Compliance-Erfordernisse für die Geschäftsführung
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27. Januar 2023

Compliance-Erfordernisse für die Geschäftsführung

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Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat am 30.03.2022 mit einem Urteil (12 U 1520/19) unternehmerische Compliance-Vorschriften aufgegriffen. Das Gericht ging auf die Anforderungen zu Aufsichts- und Kontrollpflichten ein. Die Vorgaben sind ein Leitfaden für die Geschäftsleitung von Unternehmen. Für Fremdgeschäftsführer:innen ist die Implementierung und Überwachung von Compliance-Vorschriften unabdingbar. Sie finden in diesem Artikel mehr zum Urteil und warum Compliance-Maßnahmen bis hin zur Einrichtung eines Tax Compliance Management Systems (TCMS) notwendig sind.

Was war der Sachverhalt beim OLG Nürnberg?

Es ging um eine zivilrechtliche Schadenersatzklage einer Kommanditgesellschaft (KG). Sie richtete sich gegen den Geschäftsführer ihrer Komplementärin (GmbH). Es wurden Ersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen geltend gemacht. Ein Mitarbeiter der KG hatte durch Manipulationen und Überschreitung von Kompetenzen dafür gesorgt, dass Kund:innen der KG den eingeräumten Kreditrahmen zum Teil deutlich überschreiten konnten. Der endgültige Zahlungsausfall der Kund:innen durch Insolvenz führte bei der KG zu einem Schaden.

Bereits die Vorinstanz, das Landgericht Nürnberg-Führt (Urteil vom 05.04.2019 sowie Beschluss vom 11.06.2019, 2 HK O 3068/18), hat der KG einen Schadenersatz eingeräumt und dem Geschäftsführer eine sorgfaltswidrige Führung der Geschäfte bescheinigt.

Was sagt nun das OLG Nürnberg zum Thema Compliance?

Das OLG Nürnberg hat die Auffassung der Vorinstanz im Wesentlichen bestätigt. Der Geschäftsführer hat pflichtwidrig gehandelt. Er hat im Rahmen von internen Strukturen und Prozessen ein rechtmäßiges und effektives Handeln nicht gewährleistet. Mit diesen sowie mit Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen wäre die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft und deren Mitarbeiter verhindert worden. Die Folge: Das Fehlverhalten des Mitarbeiters wurde nicht unterbunden, obwohl es leicht erkenn- und verhinderbar gewesen war.

Ein:e Geschäftsführer:in bzw. ein Vorstand bzw. eine Vorständin muss sich an der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns messen lassen. Die Pflicht wird aus § 43 GmbHG abgeleitet. Bei Verletzung dieses Grundsatzes haften sie der Gesellschaft gegenüber für den entstandenen Schaden und sind zum Ersatz verpflichtet.

Aus dieser Legalitätspflicht folgt die Verpflichtung des Geschäftsführers bzw. der Geschäftsführerin zur Einrichtung eines Compliance Management-Systems. Er oder sie muss organisatorische Vorkehrungen treffen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter:innen verhindern. Der oder die Geschäftsführer:in muss, laut Urteil, den Geschäftsgang so überwachen, dass er oder sie unter normalen Umständen mit einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann. Ferner muss er bzw. sie sofort eingreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen.

Das OLG Nürnberg sieht eine Pflichtverletzung, wenn durch unzureichende Organisation, Anleitung bzw. Kontrolle Mitarbeiter:innen Straftaten oder sonstiges Fehlverhalten ermöglicht oder erleichtert werden. Kontrollen dürfen nicht erst dann einsetzen, wenn Missstände entdeckt werden. Erforderlich sind stichprobenartige, überraschende sowie präventive Überprüfungen bzw. Kontrollen. Das Gericht sagt, dass wenn stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichend sind, um Mitarbeiter:innen zu verdeutlichen, dass Verstöße entdeckt und geahndet werden, weitere Maßnahmen ergriffen werden können.

Die Grenze für Aufsichtsmaßnahmen der Geschäftsführung liegt in der objektiven Zumutbarkeit. Das Betriebsklima muss berücksichtigt werden, ebenso die Würde der Mitarbeiter:innen. Zumutbarkeitsgrenzen liegen in der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter:innen und in dem bei Arbeitsteilung geltenden Vertrauensgrundsatz. Der Aufbau eines flächendeckenden Kontrollnetzes kann nicht verlangt werden.

Was sind Compliance Management Systeme?

Compliance bedeutet die Sicherstellung der Einhaltung von Recht und Gesetz im Unternehmen. Die einzuhaltenden gesetzlichen Vorschriften sind komplex und unüberschaubar. Daraus ableitend, haben sich Compliance Management Systeme (CMS) etabliert. Das sind Strukturen und Prozesse, die sicherstellen, dass alle für das Unternehmen geltenden Gesetze, Verordnungen und Vorschriften eingehalten werden. Ein wesentlicher Bereich eines CMS ist, dass Änderungen bestehender oder die Einführung neuer Regeln im Unternehmen bekannt werden.

Compliance Management Systeme werden in einzelne Rechtsgebiete unterteilt. Für den Bereich Steuern haben sich spezielle CMS etabliert, die sogenannten Tax Compliance Management Systeme (TCMS). Aufgabe eines TCMS ist, sicherzustellen, dass die geltenden Steuergesetze beachtet und die erforderlichen Erklärungen und Meldungen fristgerecht und korrekt abgegeben werden.

Was folgt aus dem Urteil zur Compliance-Verpflichtung?

Es gibt eine generelle Compliance-Verpflichtung der Geschäftsführung.
Dazu zählen: 

  • Überwachungspflichten
  • Vorkehrungen organisatorischer Art
  • Pläne für Eingriffsmechanismen bei Fehlverhalten
  • Angemessene Kontrollen und Überprüfungen
  • Durchführung stichprobenartiger und überraschender Prüfungen 

Im Falle einer Verteilung von Aufsichtspflichten liegt die Oberaufsicht sowie die volle Verantwortung bei der Geschäftsleitung.

Lassen sich die aufgestellten Grundsätze auf das Tax Compliance Management System übertragen?

Die allgemeinen Regelungen zum Thema Compliance lassen sich auf die Erfordernisse der Tax Compliance übertragen. Der Geschäftsführung werden zum Beispiel falsch deklarierte Steuern angelastet. Dabei besteht eine Haftung gegenüber der Gesellschaft. Ebenso besteht eine Haftung sowie etwaige Strafbarkeit gegenüber dem Fiskus. Das Ergreifen von Maßnahmen hin zu einem umfassenden TCMS sind erforderlich.

Die Geschäftsführung trägt die Verantwortung für Fehler, die bei der Unterzeichnung von Steueranmeldungen und Steuererklärungen der Gesellschaft entstehen können, ob absichtlich oder unabsichtlich. Besonders Fremdgeschäftsführer:innen müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, die aus einem Organisationsverschulden ein bloßes Arbeitsverschulden machen. Dies dient der Enthaftung und liegt in ihrem besonderen Interesse. Dabei hilft die Einführung eines TCMS.

Fachleute helfen beim Aufbau und der Einrichtung eines Tax CMS. Die Anforderungen an das TCMS werden nach Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Fehlern und deren Auswirkungen definiert. Entsprechende Arbeitsanweisungen und Richtlinien werden mindestens für die Mitarbeiter:innen der Buchhaltungs- sowie der Steuerabteilung erlassen. Hier sind entsprechende Überprüfungen und Kontrollen notwendig.

Einzelne Prozesse werden auf Effizienzen und Risiken analysiert. Eine reine Dokumentation reicht nicht aus. Wird ein TCMS eingeführt, beginnt man entweder mit einzelnen Steuerarten (Lohnsteuer, Umsatzsteuer) oder mit einzelnen Sachverhalten (grenzüberschreitende Sachverhalte).

Eine bereits vorhandene Verfahrensdokumentation erleichtert den Einstieg. Dort werden die relevanten Prozesse und Strukturen für die Steuern und das Rechnungswesen beschrieben. Hat man diese Analyse erst einmal gemacht, lässt sich auf dieser Grundlage auch mit einem TCMS beginnen.

Unsere Einschätzung

Die Einführung von Compliance Management Systemen ist nicht nur empfehlenswert, sondern im Hinblick auf das zuvor beschriebene Urteil unabdingbar. Die konkrete Ausgestaltung hängt stark von der Größe sowie dem rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld eines Unternehmens ab. Das CMS einer regional tätigen, kleineren Kapitalgesellschaft sollte weniger komplex sein müssen als etwa das eines international tätigen Großkonzerns.

Gleiches gilt auch für ein TCMS. Es kommt stets auf die Größe und die Komplexität des Unternehmens und des individuellen Geschäfts an. Wichtig ist nur, sich mit der Thematik zu beschäftigen.

Neben der Beseitigung von Haftungsfällen hat die Beschreibung der Einhaltung der Compliance auch sicherlich noch weitere Vorteile. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass ein funktionierendes CMS sich auch bei Kreditvergaben sowie beim Abschluss von Verträgen (Versicherungsverträge, etc.) vorteilhaft auswirkt.

Haben Sie Fragen dazu? Benötigen Sie Unterstützung bei Ihren Compliance-Prozessen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Expert:innen zu diesem Thema

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

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