Nachtragsliquidation: Wiederaufnahme eines Liquidationsverfahrens
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12. September 2024

Nachtragsliquidation: Alles, was Sie über die rechtlichen Aspekte wissen müssen

Wenn eine Gesellschaft wie eine GmbH oder Aktiengesellschaft bereits abgewickelt oder gelöscht wurde, besteht trotzdem die Möglichkeit, dass sich noch Vermögenswerte finden, die nachträglich abgewickelt und ggf. verteilt werden müssen. Dann muss eine sogenannte Nachtragsliquidation stattfinden. In einem solchen Fall wird die bereits abgeschlossene Liquidation wieder aufgenommen, um diese nachträglichen Ansprüche oder Vermögensgegenstände zu regeln. Was genau die Nachtragsliquidation ist, warum die notwendig ist und wie das Verfahren abläuft, erfahren Sie in diesem Beitrag von Gastautor Dr. Lukas Lindner, Anwalt und Nachtragsliquidator. 

Was sind die Grundlagen für eine Liquidation?

Zu diesem Thema haben wir bereits einige Beiträge verfasst. Dabei sind wir auf die Grundzüge und auch auf Besonderheiten eingegangen. Einen Zusammenfassenden Beitrag finden Sie hier: FAQ: Die wichtigsten Fragen zur Liquidation einer GmbH (ecovis-kso.com)FAQ: Die wichtigsten Fragen zur Liquidation einer GmbH (ecovis-kso.com). In diesem Artikel gehen wir auf das spezifische Thema der Nachtragsliquidation ein, das in der Praxis seltener vorkommt, aber trotzdem von großer Bedeutung sein kann. 

Gründe für eine Nachtragsliquidation

Es gibt verschiedene Gründe, die eine Nachtragsliquidation notwendig machen. Dies können rechtliche Ansprüche verschiedenen Ursprungs sein, häufig handelt es sich jedoch um Grundbucheintragungen wie eine Sicherungshypothek oder Auflassungsvormerkung. Oft wird bei der Liquidation einer Gesellschaft versäumt oder vergessen, die Grundbücher zu bereinigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eintragung inhaltlich noch besteht, wie bei einer unbezahlten Hypothek, oder ob sie nicht mehr relevant sind, z. B. bei einer nicht mehr durchzuführenden Auflassung.  

Warum ist die Nachtragsliquidation notwendig?

Die Nachtragsliquidation ist notwendig, um noch offene Vermögenswerte wie Grundbucheintragungen ordnungsgemäß abzuwickeln. Laut § 902 BGB bestehen Grundbucheintragungen praktisch unendlich, und eine Gesellschaft gilt erst dann als vollständig abgewickelt, wenn sie keine Vermögenswerte mehr aufweist. Auch wenn eine Eintragung inhaltlich leer ist, wird sie als Vermögenswert betrachtet, der im Rahmen der Nachtragsliquidation behandelt werden muss. 

Das Verfahren der Nachtragsliquidation

Um eine bereits gelöschte Gesellschaft erneut abzuwickeln, muss sie vor dem Registergericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft zuletzt ihren Sitz hatte, „wiederbelebt“ werden. Dies geschieht auf Antrag eines oder einer Berechtigten, woraufhin das Gericht nach einer Anhörung der Beteiligten den Nachtragsliquidator bestellt. 

Aufgaben von Nachtragsliquidator:innen

Nachtragsliquidator:innen übernehmen eine zentrale Rolle, die sowohl Immobilienrecht als auch Gesellschaftsrecht umfasst. Sie müssen mit den rechtlichen Vorschriften vertraut sein und ihre Aufgabe sorgfältig ausführen. Sie handeln im Interesse der Gesellschaft und müssen daher gewissenhaft prüfen, welcher rechtliche Charakter der Eintragung zugrunde liegt und ob diese uneingeschränkt und ohne Weiteres gelöscht werden kann. 

Sollten Nachtragsliquidator:innen feststellen, dass Forderungen noch offen und unbeglichen sind, müssen sie dies berücksichtigen. Dann müssen sie Geld entgegennehmen, z. B. wenn eine Hypothek noch valutiert. Dann sind auch steuerliche Regelungen zu beachten, bevor das Geld Berechtigten ausgezahlt wird. Das alles gleicht dem Verfahren wie bei einer noch existierenden Gesellschaft. Es darf keinen Unterschied machen, ob das Vermögen erst gefunden und eingenommen wird, wenn die Gesellschaft bereits gelöscht wurde. 

Die Prüfung umfasst unter anderem die ordnungsgemäße Dokumentation und auch die Beachtung steuerlicher Vorschriften. Nachtragsliquidator:innen müssen sicherstellen, dass alle finanziellen und rechtlichen Aspekte korrekt behandelt werden. 

Steuerliche Aspekte der Nachtragsliquidation

Eine Nachtragsliquidation führt nicht zu einer steuerlichen „Wiederbelebung“ der Gesellschaft, sondern verlängert lediglich den bereits laufenden Liquidationszeitraum für steuerliche Zwecke. Es gelten weiterhin die gleichen steuerlichen Pflichten wie während der regulären Liquidationsphase. 

Die Gesellschaft bleibt körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig und muss auch nachträglich Steuererklärungen abgeben. Alle während der Nachtragsliquidation erzielten Einkünfte unterliegen der regulären Besteuerung, und Nachtragsliquidator:innen sind für die Einhaltung dieser steuerlichen Pflichten verantwortlich. Die Steuerpflicht endet erst, wenn sämtliche steuerlichen Angelegenheiten vollständig geklärt sind. Verluste, die während der Liquidation oder Nachtragsliquidation entstehen, können gegebenenfalls mit Gewinnen aus Vor- oder Folgejahren verrechnet werden, jedoch nur im Rahmen der steuerlichen Verlustverrechnungsregeln. 

Sollten während der Nachtragsliquidation umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht werden, ist auch eine entsprechende Umsatzsteuererklärung abzugeben. 

Am Ende der Nachtragsliquidation ist eine Schlussrechnung zu erstellen, die den gesamten Abwicklungsprozess sowie die steuerlichen Aspekte umfassend dokumentiert. Wichtig ist dabei, dass Nachtragsliquidator:innen persönlich für die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der liquidierten Gesellschaft haften. Eine sorgfältige und korrekte steuerliche Abrechnung ist daher unerlässlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden. 

Unsere Einschätzung: Die Bedeutung der Nachtragsliquidation für Gesellschaften

Die Nachtragsliquidation stellt sicher, dass aufgefundene Vermögenswerte sorgfältig geprüft und abgewickelt werden. Dies ist wichtig, um die Gesellschaft vollständig abzuwickeln und mögliche Ansprüche von Gläubigern zu erfüllen. Hierzu bedarf es meist professioneller Unterstützung, da die rechtlichen und steuerlichen Aspekte im Auge behalten werden müssen. 

Dieser Beitrag wurde gemeinsam von unserem Steuerberater Lars Rinkewitz und dem Gastautor und Rechtsanwalt Lukas Lindner verfasst. Während Lars Rinkewitz Sie in steuerlichen Fragen umfassend unterstützen kann, bringt Lukas Lindner seine Expertise im Bereich des Gesellschaftsrechts ein. Bei speziellen rechtlichen Fragestellungen rund um die Nachtragsliquidation oder die Abwicklung gelöschter Gesellschaften wenden Sie sich gerne direkt an Lukas Lindner. Wenn Sie Fragen zur Nachtragsliquidation haben oder Unterstützung bei der Abwicklung einer gelöschten Gesellschaft benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen. 

Über den Gastautor: Rechtsanwalt Dr. Lukas Lindner ist Gründungspartner der Rechtsanwaltskanzlei Semder Lindner Rechtsanwälte und spezialisiert auf Nachtragsliquidationen sowie immobilienwirtschafts- und gesellschaftsrechtliche Fragestellungen. Er wird regelmäßig von Gerichten bundesweit als Nachtragsliquidator bestellt und berät bei komplexen Transaktionen.  

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Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern. 

Dr. Lukas Lindner

Rechtsanwalt, Partner einer mittelständischen Kanzlei

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