22. März 2021
BFH bestätigt Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen
Inhaltsverzeichnis
- Finanzverwaltung nutzt grundsätzlich Flächenschlüssel zur Ermittlung der Vorsteuerquote
- Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen und gemischt genutzten Gebäudekomplexen
- Keine Bindungswirkung bei Wahl des Aufteilungsschlüssels
- Erhebliche Unterschiede bei der Ausstattung von Räumen kann Anwendung des Umsatzschlüssels rechtfertigen
- Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen – Finanzamt trägt die Beweislast bei „unzutreffendem“ Aufteilungsschlüssel
- Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen – Aufteilung der Vorsteuern nach dem Phasenmodell
- Erste Phase – Vorsteuerbeträge lassen sich direkt und unmittelbar zuordnen
- Zweite Phase – Vorsteuerbeträge lassen sich nicht direkt und unmittelbar zuordnen
- Unsere Einschätzung
In einer Entscheidung aus dem November 2020 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Damit hat der BFH die Anwendbarkeit des Umsatzschlüssels bejaht. Soweit bei gemischt genutzten Gebäuden erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen, sind Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen. Lesen Sie hier alles rund um das Thema “BFH bestätigt Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen”.
Zur Einordnung: Beim Umsatzschlüssel wird der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze eines Gebäudes mit übrigen steuerfreien Umsätzen des Gebäudes in Verhältnis gesetzt. Beim sogenannten Flächenschlüssel wird die steuerpflichtig verpachtete Fläche eines Gebäudes ins Verhältnis zu der Gesamtfläche gesetzt und daraus die Vorsteuerquote gebildet.
Finanzverwaltung nutzt grundsätzlich Flächenschlüssel zur Ermittlung der Vorsteuerquote
Die Finanzverwaltung geht grundsätzlich von der Anwendbarkeit des Flächenschlüssels aus. Dies erfolgt aus fiskalischen Erwägungen, da sich im Bereich der gewerblichen (steuerpflichtigen) Vermietung häufig höhere Mietzinsen erzielen lassen und die grundsätzliche Anwendung des Umsatzschlüssels zu höheren Erstattungen durch den Fiskus führen würde.
Welche Auswirkungen sich aus der Anwendung des Flächenschlüssels beziehungsweise des Umsatzschlüssels auf die Vorsteuerquote eines Unternehmers ergeben können, zeigt das Verfahren, zu dem das Urteil im November gesprochen wurde.
Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen und gemischt genutzten Gebäudekomplexen
Die Klägerin errichtete in den Jahren 2009 und 2010 einen gemischt genutzten Gebäudekomplex. Darin befinden sich ein Supermarkt, der umsatzsteuerpflichtig verpachtet wird, sowie eine Senioren-Wohnanlage, die umsatzsteuerfrei verpachtet wird („Stadtteilzentrum“).
Da bei gemischt genutzten Gebäuden der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die bezogenen Eingangsleistungen (z.B. Handwerkerleistungen etc.) für steuerpflichtige Ausgangsumsätze verwendet werden, musste die Klägerin die auf das Gebäude entfallende Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG aufteilen.
Zunächst tat sie dies nach dem sogenannten Flächenschlüssel. Dieser Aufteilungsmaßstab führte dazu, dass nur knapp ein Drittel der Vorsteuer abziehbar war. Später machte die Klägerin geltend, dass wegen der erheblichen Ausstattungsunterschiede der verpachteten Flächen die Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel vorzunehmen sei. Der Umsatzschlüssel führte dazu, dass rund die Hälfte der Vorsteuer abziehbar war.
Dies lehnte das Finanzamt ab. Das Finanzgericht Nürnberg (FG Nürnberg) folgte der Ansicht des Finanzamtes. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des BFH keine Bindung an die Wahl eines fehlerhaften Aufteilungsmaßstabs. Auch sei eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel vorzunehmen, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung bestehen würden.
Das „Stadtteilzentrum“ sei aber – ungeachtet seiner grundbuchrechtlichen Teilung – ein einheitliches Gebäude und die Eingangsleistungen seien trotz der erheblichen Ausstattungsunterschiede der Flächen im Wesentlichen gleichartig.
Keine Bindungswirkung bei Wahl des Aufteilungsschlüssels
Der BFH sah die Rechtsfrage anders und hob daraufhin die Entscheidung des FG Nürnberg auf.
Das FG Nürnberg habe entgegen der Rechtsprechung des BFH angenommen, dass in Fällen, in denen die Ausstattung der Räumlichkeiten erhebliche Unterschiede aufweist, der Flächenschlüssel anwendbar sei.
Zutreffend habe das FG Nürnberg erkannt, dass für die Klägerin, die zunächst selbst einen Flächenschlüssel gewählt hat, keine Bindung an diese Wahl bestünde, wenn der Schlüssel nicht sachgerecht war.
Erhebliche Unterschiede bei der Ausstattung von Räumen kann Anwendung des Umsatzschlüssels rechtfertigen
Zwar habe das FG Nürnberg auch den zutreffenden Rechtssatz aufgestellt, dass Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen seien, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen.
Von diesem Rechtssatz ist das FG Nürnberg jedoch abgewichen. Unter der Annahme, dass dies nur „grundsätzlich“ gelte und dass sich die Eingangsleistungen im Streitfall ungeachtet der Ausstattungsunterschiede gleichmäßig auf die Flächen verteilen würden. Die vom FG Nürnberg angestellte Vergleichsbetrachtung habe der BFH nicht angestellt. Insoweit lag kein Ausnahmefall vor.
Dabei hat das FG Nürnberg auch nicht ausreichend beachtet, dass die Aufteilung eines Gebäudes auf die Nutzung für steuerfreie und steuerpflichtige Zwecke, soweit es um die Eingangsleistungen für die Errichtung geht, nach der Rechtsprechung des EuGHs und des BFH prozentual und nicht räumlich-gegenständlich vorzunehmen ist.
Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen – Finanzamt trägt die Beweislast bei „unzutreffendem“ Aufteilungsschlüssel
Außerdem kehre das FG Nürnberg im Rahmen seiner Argumentation das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 15 Abs. 4 UStG unzutreffend um. Nicht der Steuerpflichtige müsse beweisen, dass der Umsatzschlüssel präziser ist als ein Flächenschlüssel. Der Flächenschlüssel ist nur anzuwenden, wenn er präziser ist als ein Umsatzschlüssel. Dahingehend hat der BFH ergänzend ausgeführt, dass dies nur dann gilt, wenn der Flächenschlüssel nicht nur präziser ist als der Gesamtumsatzschlüssel, sondern auch präziser ist als ein objektbezogener Umsatzschlüssel.
Umsatzschlüssel bei steuerfreien Vermietungsumsätzen – Aufteilung der Vorsteuern nach dem Phasenmodell
Erfolgt ein Leistungsbezug zur Ausführung von sowohl steuerpflichtigen als auch steuerfreien, vorsteuerausschließenden Umsätzen, so ist die jeweilige Vorsteuer „aufzuteilen“. Als Aufteilungsmaßstab kommen grundsätzlich verschiedene Methoden in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des EuGHs und des BFH gelten für die Aufteilung der Vorsteuern folgende Grundsätze:
Erste Phase – Vorsteuerbeträge lassen sich direkt und unmittelbar zuordnen
In einer ersten Phase sind die auf der Eingangsstufe erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zunächst den verschiedenen Ausgangsumsätzen zuzuordnen. Das ist bei Aufwendungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung des gemischt genutzten Gebäudes regelmäßig einfach.
Für die Herstellungskosten ist jedoch davon auszugehen, dass nicht ein bestimmter Gebäudeteil, sondern ein bestimmter Prozentsatz des Gebäudes für steuerpflichtige beziehungsweise steuerfreie Umsätze genutzt wird. Eine räumlich-gegenständliche Zuordnung scheidet regelmäßig aus. Denn bei einem späteren Tausch solcher Räume (der zu keiner prozentualen Änderung der Quote führt) besteht keine Möglichkeit zur Vorsteuerberichtigung.
Zweite Phase – Vorsteuerbeträge lassen sich nicht direkt und unmittelbar zuordnen
In einer zweiten Phase ist bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes grundsätzlich eine Vorsteueraufteilung nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel vorzunehmen. Bestehen aber erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume oder ist eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel aus sonstigen Gründen nicht präziser, sind die Vorsteuerbeträge nach einem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen.
Bei zeitlich abwechselnder Nutzung derselben Flächen kann auch eine Aufteilung nach Nutzungszeiten erforderlich sein. Die (vom Mitgliedstaat angeordnete) abweichende Methode muss eine präzisere Bestimmung des pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs als die Umsatzmethode gewährleisten, muss aber nicht zwingend die präzisere sein.
Unsere Einschätzung
Die Ermittlung der Vorsteuerquote bei gemischten Gebäuden ist weiterhin äußerst komplex. Der BFH bestätigt mit vorliegendem Urteil seine Rechtsprechung bei erheblichen Ausstattungsunterschieden. Hervorzuheben ist auch der in den Entscheidungsgründen formulierte Satz, dass die Klägerin nicht an den ursprünglich gewählten Schlüssel gebunden ist, wenn dieser nicht sachgerechter beziehungsweise präziser war.
Unternehmen sollten daher den „präzisesten“ Schlüssel zur Ermittlung der Vorsteuerquote stets sorgsam überprüfen. Denn daraus können sich sowohl Chancen als auch Risiken ergeben.
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