24. Oktober 2022
Beginn der Selbstständigkeit bei Ärzten: Das müssen Sie steuerlich beachten
Der Wechsel in die Selbstständigkeit ist eine große Herausforderung, auch für Ärztinnen und Ärzte. Dieser Schritt ist mit einer Vielzahl an steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Punkten verbunden, die eine frühzeitige Beachtung erfordern – ansonsten drohen schnell größere Probleme.
Zu Beginn der Selbstständigkeit sollten Ärztinnen und Ärzte besonders auf folgende Punkte achten:
- Zeigen Sie die selbstständige Tätigkeit rechtzeitig gegenüber dem Finanzamt an: Die Anzeige muss gemäß § 138 Abs. 1b iVm. Abs. 4 AO innerhalb von vier Wochen ab Aufnahme der Tätigkeit beim Finanzamt erfolgen. Da keine Gewerbeanmeldung erfolgt, erhält das Finanzamt auch nicht automatisch Kenntnis über die Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit, welche freiberuflich erfolgt. Dem Finanzamt ist zusätzlich ein ausgefüllter Fragebogen zur steuerlichen Erfassung einzureichen. Dieser bildet die Basis, auf der das Finanzamt Ihnen eine Steuernummer erteilt, welche Sie u.a. auf Ihren Rechnungen mit angeben müssen.
- Beim Kauf einer Praxis: Notwendig ist die Prüfung der Angemessenheit des geforderten Kaufpreises bzw. der Praxisbewertung. Ebenfalls sollten Sie die zu übernehmenden Verträge des vorherigen Praxisinhabers (bspw. Miet-, Leasing oder Arbeitsverträge) genau überprüfen. Hier lauern häufig kostspielige Fallstricke.
- Bei Gründung einer Praxis: Machen Sie sich ausführliche Gedanken um eine geeignete Standortwahl. Dabei spielt neben der Erreichbarkeit, das Umfeld, aber auch die Größe des Objekts eine Rolle. Sie sollten ebenfalls rechtzeitig mit der Personal- und Liquiditätsplanung beginnen.
- Neue Rolle als Arbeitgeber: Sie müssen rechtzeitig bei der zuständigen Berufsgenossenschaft und den zuständigen Krankenkassen eine Meldung abgeben. Auch die fristgerechte Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen ist zu berücksichtigen.
- Businessplan und Liquiditätsplanungen: Damit Sie einen Fahrplan haben, wie sich Ihre Praxis entwickeln soll, ist ein Businessplan sinnvoll. Zur Sicherstellung der Liquidität sollten Sie auch Planungen erstellen.
Welche Steuern müssen Sie als selbstständiger Arzt zahlen:
Einkommensteuer:
Führen Sie als Arzt oder Ärztin eine Einzelpraxis, müssen Sie auf den Gewinn, den Ihre Praxis erwirtschaftet, Einkommensteuer an das Finanzamt zahlen.
Dieser Gewinn wird im Rahmen der sogenannten „Einnahmen-Überschuss-Rechnung“ (EÜR) ermittelt. Es werden die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenübergestellt. Dabei greift das sog. „Zufluss-/ Abfluss-Prinzip“. Dies bedeutet, die Betriebseinnahme wird im Zeitpunkt des Geldeingangs und die Betriebsausgabe im Zeitpunkt des Geldabgangs realisiert.
Größere Anschaffungen werden über einen bestimmten Zeitraum abgeschrieben und wirken sich nicht direkt zum Zeitpunkt des Kaufs als Betriebsausgabe aus. Die anteilige, jährliche Abschreibung ist dann die entsprechende Betriebsausgabe. Auch der Kaufpreis einer bestehenden Arztpraxis wird abgeschrieben.
Wenn sich mehrere Ärztinnen und Ärzte im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließen, wird zunächst für die gesamte Gesellschaft ein Praxisgewinn ermittelt. Im Rahmen einer gesonderten Steuererklärung wird dieser dann auf die einzelnen beteiligten Ärzte aufgeteilt. Der anteilig erzielte Gewinn unterliegt dann bei den jeweils beteiligten Ärztinnen und Ärzten der persönlichen Einkommensteuer.
Die Höhe dieser bemisst sich am Gewinn, evtl. zusätzlicher Einkünfte (z.B. Vermietungseinkünfte) und sonstigen abzugsfähigen Aufwendungen (z.B. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen). Der Steuerhöchstsatz liegt derzeit bei 42 % bzw. 45 %. Hinzu kommen noch ggf. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.
Die Höhe der Einkommensteuer wird bei der jährlichen Einkommensteuererklärung ermittelt. Selbstständige zahlen normalerweise bereits eine vierteljährliche Vorauszahlung zur Einkommensteuer. Diese wird dann auf die finale zu zahlende Einkommensteuer angerechnet.
Ausgenommen sind medizinische Versorgungszentren (MVZ), die in Form einer Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH) betrieben werden. Hier unterliegt der erzielte Gewinn der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Umsatzsteuer:
Die von Ärztinnen und Ärzten erbrachten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind i.d.R. gemäß § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerbefreit. Der Arzt kann jedoch aus seinen Anschaffungen für die Praxis und sonstigen für die Praxis bezogenen Lieferungen und Leistungen keine Vorsteuer ziehen.
Bestimmte ärztliche Leistungen, wie besondere IGeL, unterliegen hingegen der Umsatzsteuer. Liegen die hieraus erzielten Umsätze im vorangegangenen Jahr über der Grenze von EUR 22.000,00 und liegen sie im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich unter einem Betrag von EUR 50.000,00, können Ärztinnen und Ärzte die sogenannte „Kleinunternehmer-Regelung“ gemäß § 19 UStG in Anspruch nehmen. Sie müssen dann keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen, können im Gegenzug aber auch keine Vorsteuer geltend machen.
Vorsicht bei typischen Steuerfallen:
Hohe Einkommensteuernachzahlungen:
Zu Beginn der Selbstständigkeit, aber auch später sollte in regelmäßigen Abständen durch den/die Steuerberater:in die Gewinnentwicklung und die absehbare Höhe der zu zahlenden Einkommensteuer überprüft werden. Dies dient dazu, dass die laufenden Einkommensteuervorauszahlungen unterjährig der Höhe nach angepasst werden können oder zumindest entsprechende Rücklagen gebildet werden können – ansonsten drohen mit Abgabe der Einkommensteuererklärung böse Überraschungen in Form von hohen Steuernachzahlungen!
Gewerbesteuer:
Sie erzielen im Rahmen Ihrer freiberuflichen Praxistätigkeit im Regelfall Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) und diese unterliegen hierbei nicht der Gewerbesteuer.
Vorsichtig müssen Sie sein, wenn Sie neben Ihrer Praxistätigkeit noch eine zusätzliche gewerbliche Nebentätigkeit ausüben, beispielsweise in Form des Verkaufs von Nahrungsergänzungsmitteln, Zahnbürsten, Kontaktlinsen, Pflegemitteln etc.
Übersteigt dies bestimmte Grenzen (Umsätze mehr als drei Prozent der Gesamtumsätze der Praxis oder mehr als 24.500,00 Euro), werden aus der Tätigkeit Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb erzielt.
Dies ist besonders tückisch, wenn diese Einkünfte im Rahmen einer Personengesellschaft (bspw.: Berufsausübungsgemeinschaft) erzielt werden. Dann liegt nicht nur hinsichtlich der Nebentätigkeit eine gewerbliche Tätigkeit vor, sondern der gesamte übrige Praxisgewinn wird zu einem gewerblichen Gewinn (sog. „gewerbliche Infizierung“). Dies hat zur Folge, dass der gesamte durch die Praxisgemeinschaft erzielte Gewinn noch zusätzlich der Gewerbesteuer unterliegt.
Umsatzsteuer:
Grundsätzlich unterliegen von Ärzten erbrachte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nicht der Umsatzsteuer. Werden darüber hinaus aber bestimmte IGeL erbracht, unterliegen diese grundsätzlich der Umsatzsteuer. Unter Umständen kann hierfür die umsatzsteuerliche Kleinunternehmer-Regelung gemäß § 19 UStG in Anspruch genommen werden, damit ihre zusätzlichen Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden müssen.
Sie sollten sich jedoch rechtzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen und durch Ihren Steuerberater oder Steuerberaterin prüfen lassen, welche Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen und welche nicht. Ansonsten droht im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung, die im Regelfall für mehrere Jahre erfolgt, die Gefahr von evtl. hohen Umsatzsteuernachzahlungen nebst möglicher Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen Steuerhinterziehung.
Unsere Einschätzung:
Insbesondere zu Beginn der Selbstständigkeit handelt es sich um eine Phase, in der viele wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen und in der viele wichtige Punkte zu beachten sind. Daher sollte rechtzeitig eine Steuerberater:in mit einschlägigen Erfahrungen in der Beratung von Mediziner:innen ins Boot geholt werden.
Planen Sie die Gründung einer eigenen Praxis bzw. einer Berufsausübungs- oder Praxisgemeinschaft oder benötigen Sie Hilfe in der Anfangsphase einer Praxis? Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gerne.
Dieser Beitrag erschien in Zusammenarbeit mit Fleming, dem modernen Bankdienstleister für Ärzte und Zahnärzte.