26. November 2020

Betriebsschließungsversicherung und Corona – ein Update

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Erneut stehen aufgrund des „Lockdown-Light“ seit Anfang November viele Betriebe still. Hart trifft es hier insbesondere Hotellerie und Gastronomie. Über die Möglichkeit, sich gegen existenzbedrohende Einbußen mittels einer Betriebsschließungsversicherung (BSV) abzusichern, und deren Eingreifen in Corona-Zeiten haben wir bereits hier, hier und hier berichtet. Dieser Beitrag soll einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen in der Sache geben und Ihnen ein Update zu Betriebsschließungsversicherungen und Corona liefern.

Erste wegweisende Urteile zu Betriebsschließungsversicherungen und Corona

Die ersten Urteile zur Bewertung der Frage, ob Versicherer bei einer Schließung aufgrund des Corona-Virus zahlen müssen, liegen mit den Urteilen des LG Mannheim (Urteil v. 29.04.2020 Azl. 11 O 66/20) und des LG München (Urteil 01.10.2020 Az. 12 O 5895/20) vor. Auch wenn diese Urteile den Betroffenen Mut machen, kristallisierte sich heraus, dass immer der Einzelfall zu bewerten ist.

Eine Fülle von gleichartigen Gerichtsverfahren schloss sich sodann an.

Die Betriebsschließungsversicherungen und die „zweite Welle“

Eine bisher nur stiefmütterlich behandelte Frage ist die nach einem Anspruch des Versicherungsnehmers im Falle einer sogenannten „zweiten Welle“. Das heißt bei einer erneuten, wiederholten Schließung des Betriebs aufgrund der Corona-Pandemie. Dazu muss zunächst geklärt werden, ob überhaupt ein Anspruch aus einer etwaigen Versicherung für den Versicherungsnehmer besteht. Deshalb verwundert es nicht, dass diese Diskussion bisher eher zurückhaltend geführt wurde. Besonders, weil die Situation insgesamt neu ist, lag der Fokus bisher bei der Beantwortung der Frage, ob es überhaupt eine Deckung gibt.

Update Betriebsschließungsversicherungen und die Klausel zur „mehrfachen Anordnung“

Um zu klären, ob es eine Einstandspflicht der Versicherer im Falle einer „zweiten Welle“ gibt, lohnt sich ein Blick in die Versicherungsbedingungen. Viele Versicherungsbedingungen enthalten ausdrückliche Klauseln zur Regelung des Falles einer „mehrfachen Anordnung“.

Eine typische Formulierung ist diese:

„Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach [es erfolgt eine Verweisung auf die Regelung zur Betriebsschließung] zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“

Eine solche Klausel gilt allerdings nur, wenn es überhaupt eine Einstandspflicht durch den Versicherer gibt.

Verlängerung oder Wiederholung einer behördlichen Anordnung

Liegt eine solche ausdrückliche Regelung nicht vor, ist die Frage zu klären, ob lediglich ein oder mehrere Versicherungsfälle vorliegen, wenn behördliche Anordnungen verlängert oder wiederholt werden.

Klar ist, dass behördliche (Schließungs-)Anordnungen befristet sein müssen, damit sie verhältnismäßig sind.

Verlängerung einer behördlichen Anordnung

Die Politik kann eine Befristung allerdings grundsätzlich auch nahtlos verlängern. Den Regelfall stellt eine Aufhebung der primären behördlichen Anordnung und die gleichzeitige Wiederholung der Anordnung in modifizierter Form dar. Trotz nahtloser Verlängerung liegt hier rechtlich eine zweite Anordnung und zweite Schließung vor. Gegen diese Einordnung spricht indes, dass ein verständiger, objektiver Versicherungsnehmer regelmäßig von einem einheitlichen Versicherungsfall ausgeht. Daher ist von einem einheitlichen Deckungszeitraum auszugehen.

Wiederholung einer behördlichen Anordnung

Davon abzugrenzen ist der Fall einer reinen Wiederholung einer Anordnung. Die liegt vor, wenn eine Schließung zwischenzeitlich gänzlich beendet wurde und eine Anordnung zeitlich später wiederholt wird. Hier kommt es darauf an, ob die Gefahrenlage zwischenzeitlich lediglich in reduzierter Form vorlag, oder ob sie komplett entfiel. Ist die Gefahrenlage gänzlich entfallen, kann nicht mehr von einem einheitlichen Deckungszeitraum die Rede sein.

Update Betriebsschließungsversicherungen: ein Fazit

Da keine ununterbrochene Schließung der Betriebe zwischen der „ersten“ und der „zweiten“ Welle gegeben war, ist in den meisten Fällen von Schließungen im Rahmen der „zweiten Welle“ von einer Wiederholung auszugehen. Zwar hat sich die Gefahrenlage bezüglich des Corona-Virus im Laufe des Sommers reduziert; diese ist jedoch in keinem Fall zwischenzeitlich zur Gänze entfallen.

Gleichwohl liegt in den überwiegenden Fällen – jedenfalls beim Fehlen einer ausdrücklichen Klausel zur „mehrfachen Anordnung“ – ein (neuer) Versicherungsfall vor. Denn der Versicherungsfall in der Betriebsschließungsversicherung ist gerade nicht die Corona-Pandemie als solche. Der Grund ist die Schließungsanordnung des versicherten Betriebes durch die zuständige Behörde.

Update Betriebsschließungsversicherungen: unsere Einschätzung

Als Versicherungsnehmer:in sollten Sie in Ihren Versicherungsbedingungen nachsehen, ob es dort eine ausdrückliche Regelung zu einer „mehrfachen Anordnung“ gibt.

Ist dies nicht der Fall, so ist in den überwiegenden Fällen von einem erneuten Versicherungsfall gemäß dem zuvor genannten auszugehen. Dementsprechend besteht auch bei einer „zweiten“ Welle eine Einstandspflicht der Versicherer.

Auch wenn diese rechtliche Einschätzung von den Gerichten noch nicht bestätigt ist, macht diese Hoffnung. Nicht erfreut über diese Weiterungen werden indes diejenigen Versicherungsnehmer:innen sein, die bereits zu Zeiten der ersten Welle durch Annahme eines Kulanz-Angebotes ihres Versicherers auf jegliche zukünftigen Ansprüche verzichtet haben.

Falls Sie Fragen rund um das Thema Betriebsschließungsversicherung haben, kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

 

 

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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