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6. Dezember 2024

Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland Frankreich: So werden Abfindungen von Grenzgänger:innen versteuert

Kategorien: Steuerberatung

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied am 01.08.2024, dass die Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich die Besteuerung einer Abfindung durch Deutschland nicht ausschließt, sofern diese auf Zeiten entfällt, in denen der/die Arbeitnehmer:in in Deutschland wohnte und arbeitete. 

Doppelbesteuerungsabkommen (kurz: DBA) enthalten Regelungen über die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Wohn- oder Tätigkeitsstaat einer steuerpflichtigen Person und dienen der Vermeidung einer Doppelbesteuerung zwischen den betroffenen Vertragsstaaten. Einzelne DBA enthalten spezielle Regelungen für Grenzgänger:innen, hierunter auch das DBA Frankreich – Art. 13 Abs. 5 1959/2001. 

Grenzgänger:innen und die Grenzgängerregelung 

Grenzgänger:innen sind Menschen, die in einem Land nahe der Grenze arbeiten, aber in einem anderen Land nahe der Grenze wohnen und regelmäßig – meist täglich –dorthin zurückkehren. Die Grenzgängerregelung bestimmt, dass das Land, in dem sie wohnen, in aller Regel die Steuern auf das Einkommen aus ihrer Arbeit erheben darf. 

Hintergrund des BFH-Urteils vom 01.08.2024 – VI R 52/20: Der Fall im Detail 

Das BFH-Urteil, das Abfindungen von Grenzgänger:innen fortan regelt, ist zurückzuführen auf einen konkreten Fall, den wir im Folgenden vorstellen. Der Kläger war insgesamt 245 Monate für einen Konzern in Deutschland tätig. In den ersten 129 Monaten seiner Tätigkeit (Februar 1995 Oktober 2005) war er bedingt durch einen inländischen Wohnsitz mit seinen Einkünften aus dem Anstellungsverhältnis in Deutschland, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG) und unterlag dem inländischen Lohnsteuerabzugsverfahren. 

Während seiner Tätigkeit für den deutschen Konzern zog der Arbeitnehmer nach Frankreich. Er wechselte hierdurch von der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in die beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG, wonach Deutschland lediglich ein Besteuerungsrecht auf inländische Einkünfte innehat. Der Kläger arbeitete weiterhin in Deutschland, kehrte jedoch regelmäßig nach Beendigung der Tätigkeit, nach Frankreich zurück. Im Zuge dessen fand die Grenzgängerregelung nach Art. 13 Abs. 5 DBA  –Frankreich Anwendung. Seine Einkünfte aus dem deutschen Anstellungsverhältnis wurden für die restlichen 116 Monate der Beschäftigung innerhalb des Konzerns (November 2005 Juni 2015) unter Berücksichtigung einer entsprechenden Freistellungsbescheinigung, von der deutschen Besteuerung freigestellt. Analog dazu erfolgte eine Besteuerung der Einkünfte aus dem inländischen Arbeitsverhältnis in Frankreich. 

Bedingt durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde dem Arbeitnehmer auf Grundlage der Konzernzugehörigkeit von 245 Monaten eine Abfindungszahlung gewährt. Diese teilte der Arbeitgeber in Abstimmung mit seinem zuständigen Betriebsstätten-Finanzamt anhand der Monate, in denen der Kläger tatsächlich in Deutschland besteuert worden war, in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil, auf (steuerpflichtig: 129/245; steuerfrei: 116/245). 

Der Kläger widersprach der vom Finanzamt durchgeführten Aufteilung der Abfindung unter Bezugnahme auf die Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied im Jahr 2020, das die Grenzgängerregelung auf Abfindungszahlungen nicht anwendbar sei (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.02.2020 – 6 K 1055/18, EFG 2020, 1469).  Der Kläger legte Revision gegen das Urteil ein und brachte die Entscheidung vor den Bundesfinanzhof (BFH). 

Der BFH musste daraufhin die Entscheidung treffen, wo eine Abfindungszahlung zu versteuern ist, wenn der/die Grenzgänger:in im Laufe der von der Abfindung umfassten Tätigkeitszeit, in das Grenzgebiet des anderen Staates zieht. 

BFH weist Revision zurück 

Der BFH hat die Revision mit Urteil vom 01.08.2024 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine weitere steuerliche Freistellung der Abfindung für den Zeitraum der Tätigkeitsausübung bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland. 

Hierzu führt der BFH die folgenden Gründe an: 

  • Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG sind inländische Einkünfte auch solche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.  
  • Die Abfindungszahlung zählt zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Soweit diese auf den Zeitraum entfällt, in dem der Kläger in Deutschland besteuert wurde, kann nach nationalstaatlichen Regelungen eine Arbeitslohnbesteuerung als inländische Einkünfte erfolgen.
  • Der Besteuerung steht das DBA Frankreich nicht entgegen. 
  • Abfindungszahlungen sind grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat (hier: Frankreich) zu besteuern. Das DBA Frankreich weicht hiervon über Art. 13 Abs. 1 jedoch insofern ab, als das Besteuerungsrecht für Abfindungen grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zusteht. 

Für die Tätigkeitszeiträume, in denen das DBA Frankreich zur Anwendung kommt, verlagert sich die Steuerpflicht nach Frankreich. Infolgedessen erfolgt eine Steuerfreistellung der Abfindungszahlung in Deutschland ausschließlich für den Zeitraum der Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung (116 von 245 Monate). 

Unsere Einschätzung: Doppelbesteuerung und Abfindungen – so unterstützen wir Sie 

Die Entscheidung des BFH verdeutlicht die Problematik der Besteuerungsfragen bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen und die Komplexität der steuerlichen Würdigung von Sachverhalten, bei denen die Grenzgängerregelung Anwendung findet. Neben der Prüfung, ob nach nationalen Regelungen eine Besteuerung erfolgen kann, muss zusätzlich nach dem jeweiligen DBA die Zuweisung des Besteuerungsrechts geprüft werden. Es empfiehlt sich daher bereits im Voraus die Expertise eines fachkundigen Steuerberaters hinzuziehen. 

Haben Sie Fragen zu Doppelbesteuerung, zu Steuern im Rahmen von Abfindungen oder möchten Sie sich einfach umfassend beraten lassen? Unsere Spezialistin für grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze Meike Ringel steht Ihnen hierbei gerne beratend zur Seite und freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme! 

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