Diagramm zur Funktionsweise eines Cashpools im Konzern, das den Ausgleich von Liquiditätsüberschüssen und -defiziten veranschaulicht.
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6. August 2024

Cashpools im Konzern: Wann ist ein Markterschließungsrecht zu bilanzieren?

Kategorien: Steuerberatung

Cashpooling ist ein weit verbreitetes Instrument des Liquiditätsmanagements im Konzern. Es ermöglicht den konzerninternen Ausgleich von Liquiditätsüberschüssen und Liquiditätsdefiziten und kann so zur Optimierung der Konzernfinanzierung und zur Senkung von Finanzierungskosten beitragen.

Doch die steuerliche Behandlung von Cashpools birgt auch Fallstricke. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und wann anstelle einer Darlehensforderung ein sogenanntes Markterschließungsrecht als geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut zu bilanzieren ist. Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag anhand eines schematischen Beispiels nach. 

Cashpools als Instrument der Konzernfinanzierung 

Die Finanzierung einer Gesellschaft kann grundsätzlich mit Eigenkapital oder Fremdkapital erfolgen. Im Rahmen der sogenannten Finanzierungsfreiheit steht es Gesellschafterinnen und Gesellschaftern dabei frei, in welchem Umfang sie ihre Gesellschaft mit Eigenkapital bzw. Fremdkapital ausstatten. Diese Finanzierungsfreiheit wird grundsätzlich auch steuerlich anerkannt. Allerdings begründet sie kein Gebot der steuerlichen Finanzierungsneutralität. Vielmehr bestehen zahlreiche steuerliche Regelungen, die der Gefahr von Gewinnverlagerungen aus gesellschaftsrechtlichen Gründen begegnen sollen, etwa die Zinsschranke oder das Abzugsverbot für Gewinnminderungen aus Gesellschafterdarlehen. 

In der Unternehmenspraxis erfolgt die konzerninterne Fremdfinanzierung häufig über sogenannte Cashpools. Dabei werden die Konten der teilnehmenden Gesellschaften täglich auf ein zentrales Konto, das sogenannte Masterkonto, ausgeglichen. So können Liquiditätsüberschüsse und Liquiditätsdefizite innerhalb des Konzerns ausgeglichen und externe Zinsaufwendungen minimiert werden. 

Geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter: Definition und Bedeutung des Markterschließungsrechts 

Neben der Hingabe von Finanzierungsmitteln kann eine Beteiligung am Erfolg einer Gesellschaft auch durch den Erwerb sogenannter geschäftswertähnlicher Wirtschaftsgüter erfolgen. Diese verkörpern letztlich Gewinnpotenziale der Gesellschaft, die keinem anderen Wirtschaftsgut einzeln zugeordnet werden können. 

Für die steuerliche Bilanzierung müssen geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter insbesondere entgeltlich erworben worden sein. Zudem ist in der Folgebewertung zu prüfen, ob es sich um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handelt. 

Ein konkretes Beispiel für ein geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut ist das sogenannte Markterschließungsrecht. Dieses verkörpert die unselbständigen sonstigen Vorteile eines bestimmten Marktes und damit das zukünftig erwartete Gewinnpotenzial dieses Marktes. Es kann entstehen, wenn eine inländische Muttergesellschaft eine regionale ausländische Vertriebsgesellschaft mit dem eigenbetrieblichen Ziel aufbaut, über diese den ausländischen Markt zu erschließen und diesen letztlich selbst auszubeuten. 

Beispielsfall: Cashpooling mit ausländischer Vertriebsgesellschaft 

Diesen Fall nimmt das schematische Beispiel auf: Eine deutsche Muttergesellschaft (W AG) ist zu 100% an einer spanischen Vertriebsgesellschaft (N S.L.) beteiligt. Die N S.L. bezieht ihre Produkte ausschließlich von der W AG zu hohen Verrechnungspreisen. Sie nimmt zur Finanzierung ihrer Vertriebstätigkeit an dem Cashpool der W AG teil und weist dort regelmäßig einen negativen Saldo auf. 

Ziel der W AG ist es, über die N S.L. den spanischen Markt zu erschließen und das Marktpotenzial später selbst auszubeuten. Dabei überprüft sie lediglich, ob die langfristig erwarteten eigenen Gewinne aus dem spanischen Markt den negativen Cashpool-Saldo der N S.L. übersteigen. Der Rückerhalt der bereitgestellten Mittel ist demgegenüber nachrangig. 

Beispielsfall: Bilanzierung des Markterschließungsrechts 

In diesem Fall hat die W AG mit Vollendung der Markterschließung anstelle einer Darlehensforderung ein Markterschließungsrecht als geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut zu bilanzieren. Denn die Bereitstellung der liquiden Mittel erfolgt hier aus eigenbetrieblichen, operativen Gründen der W AG und nicht primär zur Finanzierung der N S.L. Das zeigt sich insbesondere in der atypischen Finanzierungsform über den Cashpool, den niedrigen Poolzinsen, den ungewöhnlichen Bedingungen für die Pool-Teilnahme und der Gestaltung der Verrechnungspreise. 

Das Markterschließungsrecht umfasst dabei die verschiedenartigen Vorteile, die die N S.L. als regionale Vertriebsgesellschaft gegenüber einem hypothetischen Direktvertrieb durch die W AG aufweist, also etwa Kontakte, Sprach- und Marktkenntnisse oder gesellschaftsrechtliche Vorteile. Es erfüllt auch die Voraussetzungen eines steuerbilanziellen Wirtschaftsguts und ist mit dem Betrag des bis zur Vollendung der Markterschließung entstandenen positiven Cashpool-Saldos der W AG zu bewerten. In der Folgebewertung sind planmäßige Abschreibungen vorzunehmen, wobei sich die Nutzungsdauer nach der erwarteten Laufzeit der Produktbezugsvereinbarung zuzüglich der Dauer des Konkurrenzverbots bemessen kann. 

Von der W AG nach Vollendung der Markterschließung weiter bereitgestellte liquide Mittel stellen keine nachträglichen Anschaffungskosten des Markterschließungsrechts dar, sondern sind erfolgswirksam als Aufwand zu berücksichtigen, da sie dem Erhalt des bereits gesicherten Markterschließungsrechts dienen. 

Krise der Vertriebsgesellschaft: Auswirkungen auf das Markterschließungsrecht 

Befindet sich die N S.L. von Anfang an in einer Krise, so dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie den negativen Cashpool-Saldo nicht zurückzahlen kann, ändert dies an der grundsätzlichen Bilanzierung eines Markterschließungsrechts nichts. Denn das Primärziel der W AG bleibt weiterhin die Nutzung der Gewinnpotenziale des spanischen Marktes. 

Es liegt auch keine verdeckte Einlage vor, da die Bereitstellung der liquiden Mittel nicht aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgt. In Einzelfällen kann jedoch eine außerplanmäßige Teilwertabschreibung des Markterschließungsrechts in Betracht kommen, wenn die Krise der N S.L. auf das Markterschließungsrecht selbst durchschlägt, etwa weil Kund:innen verunsichert werden und ihre Zahlungsbereitschaft sinkt. 

Unsere Einschätzung 

Sorgfältige Analyse und Dokumentation von Cashpools sind entscheidend 

Die steuerliche Einordnung einer Cashpool-Vereinbarung erfordert stets eine sorgfältige Analyse der konkreten Ziele sowohl der finanzierenden Muttergesellschaft als auch der finanzierten Tochtergesellschaft. Verfolgt die Muttergesellschaft mit der Liquiditätsbereitstellung primär eigenbetriebliche, operative Zwecke und nicht die günstige Finanzierung der Tochter, so kann anstelle einer Darlehensforderung die Bilanzierung eines geschäftswertähnlichen Wirtschaftsguts, konkret eines Markterschließungsrechts, geboten sein. 

Dies gilt selbst dann, wenn die Tochtergesellschaft sich in einer Krise befindet und die bereitgestellten Mittel von Anfang an nicht voll werthaltig sind. Entscheidend ist allein das Primärziel der Muttergesellschaft. Ist dieses auf die Nutzung der eigenen Gewinnpotenziale im erschlossenen Markt gerichtet, so rechtfertigt dies die Bilanzierung eines Markterschließungsrechts. 

Der vorliegende Beitrag zeigt damit eindrücklich, dass die steuerliche Behandlung von konzerninternen Finanzierungsbeziehungen keineswegs schematisch erfolgen kann, sondern stets eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erfordert. Cashpooling ist eben nicht gleich Cashpooling. Vielmehr können sich hinter identischen zivilrechtlichen Strukturen völlig unterschiedliche wirtschaftliche Realitäten und damit auch unterschiedliche steuerliche Konsequenzen verbergen. 

Für die Praxis bedeutet dies: Unternehmen sollten ihre Cashpool-Vereinbarungen sorgfältig analysieren und dokumentieren. Nur so lassen sich böse Überraschungen bei Betriebsprüfungen vermeiden und die steuerlichen Chancen eines Cashpools optimal nutzen. In diesem Sinne: Nichts dem Zufall überlassen und immer genau hinschauen, was sich hinter dem Pool verbirgt! 

Haben Sie Fragen zu Cashpools oder möchten Sie sich beraten lassen? Kontaktieren Sie einfach unseren Experten Nico Kurth und klären Sie Ihre Fragen. 

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