13. Juni 2023
Equal Pay und Leiharbeit: Das müssen Sie wissen
Die Arbeitnehmerüberlassung, auch Leiharbeit genannt, ermöglicht Unternehmen eine flexible Personalplanung. Dabei ist “Equal Pay” ein wichtiger Grundsatz, der Leiharbeitnehmer:innen mit fest angestellten Kolleg:innen gleichstellen soll. Allerdings erlauben bestimmte Ausnahmen auch Abweichungen. Ein kürzlich gefälltes Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat klargestellt, dass entsprechende Tarifverträge rechtmäßig sind. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie alle Details.
Wie funktioniert Arbeitnehmerüberlassung?
Die Arbeitnehmerüberlassung charakterisiert sich als eine Form der Beschäftigung, in der Arbeitgeber:innen, bekannt als Verleiher:innen, ihre Arbeitnehmer:innen – die Leiharbeitnehmer:innen – für eine bestimmte Zeit an ein anderes Unternehmen – den Entleiher bzw. die Entleiherin – übergibt. Unternehmen können so flexibel auf den Personalbedarf reagieren und Kosten einsparen.
Die Verleiher:innen schließen einen Arbeitsvertrag mit den Leiharbeitnehmer:innen und verbleiben in ihrer Rolle als Arbeitgeber:innen. Parallel dazu schließen die Entleiher:innen mit den Verleiher:innen einen Überlassungsvertrag ab, in dem die Arbeitsbedingungen für die Leiharbeitsnehmer:innen bestimmt werden. Die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien legt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fest.
Wie ist die Bezahlung nach dem Equal Pay-Grundsatz geregelt?
Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) erhalten Leiharbeitnehmer:innen während der gesamten Überlassungsdauer dieselben grundlegenden Arbeitsbedingungen und das gleiche Arbeitsentgelt wie ihre vergleichbaren fest angestellten Kolleg:innen beim Entleiher bzw. bei der Entleiherin. Dieser Grundsatz des “Equal Pay” stützt sich auf die europäische Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG). Sein Zweck ist die Verhinderung einer Diskriminierung von Leiharbeitnehmer:innen und die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen.
Welche Ausnahmen beim Equal Pay-Grundsatz gibt es?
Gemäß § 8 Abs. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) kann es Abweichungen vom Grundsatz des “Equal Pay” geben, sofern eine tarifvertragliche Regelung dies vorsieht. Dabei können solche Tarifverträge entweder zwischen den Sozialpartner:innen der Zeitarbeitsbranche oder den Sozialpartner:innen der Einsatzbranche ausgehandelt werden. Als bekanntes Beispiel dient der Tarifvertrag zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und ver.di. Dieser sieht eine stufenweise Anpassung der Vergütung von Leiharbeitnehmer:innen an die Vergütung von Stammarbeitnehmer:innen vor und erlaubt gleichzeitig Abweichungen.
Equal Pay und Leiharbeit: Aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 31.05.2023 (Az. 5 AZR 143/19), dass dieses Tarifwerk den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeits-Richtlinie (RL 2008/104/EG) entspricht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in einem Vorabentscheidungsverfahren klar, dass der umfassende Schutz von Leiharbeitnehmer:innen nicht zwangsläufig eine Gleichbehandlung in jeder Hinsicht mit den Stammarbeitnehmer:innen bedeutet. Eine niedrigere Bezahlung von Leiharbeitnehmer:innen im Vergleich zu Stammbeschäftigten ist zulässig, wenn der Tarifvertrag diese Ungleichheit ausgleicht.
Nationale Gerichte sollten in einer Gesamtbewertung alle relevanten Umstände berücksichtigen, einschließlich der Dauer der Überlassung, des Vergütungsniveaus, der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherung. Im aktuellen Fall klagte eine Leiharbeitnehmerin, die als Kommissioniererin arbeitete und einen Stundenlohn von 9,23 Euro erhielt, während vergleichbare Stammarbeiter:innen 13,64 Euro pro Stunde verdienten.
Das BAG kam nach einer Gesamtbewertung zu dem Schluss, dass das Tarifwerk von iGZ und ver.di, das viele Zeitarbeitsfirmen anwenden, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Leiharbeitnehmer:innen, der Verleiher:innen und der Entleiher:innen schafft. Ein Vorteil besteht darin, dass die Leiharbeitnehmerin auch während Zeiten ohne Überlassung eine Entlohnung erhält. Das Gesetz verbietet eine Unterschreitung staatlich festgesetzter Lohnuntergrenzen und des gesetzlichen Mindestlohns und beschränkt die Möglichkeit, vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts abzuweichen, auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses. Im Ergebnis hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages.
Unsere Einschätzung
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stärkt die Rechtssicherheit und Planungssicherheit in Bezug auf den Gleichstellungsgrundsatz für Leiharbeitnehmer:innen. Wenn Sie Verleiher:in oder Entleiher:in von Leiharbeitnehmer:innen sind, profitieren Sie von dieser Entwicklung. Das Tarifwerk von iGZ und ver.di bietet Leiharbeitnehmer:innen eine angemessene Vergütung. Achten Sie auf die Einhaltung der tariflichen Bestimmungen und machen Sie keine unzulässigen Abweichungen. Diese können zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen.
Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben oder eine rechtliche Beratung benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.