BFH stoppt pauschale Steuerschätzungen – Kassenführung rückt in den Fokus
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8. Oktober 2025

BFH stoppt pauschale Steuerschätzungen – Kassenführung rückt in den Fokus

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Inhaltsverzeichnis

Am 18. Juni 2025 hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein wichtiges Urteil zur Kassenführung und zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gefällt (Az. X R 19/21). Streitpunkt war die Hinzuschätzung von Umsätzen bei einer Diskothek. Das Finanzamt hatte die Buchführung wegen formeller Mängel verworfen und Umsätze mithilfe der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums ermittelt. Der BFH hob die Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg auf und verwies den Fall zurück. Die Botschaft ist deutlich: Pauschale Hinzuschätzungen auf Basis von Richtsätzen haben künftig geringere Chancen.

Hintergrund des Falls: Streit um die Kassenführung einer Diskothek

Die Klägerin betrieb eine Diskothek mit überwiegend baren Einnahmen. Wegen Mängeln in der Kassenführung verwarf das Finanzamt die Buchführung und nahm Hinzuschätzungen vor. Grundlage waren u.a. Rohgewinnaufschlagsätze aus der amtlichen Richtsatzsammlung für die Gastronomie. Das Finanzgericht bestätigte dieses Vorgehen. Der BFH sah das jedoch kritisch: Die Übertragung von Gastronomie-Richtsätzen auf eine Diskothek sei ohne eingehende Begründung nicht haltbar.

Kernaussagen des BFH-Urteils im Überblick

  • Ordnungsmäßigkeit bleibt Voraussetzung: Mängel in der Kassenführung können die gesamte Buchführung entwerten. In diesem Fall ist eine Hinzuschätzung grundsätzlich zulässig.
  • Methodenwahl: präzise vor grob: Unter mehreren zulässigen Methoden muss die Finanzverwaltung die genauere wählen. Der innere Betriebsvergleich ist in der Regel verlässlicher als ein äußerer Vergleich über Richtsätze.
  • Begründungspflicht: Jede Hinzuschätzung muss transparent und nachvollziehbar begründet sein. Fehlt die Begründung, ist die Schätzung rechtsfehlerhaft.
  • Richtsatzsammlung unter Kritik: Der BFH äußert Zweifel an der statistischen Belastbarkeit der amtlichen Richtsatzsammlung. Sie kann zwar Anhaltspunkte liefern, reicht aber nicht aus, um ohne weiteres tragfähige Hinzuschätzungen zu stützen.
  • Externe Daten nur eingeschränkt verwertbar: Auch nicht-öffentliche Datenbanken dürfen genutzt werden. Werden Fragen zu Datengrundlage und Qualität aber nicht beantwortet, sinkt ihr Beweiswert erheblich.

Praktische Folgen für Unternehmen und Steuerpflichtige

  1. Warum eine saubere Kassenführung weiterhin entscheidend ist

Das Urteil ist kein Freibrief. Es ändert nichts daran, dass formelle Fehler in der Kassenführung zur Verwerfung der Buchführung führen können. Ohne saubere Kassenprozesse bleibt das Risiko einer Hinzuschätzung bestehen. Wer Barumsätze hat, braucht tägliche Kassenstürze, vollständige Z-Bons und eine gelebte Verfahrensdokumentation.

  1. Interne Kennzahlen als Schutzschild bei Betriebsprüfungen

Der BFH betont die Vorrangigkeit des inneren Betriebsvergleichs. Unternehmen, die konsistente interne Daten vorlegen können (z.B. Wareneinsatz, Personalaufwand, saisonale Schwankungen), verbessern ihre Ausgangsposition erheblich.

Beispiel Gastronomie: Aktionen wie „All you can eat“ oder hohe Freigetränke-Quoten verzerren Durchschnittswerte. Mit sauberer Dokumentation lassen sich solche Abweichungen erklären.

Beispiel Einzelhandel: Viele Rabatte oder Retouren senken die Durchschnittswerte. Auch das lässt sich mit Warenwirtschaftsdaten belegen.

  1. Richtsätze nur als Orientierung, nicht als Grundlage

Richtsätze können allenfalls Anhaltspunkte sein. Die Richtsatzsammlung darf nicht schematisch angewendet werden. Gerade die Übertragung auf nicht vergleichbare Betriebe – wie hier von der Gastronomie auf eine Diskothek – bedarf einer besonderen Begründung.

Handlungsempfehlung für Unternehmen – so bereiten Sie sich auf die nächste Betriebsprüfung vor

  1. Kassen-Check durchführen
    Prüfen Sie Kassensturzfähigkeit, Belege, Z-Bons und Ihre Verfahrensdokumentation.
  2. Innere Betriebsvergleiche aufbauen
    Sammeln Sie eigene Kennzahlen und dokumentieren Sie Besonderheiten (Rabatte, Events, saisonale Effekte). Dokumentieren Sie Ihre eigenen Unternehmensdaten (z. B. Wareneinsatz, Umsatzentwicklung, Personalstruktur).
  3. Schätzungen hinterfragen
    Verlangen Sie eine konkrete Begründung: Warum wurde diese Methode gewählt? Welche Datenquellen liegen zugrunde? Prüfen Sie, welche Methode die Finanzverwaltung gewählt hat und ob die Begründung tragfähig ist. Bei pauschalen Richtsätzen ohne betriebsbezogene Einordnung lohnt sich Widerspruch.

Unsere Einschätzung

Der BFH setzt klare Leitplanken: Pauschale Hinzuschätzungen ohne Bezug zum konkreten Betrieb haben künftig schlechtere Karten.

Gleichzeitig gilt: Nur mit einer ordnungsgemäßen und gelebten Kassenführung können Unternehmen ihre Position stärken. Wer zusätzlich eigene Vergleichsdaten vorhält, hat im Prüfungsfall die besten Chancen, überzogene Steuerforderungen abzuwehren.

Haben Sie Fragen dazu? Benötigen Sie dazu eine Beratung? Melden Sie sich gerne bei uns.

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