11. Juli 2022
Erste Eckpunkte zum Zukunftsfinanzierungsgesetz veröffentlicht
Inhaltsverzeichnis
Am 29. Juni 2022 haben Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Eckpunkte zum neuen Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgestellt. Dieses Gesetz soll bis Dezember 2023 in Kraft treten. Erfahren Sie hier, was es insbesondere durch steuerliche Veränderungen – die vorwiegend Start-ups und den Kapitalmarkt betreffen – bewirken soll.
Ein erster Blick auf das neue Zukunftsfinanzierungsgesetz
Das Ziel der Regierenden: Deutschland als Wirtschaftsstandort attraktiver gestalten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Ukraine, den Folgen für die Wirtschaft und der aktuellen Inflation steht das Land vor großen Herausforderungen. Deshalb haben Finanz- und Justizminister eine Reihe von geplanten Änderungen und Neuerungen im Bereich des Gesellschaftsrechts, des Kapitalmarktrechts sowie des Steuerrechts mit dem Eckpunktepapier zu einem Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgestellt. Zusätzlich wollen sie damit die Wandlung zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben.
Neue Möglichkeiten auf dem Kapitalmarkt
Beabsichtigt ist, Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Das Mindestkapital für einen Börsengang soll von derzeit 1,25 Millionen Euro auf eine Million Euro herabgesetzt werden. Geprüft wird auch, ob Vereinfachungen der regulatorischen Anforderungen sowie der Zulassungsfolgepflichten möglich und umsetzbar sind.
Moderne Transaktionsformen wie der vereinfachte und schnelle Börsengang im Rahmen eines SPACs (Special Purpose Acquisition Companies, Was sind SPACs und wieso boomen sie jetzt? Sollen hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit auch in Deutschland geprüft werden.
Modernisierungspaket für die BaFin
Für die BaFin stehen die weitere Digitalisierung und Anpassung an die Anforderungen einer digitalen Wirtschaft auf dem Plan.
Hierzu gehören:
- Abbau von Digitalisierungshemmnissen in Aufsichtsgesetzen
- Teilweise Streichung von Schriftformerfordernissen
- Einrichtung einer Vergleichswebsite für Kontoentgelte
- Digitale Kommunikation mit der Behörde
- Englischsprachige Kommunikation
- Zurverfügungstellung von Mustern für Standardverträge im Finanzdienstleistungsbereich
Digitalisierung und Förderung der Aktien- und Vermögensanlage
Durch die gegenwärtig prognostizierte Rentenlücke sowie die Inflationsbelastung sind diverse Maßnahmen für die Förderung von Investitionen in den Kapitalmarkt durch Privatanleger geplant. Voranschreiten soll zusätzlich auch die Digitalisierung in diesem Bereich, um die Attraktivität des Kapitalmarktes zu steigern. Hierzu gehören folgende Ansätze:
- Einführen eines Freibetrags für Veräußerungsgewinne aus Aktien- und Aktienfondsgeschäften.
- Abschaffen der gesonderten Verlustverrechnungskreise des § 20 Abs. 6 S. 4ff Einkommensteuergesetz (EStG) für Verluste aus Aktien, Termingeschäften und Forderungsausfällen.
- Anheben der Arbeitnehmer-Sparzulage bei der Anlage vermögenswirksamer Leistungen in Vermögensbeteiligungen und Erweiterung des Anwendungsbereiches.
- Die Regelungen für die Emission elektronischer Wertpapiere im Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) sollen auf ihre Anwendbarkeit für den Aktienhandel geprüft werden.
Neue Möglichkeiten für Start-ups und KMU
Dual class shares
Bisher kommen in Deutschland vergleichsweise selten Gesellschaftsanteile verschiedener Kategorien zum Einsatz. Bekannt ist die Unterscheidung zwischen Stamm- und Vorzugsaktien. Geplant ist, weitere und flexiblere Lösungen zu schaffen, zum Beispiel durch die Zulassung von sogenannten dual class shares. Hierbei handelt es sich um Anteile mit unterschiedlichen Ausprägungen der damit verbundenen Stimmrechte oder Gewinnbezugsrechte. Dies kann insbesondere für Start-ups und KMU in Finanzierungsrunden und im Falle eines Börsengangs mehr Flexibilität bedeuten und diese damit vereinfachen.
Das ist beim Zukunftsfinanzierungsgesetz zu Kapitalerhöhungen geplant
Bei Kapitalerhöhungen soll es eine Erweiterung von Gestaltungsspielräumen und deren rechtssicherer Durchführung geben. Das betrifft unter anderem Vorgaben zum Ausgabebetrag und zum Bezugsrechtsausschluss.
Zukunftsfinanzierungsgesetz und Mitarbeiterbeteiligungen
Mitarbeiterbeteiligungen sind ein wichtiges Instrument für Start-ups. Die steuerliche Behandlung der diversen in Deutschland praktizierten Beteiligungsmöglichkeiten ist trotz der Neueinführung des § 19a EStG weiterhin verbesserungswürdig. Um Start-ups den Zugang zu Fachkräften zu vereinfachen und damit den deutschen Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, sind folgende Punkte in dem Eckpapier enthalten:
- Erhöhung des Freibetrages nach § 3 Nr. 39 EStG von 1.440 Euro auf 5.000 Euro
- Ausweitung und Optimierung der neuen Regelungen des § 19a EStG
INVEST-Programm
Eine Verlängerung gibt es beim Förderprogramm INVEST-Zuschuss. Geplant war ursprünglich, dass es zum 31. Dezember 2022 ausläuft.
Unsere Einschätzung
Die wesentlichen Änderungsvorschläge betreffen die Förderung der Start-up-Branche und das Ziel, Privatpersonen die Teilnahme am Kapitalmarkt näherzubringen.
Dies ist aufgrund der Probleme der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung unumgänglich. Steuerbefreiungen für Gewinne aus Aktien sowie bessere Verlustverrechnungsmöglichkeiten können hier lediglich der Anfang einer umfangreicheren Kampagne der Bundesregierung sein. Allein damit wird sich das Sparverhalten der Deutschen nicht grundlegend ändern. Hier sind weitere Anpassungen wünschenswert. Beispiele wären ein Freibetrag auch für Dividenden oder ein erhöhter Sparerpauschbetrag.
Vereinfachungen hinsichtlich des Zugangs zum Kapitalmarkt und Kapitalerhöhungen durch Bürokratieabbau und der Öffnung für moderne Vehikel wie dem SPAC oder dual class shares belegen das Bestreben und die Erkenntnis der Politik, in diesen Bereichen tätig werden zu müssen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das betrifft auch den Bereich der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, die bisher in Deutschland vergleichsweise wenig Beachtung beziehungsweise Förderung finden. Die Erhöhung des steuerlichen Freibetrages und weitere Anpassungen des § 19a EStG sind hier willkommene und notwendige Ansätze. Weitere Möglichkeiten werden bereits diskutiert. Ein Beispiel ist der Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für eine Start-up-Strategie der Bundesregierung vom 1. Juni 2022. Im Falle einer Umsetzung vieler dieser Ideen könnten die Maßnahmen in Summe zu einer deutlichen Steigerung der Attraktivität deutscher Start-ups sowie deren Wachstumschancen führen.
Unserer Meinung nach benötigt ein „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ in finaler Fassung jedoch deutlich mehr Inhalte, um seinen Namen zu rechtfertigen.
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