28. Dezember 2020

Der Jahresrückblick 2020 und ein Blick nach vorn aus Sicht der Wirtschaftsprüfer:innen

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2020 neigt sich dem Ende zu. Wir blicken auf ein Jahr mit einmaligen und bislang nie da gewesenen Herausforderungen zurück und machen uns Gedanken über das, was davon bleiben wird. In meinen Augen sind das drei Dinge: Corona hat erstens auf Unternehmen in Deutschland wie ein Katalysator für (digitale) Veränderungen gewirkt und zweitens Unternehmen gezwungen, ihre Business-Modelle dauerhaft anzupassen. Drittens hat Wirecard den Finanzmarktplatz Deutschland erschüttert. Alle drei werden dauerhafte Veränderungen nach sich ziehen.

Der Corona-Ausnahmenzustand hat die Unternehmenswelt nachhaltig verändert

Mit Beginn der ersten Lockdown-Maßnahmen kam für viele Unternehmen das Geschäft zum Erliegen. Entweder konnten die Produkte nicht mehr abgesetzt werden oder die notwendigen Vorprodukte waren nicht mehr verfügbar.

Es mussten Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter:innen vor Ansteckung getroffen werden, was im Wesentlichen die Einrichtung von Homeoffice für die Mitarbeiter:innen in der Verwaltung und organisatorische Anpassung in den Produktionsbetrieben zur Folge hatte. Diejenigen, die ihre Produktion zunächst noch aufrechterhalten konnten, waren dann später von den abreißenden globalen Lieferketten betroffen. Für unsere Mandanten bedeutete das in erster Linie, eine Digitalisierung im Schnelldurchlauf, damit von zu Hause gearbeitet werden konnte.

Dann mussten sich viele Unternehmen mit der Beantragung von Hilfen und Kurzarbeit befassen und ihr Unternehmen ad hoc auf die neuen Gegebenheiten im Bereich Vertrieb und Beschaffung umstellen. In der Folge waren die Planungen zu aktualisieren. Dies war im ersten Schritt für die Beantragung der Hilfen notwendig. Im zweiten Schritt stand aber auch die Frage nach der zukunftsfähigkeit des Unternehmens im Fokus.

Diese Planungen spielten auch für die Fortführungsprognose eine Rolle. Kann der Jahres- und Konzernabschluss weiterhin unter der Annahme der Fortführung des Unternehmens aufgestellt werden? Ist das bisherige Geschäftsmodell auch unter Corona-Bedingungen weiterhin tragfähig?

Welche Veränderungen bleiben?

Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Die Schwachstellen einer globalisierten Wirtschaft treten offen zu Tage. Unternehmen, die bislang über ein profitables Geschäftsmodell verfügt haben, sind nun mit den Defiziten in der strategischen Ausrichtung konfrontiert:

  1. Abhängigkeit von einseitig aufgestellten Vertriebs- und Beschaffungskanälen
  2. Produktportfolien, die in Krisenzeiten nicht mehr marktgerecht sind
  3. Eine Verwaltungsorganisation, die allein auf die Präsenz der Mitarbeiter in den Büros ausgerichtet ist oder
  4. Planungstools, die entweder nur rudimentär vorhanden oder in sich nicht schlüssig sind.

Wer die Pandemie bislang überstanden hat, hat diese Herausforderungen entweder im Schnellverfahren gemeistert oder muss dies kurzfristig tun. Wir haben auf unserem Blog mehrfach darüber berichtet. Aktuell befassten sich Unternehmen mit den Themen

  • Beschaffung und Logistik,
  • Liquiditätsmanagement,
  • Geschäftsfeldüberprüfungen und

Diese Themen werden auch im nächsten Jahr relevant sein.

Der Miliardenbetrug bei Wirecard legt die Defizite in der Kontrolle des Finanzmarktplatzes Deutschland offen

Ein Thema, das die Berichterstattung und die Debatte innerhalb der Berufsträger beherrscht, ist der Milliardenbetrug bei Wirecard. Alle fragen sich, warum der Betrug nicht früher aufgedeckt wurde. Warum wurde den kritischen Stimmen offenbar nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt? Wie kann es sein, dass die Wirtschaftsprüfer den Betrug nicht erkannt haben?

Diese Fragen werden sich nur nach einer intensiven Aufarbeitung des Falls beantworten lassen – was für viele Beobachter nur schwer nachzuvollziehen ist.

An anderer Stelle hat sich ein Erkenntnisgewinn jedoch bereits ergeben. Ähnlich wie die Corona-Pandemie, wirkt auch der Wirecard-Betrug wie ein Brennglas in Bezug auf die Defizite in der Überwachung und Kontrolle des Finanzmarktplatz Deutschland. Die Aufsicht über Unternehmen und deren Prüfer ist zersplittert. Bafin, APAS, DPR, FIU, Finanz- und Wirtschaftsministerium sind insgesamt zwar zuständig. Wer aber letzten Endes die Verantwortung trägt und tätig werden muss, ist scheinbar nicht eindeutig geregelt. Nach dem was bisher bekannt geworden ist, schieben sich einzelne Behörden die Verantwortung zu, was besonders beim Thema Geldwäsche deutlich geworden ist.

Es ist davon auszugehen, dass sich diese Strukturen zukünftig ändern werden. Ob ein zweites Wirecard hierdurch verhindert werden kann, ist jedoch fraglich.

Dies gilt auch für das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, das Olaf Scholz im Schnellverfahren entworfen hat. Neben einer Stärkung der Kompetenzen der BAFin, enthält das Gesetz im Wesentlichen Maßnahmen, die in Bezug auf die Abschlussprüfung und den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer seit langem diskutiert werden, und so auch schon umgesetzt worden sind. So soll eine stärkere Trennung von Prüfung und Beratung, eine Pflichtrotation und eine Erhöhung der Haftungssummen für den Abschlussprüfer umgesetzt werden. Die ebenso im Gesetzesvorschlag enthaltene Verpflichtung zur Einrichtung interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme und die Bildung eines Prüfungsausschusses dürfte meines Erachtens eher geeignet sein, eine präventive Wirkung zu enfalten.

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

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