16. Juli 2020

Wer haftet bei Corona-Infektion am Arbeitsplatz? Pflichten und Haftungsrisiken für Arbeitgeber

Kategorien: Unkategorisiert

Das Corona-Virus hat in vielen Unternehmen zu erheblichen Umstellungen zum Schutz der Beschäftigten geführt. Doch wer haftet bei Corona-Infektion am Arbeitsplatz? Wir beleuchten die Arbeitnehmerpflichten, Arbeitsschutzregeln und Haftungsrisiken.

Denn trotz aller Maßnahmen besteht natürlich stets ein Restrisiko der Ansteckung am Arbeitsplatz. Bei der Frage nach einer möglichen Haftung gilt es, zunächst auf die Pflichten der Arbeitnehmer und die aktuellen Arbeitsschutzregeln und Maßnahmen zu schauen.

Corona-Infektion am Arbeitsplatz: Arbeitgeberpflichten, Arbeitsschutzregeln und die Corona-Warn-App

Arbeitnehmer vor Corona-Infektion schützen: Pflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber sind zunächst einmal rechtlich verpflichtet, die nötigen Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter zu ergreifen. Das fängt bei der Aufklärung über die Ansteckungsgefahr mit dem Virus Covid-19 und den richtigen hygienischen Verhaltensweisen an. Im schlimmsten Falle sind Arbeitgeber zu einer Betriebsschließung verpflichtet.

Dabei muss der Arbeitgeber stets eine Abwägung zwischen der Gesundheit und den berechtigten Interessen seiner Arbeitnehmer (deren Würde und Persönlichkeit) und dem unternehmerischen Interesse, einen Schadenseintritt zu verhindern, vornehmen.

Nutzung der Corona-Warn App

Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer nicht zur Nutzung der Corona-Warn-App verpflichten.

Zur Vermeidung von Corona-Infektionen im Unternehmen ist das zwar sinnvoll, die Verpflichtung zur Nutzung der App steht dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers allerdings entgegen.

Schutz vor Corona-Infektion: Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen

Zur Orientierung der Arbeitgeber hat das Bundesarbeitsministerium Arbeitsschutzstandardregeln herausgegeben. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeber am Arbeitsplatz ein organisatorisches Umfeld schaffen müssen, das es den Arbeitnehmern ermöglicht, Hygienestandards einzuhalten.

Dementsprechend muss der Arbeitgeber Arbeitsplätze bereitstellen, an denen Arbeitnehmer mindestens 1,5 Meter Abstand halten können und unter Umständen sogar Trennwände installieren.

Zudem müssen Arbeitgeber Desinfektionsmittel, Handseifen und Handtuchspender bereitstellen. In Bereichen, in denen sich üblicherweise mehrere Mitarbeiter gleichzeitig aufhalten (z.B. Küche), müssen Arbeitgeber die Abstandsflächen deutlich markieren. Weiter sind Betriebsmittel, die ständig genutzt werden, möglichst personenbezogen bereitzustellen.

Insbesondere in größeren Betrieben ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt sinnvoll und hilfreich.

Corona-Infektion am Arbeitsplatz: Haftet der Arbeitgeber?

Diese Frage wird gerade jetzt, wo viele Unternehmen allmählich wieder zur Normalität übergehen, immer relevanter. Grundsätzlich ist sie leicht zu beantworten:

Bei Missachtung der aufgeführten Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen haftet der Arbeitgeber bei einer Corona-Infektion am Arbeitsplatz.

Hat der Arbeitgeber die oben skizzierten Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen in ausreichendem Umfang ergriffen, droht hingegen keine Haftung.

Corona-Infektion am Arbeitsplatz: Haftungsrisiken des Arbeitgebers

Bei einer Infektion mit dem Corona-Virus am Arbeitsplatz bestehen unterschiedliche Haftungsrisiken. Dabei kommt es auf die Umstände der Missachtung der Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen.

Corona-Infektion am Arbeitsplatz: Haftung aus einer Ordnungswidrigkeit

Missachtet der Arbeitgeber die Vorgaben zum Arbeitsschutz, droht eine Haftung aus verschiedenen Ordnungswidrigkeitstatbeständen. Beispielhaft sei hier das Infektionsschutzgesetz und das Arbeitsschutzgesetz genannt. Hier drohen Bußgelder bis zu 25.000 Euro.

Haftungsrisiken der Geschäftsleitung bei Corona-Infektion am Arbeitsplatz

Hat der Geschäftsleiter eines Unternehmens nicht gewährleistet, dass die oben skizzierten Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen in ausreichendem Umfang umgesetzt und eingehalten werden, kann das Unternehmen Schadensersatzansprüche wegen Verstoß gegen Compliance-Regeln geltend machen.

Strafrechtliche Haftung des Arbeitgebers bei Corona-Infektion am Arbeitsplatz

Denkbar ist auch eine strafrechtliche Haftung des Arbeitgebers. Entsprechende Straftatbestände sieht das Infektionsschutzgesetz vor.

Auch eine Haftung wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder gar fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) kann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen nicht ausreichend umgesetzt hat.

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bei Corona-Infektion am Arbeitsplatz

Infiziert sich ein Arbeitnehmer mit dem Corona-Virus im Unternehmen, kann in Ausnahmefällen schließlich auch ein zivilrechtliches Haftungsrisiko des Arbeitgebers bestehen.

Grundsätzlich haftet der Arbeitgeber im Fall von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nicht – es gilt hier eine besondere Haftungsbeschränkung für den Arbeitgeber. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung kommt für diese Fälle auf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Personenschaden vorsätzlich verursacht hat, also wenn er überhaupt keine Schutzmaßnahme ergriffen hat.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat nun allerdings angekündigt, für Personenschäden infolge von Infektionen mit dem Corona-Virus am Arbeitsplatz grundsätzlich nicht aufkommen zu wollen, weil es sich um eine sogenannte “Allgemeingefahr” handele. Wenn es dabei bleibt, könnte ein Arbeitgeber dann auch für fahrlässig verursachte Infektionen in Anspruch genommen werden.

Letztlich kommt es in diesen Fällen immer darauf an, ob der Arbeitgeber den Schaden, der bei dem Arbeitnehmer eingetreten ist, verursacht hat. Der Arbeitgeber muss also beweisen, dass entweder ausreichende Schutzmaßnahmen vorhanden waren, oder, dass nicht ausreichende Schutzmaßnahmen nicht zu dem eingetretenen Schaden geführt haben.

Unsere Empfehlung: Dokumentieren Sie Schutzmaßnahmen

In Zeiten, in denen viele Unternehmen ein Stück zurück in die Normalität gehen und immer mehr Mitarbeiter zurück an ihren Arbeitsplatz kehren, steigt naturgemäß auch das Risiko der Infektion am Arbeitsplatz.

Für den Arbeitgeber ist es nun wichtig, noch einmal zu kontrollieren, ob alle erforderlichen Arbeitsschutzregelungen und -maßnahmen eingehalten sind. Aufgrund des enormen Haftungsrisikos empfehlen wir die Implementierung der Regelungen und der Standards sorgfältig zu dokumentieren. Nur so kann der Arbeitgeber bei einem Infektionsfall seine Haftung ausschließen.

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Expert:innen zu diesem Thema

Keine passenden Personen gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Das Jahr 2025 bringt zahlreiche steuerliche Veränderungen mit sich, die sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen betreffen. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Neuerungen zusammen und gibt Einblicke, welche Auswirkungen diese Änderungen haben können.   Entlastungen für Bürger:innen  Höherer Grundfreibetrag und Anpassung der [...]

    Lars Rinkewitz

    22. Jan. 2025

  • Schlussabrechnungen der Coronahilfen - Wichtige Erkenntnisse und die Suche nach einem prüfenden Dritten

    Die Coronahilfen beschäftigen die deutschen Steuerberatungen noch immer. Sie beschäftigen sich weiterhin mit der Erstellung und Übermittlung der Schlussabrechnungen zu den Überbrückungshilfen sowie den November- und Dezemberhilfen. Hier finden Sie einen Einblick in die Praxis und bisherigen Erfahrungen unseres [...]

    Lars Rinkewitz

    18. März 2024

  • Influencer:innen und andere Content-Creator:innen verdienen Geld mit medialer Aufmerksamkeit. Selbstverständlich haben das auch die Finanzbehörden im Blick. Informieren Sie sich bei uns über die steuerliche Behandlung von Influencer:innen und anderen Content-Creator:innen. Als Content-Creator:innen gelten Blogger:innen, Influencer:innen, Podcaster:innen und Youtuber:innen. Im [...]

    Büsra Karadag

    05. Nov. 2020