
25. April 2023
BFH-Urteil: Keine Umsatzsteuerbefreiung bei Verzicht auf Privatliquidationsrecht
Im Jahr 2022 lag dem Bundesfinanzhof (BFH) der Fall eines Chefarztes vor. Dieser durfte aufgrund einer altvertraglichen Vereinbarung die Abrechnungen für die Behandlung von Privatpatient:innen selbst vornehmen. Auf dieses Recht verzichtete er aufgrund einer Umstrukturierungsmaßnahme und erhielt im Gegenzug eine Entschädigungszahlung der Klinik. Hier stellt sich die Frage, ob diese Entschädigungszahlung der Umsatzsteuer unterliegt. Die Antwort finden Sie hier.
Was ist der Hintergrund des Falls?
Der angestellte Chefarzt ist Medizinprofessor und arbeitete als Direktor an einer Klinik. Er kann nach diesem Altvertrag und neben seinem Anstellungsverhältnis selbst Privatpatient:innen behandeln und diese Behandlungen auf eigene Rechnung auszahlen. Hierdurch erzielte er nebenberufliche Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Der Chefarzt verzichtete wegen einer Umstrukturierungsmaßnahme auf dieses sogenannte Privatliquidationsrecht und wurde an eine Forschungseinrichtung der Universität versetzt.
Für seine Verzichtserklärung und zum Ausgleich finanzieller Nachteile erhielt der Chefarzt eine monatliche Ausgleichszahlung der Klinik.
Was sieht das Umsatzsteuergesetz (UStG) vor?
Im Rahmen der nebenberuflichen Behandlung von Privatpatient:innen auf eigene Rechnung war der Chefarzt selbst im Sinne des § 2 UStG unternehmerisch tätig.
Da es sich hierbei um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin handelt, sind diese grundsätzlich nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Es stellt sich die Frage: Sind die monatlichen Ausgleichszahlungen steuerbar bzw. umsatzsteuerpflichtig oder liegt hier auch eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14a UStG vor.
Warum klagt der Chefarzt?
Der Chefarzt behandelte die monatlichen Zahlungen der Klinik als nicht umsatzsteuerbare Entschädigungszahlungen für den Wegfall seines Rechts auf Privatliquidation. Das Finanzamt hingegen sah in diesen monatlichen Zahlungen eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung. Der Chefarzt hätte also die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent zahlen müssen, woraufhin er klagte.
Wie urteilt das Finanzgericht (FG)?
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein urteilte am 30.09.2020 zugunsten des Klägers. Als Begründung führte das FG an, dass die Verzichtserklärung des Chefarztes überwiegend beamtenrechtlich veranlasst und nicht im Rahmen seiner umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft erfolgt sei.
Das Finanzamt legte gegen dieses Urteil Revision ein. Deshalb verhandelte der Bundesfinanzhof (BFH) abschließend die Angelegenheit.
Wie urteilt der Bundesfinanzhof (BFH)?
Der BFH teilte die Auffassung des Finanzgerichts Schleswig-Holstein nicht und widersprach diesem mit seinem Urteil vom 30.06.2022.
Er sah in der Verzichtserklärung auf das Privatliquidationsrecht und zukünftige Heilbehandlungen einen steuerbaren und auch steuerpflichtigen Vorgang.
Der BFH widersprach mit seinem Urteil der Auffassung des FG, wonach dass die zwischen Klinik und dem Mediziner getroffene Vereinbarung überwiegend beamtenrechtlich sei. In den Augen des UStG habe der Chefarzt eine Rolle als Unternehmer.
Was bedeutet das Urteil für den Kläger?
Laut des BFH steht dem Chefarzt kein umsatzsteuerbefreiter Schadenersatz zu.
Der BFH erklärte außerdem, dass dieser Fall, entgegen früherer Rechtsprechung, keine spiegelbildliche Beurteilung zulässt. Das heißt: Der Austausch von Leistung – steuerfreie Heilbehandlung – gegen Verzichtsleistung – Verzicht auf umsatzsteuerfreie Heilbehandlung – ergibt keine Umsatzsteuerbefreiung der Entschädigungszahlung.
Gibt es vergleichbare Fälle?
2015 ließ der BFH in einem anderen Fall eine spiegelbildliche Beurteilung zu. In diesem Fall ging es jedoch um eine umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung und eine vertragliche Auflösung gegen Abfindungszahlung. Diese Abfindungszahlung wurde – spiegelbildlich zu der umsatzsteuerbefreiten Grundstücksvermietung – ebenfalls als umsatzsteuerbefreit behandelt.
Unsere Einschätzung
Derzeit steht noch vielen Chefärzten und Chefärztinnen mit Altverträgen das Sonderrecht auf Privatliquidation zu. Dieser Fall dürfte mit Sicherheit keine Ausnahme sein. Deshalb ist das Urteil des Bundesfinanzhofs sehr relevant für die Praxis und das Umsatzsteuergesetz an sich.
Achten Sie also bei Umstrukturierungen, vertraglichen Anpassungen und Verzichtserklärungen besonders auf die umsatzsteuerliche Komponente.
Wenden Sie sich bei Fragen rund um dieses Thema gerne an unser Heilberufe-Expertenteam.