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24. Oktober 2024

Erbschaftsteuer: Übertragung von Steuerbegünstigungen auch nach sechs Monaten möglich

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Die Übertragung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung, wie beispielsweise für ein selbstgenutztes Familienheim oder Betriebsvermögen, kann auch nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgen. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 15. Mai 2024 (Az. II R 12/21). 

Erbschaftsteuerliche Begünstigungen bei späterer Nachlassteilung

Im aktuellen Fall stellte der BFH klar, dass die Steuerbegünstigungen für Betriebsvermögen, vermietete Immobilien sowie das selbst genutzte Familienheim auch dann unter den Erbinnen und Erben aufgeteilt werden können, wenn die Teilung des Nachlasses nicht unmittelbar, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet und die Teilung durch die Erb:innen von Anfang an gewollt war. Die Teilung ist in diesem Fall bisher nicht erfolgt, da nach dem plötzlichen Tod beider Elternteile eine Vielzahl von steuerrechtlichen und bewertungsrechtlichen Fragen aufgekommen sei, die zunächst hätten beantwortet werden müssen. Entscheidend ist, dass die Übertragung von Anfang an das Ziel der Erb:innen war und die Vermögensaufteilung im Rahmen der Erbauseinandersetzung erfolgte – selbst, wenn diese mehr als sechs Monate nach dem Erbfall stattfindet. 

Der Fall im Detail

Der Kläger erbte gemeinsam mit seinem Bruder zu gleichen Teilen das Vermögen der 2015 verstorbenen Eltern. Der Nachlass der Mutter umfasste mehrere Grundstücke, während der Nachlass des Vaters ebenfalls Grundstücke sowie eine 20-prozentige Beteiligung an einer GmbH & Co. KG und eine gleichhohe Beteiligung an deren Komplementärgesellschaft beinhaltete. Die übrigen Anteile an der KG und der GmbH befanden sich bereits im Besitz des Klägers. 

Für die erhaltenen Beteiligungen und Grundstücke wurden dem Kläger verschiedene Steuervergünstigungen gewährt, darunter die Steuerbefreiungen für Unternehmensvermögen nach § 13a ErbStG, § 13c ErbStG a.F. und die Befreiung für das selbst genutzte Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer erfolgte zunächst unter Vorbehalt. 

In der Auseinandersetzungsvereinbarung vereinbarten der Kläger und sein Bruder die gegenseitige Übertragung mehrerer Grundstücke. Zudem übertrug der Bruder einen 10-prozentigen Anteil an der KG auf den Kläger, wofür dieser eine Abfindung leistete. Nach dieser Aufteilung beantragte der Kläger beim Finanzamt eine Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), um die Steuerbegünstigungen neu zuzuordnen. Das Finanzamt lehnte jedoch ab, mit der Begründung, dass eine Erbauseinandersetzung nur dann steuerlich relevant sei, wenn sie zeitnah nach dem Erbfall erfolge. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage des Klägers statt, und der BFH bestätigte letztlich die Entscheidung. 

Nachträgliche Teilung des Erbes: Steuerliche Konsequenzen

Wenn mehrere Miterb:innen das Vermögen eines Verstorbenen später unter sich aufteilen, können die steuerlichen Vergünstigungen neu verteilt werden. Dies gilt insbesondere für Betriebsvermögen (§ 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG a.F., § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG n.F.) und Immobilien, die zu Wohnzwecken vermietet oder als Familienheim genutzt werden (§ 13d Abs. 2 ErbStG, § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG). Die Neuzuteilung der steuerlichen Vorteile betrifft nur die Höhe der gewährten Steuerbegünstigung, nicht jedoch die Zurechnung des erworbenen Vermögens an sich. 

Urteil des BFH: Keine starre Frist

Der BFH stellte klar, dass das Gesetz keine strikte Frist für die Teilung des Nachlasses vorsieht. Die bisher von der Finanzverwaltung gesetzte Sechsmonatsfrist wurde vom Gericht abgelehnt. Entscheidend ist, dass die Teilung im “inneren Zusammenhang” mit dem Erbfall steht, was auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. 

Praxistipp

Das Urteil des BFH schafft mehr Flexibilität bei der Erbauseinandersetzung, da Miterb:innen nun mehr Zeit haben, sich über die Vermögensaufteilung zu einigen. In der Praxis führt die bisherige Frist von sechs Monaten häufig zu Schwierigkeiten, etwa wenn der Kontakt zu anderen Miterb:innen nicht zeitnah hergestellt werden kann. Dennoch sollten sich Erbinnen und Erben nicht unbegrenzt Zeit lassen, da der innere Zusammenhang mit dem Erbfall nicht übermäßig gedehnt werden darf. 

Unsere Einschätzung

Aus steuerlicher Sicht ist das Urteil des BFH ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehr Flexibilität bei der Nachlassteilung. Für Erb:innen bedeutet dies, dass sie sich nicht mehr durch enge zeitliche Vorgaben unter Druck setzen lassen müssen, um von steuerlichen Begünstigungen zu profitieren. Allerdings sollten Erbinnen und Erben dennoch darauf achten, den Nachlass zeitnah zu regeln, um den inneren Zusammenhang mit dem Erbfall zu wahren und keine steuerlichen Nachteile zu riskieren.  

Insbesondere bei komplexen Nachlässen, wie sie häufig bei Betriebsvermögen oder mehreren Immobilien auftreten, ist eine rechtzeitige Beratung durch Steuerexpert:innen sinnvoll, um die optimale steuerliche Gestaltung sicherzustellen. Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Steuerberater und Leiter der Unternehmens- und Vermögensnachfolge Akram Juja und Steuerberater Christian Kappelmann 

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