesen.

Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Zustellung von Kündigungen per Post und stärkt die Position von Arbeitgebern, die Kündigungen auf diesem Wege zustellen. Möchte hingegen der Arbeitnehmer diesen Anscheinsbeweis entkräften, muss er darlegen, dass das Schreiben außerhalb der üblichen Zustellzeiten zugestellt wurde – eine Herausforderung, die ohne spezifische und substanzielle Darlegung schwer zu bewältigen ist. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere Rechtsanwältin Louisa Reitemeier. 

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.   

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